Tornado-Trio: Porsche 911 Carrera 2, Ferrari F355 & BMW M3 E36
- Porsche 911 Carrera 2, Ferrari F355 & BMW M3 im Test von 1994
- Der Carrera 2 ist ein Musterbeispiel an Ergonomie
- Der Ferrari ist das Fahrerauto schlechthin
- Der Sechszylinder des M3 giert nach Drehzahl
- Der F355 verfehlt die 300 km/h-Marke knapp
- Jeder der drei Sportwagen ist Kurvenkünstler
- Technische Daten von Porsche 911 Carrera 2, Ferrari F355 und BMW M3 (E36)
Tornado-Pilot:innen sind einiges gewohnt. Ihre Arbeit pflegen sie mit einer Erdbeschleunigung von gut 4 g aufzunehmen. Unterwegs reisen sie jenseits der Mach 2 (doppelte Schallgeschwindigkeit), und wenn sie heimkehren, dann mit einer Bremsverzögerung von gut 2 g. Geschwindigkeit ist ihr Leben. Vergleichbares erleben nur drei Deutsche: Astronaut Ulf Merbold, Michael Schumacher und sein Kollege Heinz-Harald Frentzen. Tornardo-Piloten, Raumfahrer und Formel-1-Stars teilen sich jedoch ein Problem: Ihnen muß zwangsläufig jedes Straßenauto ziemlich fad vorkommen.
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Der Porsche 911 GT3 (2025) im Fahrbericht (Video):
Porsche 911 Carrera 2, Ferrari F355 & BMW M3 im Test von 1994
Der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung jedoch befällt beim Klang folgender Namen Bluthochdruck: Ferrari, Carrera oder M3, Synonyme für unvergleichliche Erlebnisdichte am Steuer. Was haben der neue Ferrari F355, Porsches nach 31 Jahren immer noch taufrischer 911 Carrera und der BMW M3 gemeinsam? Alle drei sind irre schnell; sie sind quasi die Überschallflieger unter den Straßenjets. Weitere Ähnlichkeiten: Sie haben jeweils zwei Türen, sind Hecktriebler und in ihren Preisklassen ultimative Lösungen. Je näher man die Supersportler betrachtet, desto krasser werden die Unterschiede.
Mit allen Vorzügen eines Großserien-Coupés glänzt der BMW: Vier Mann finden im M3 bequem Platz, sogar der Einstieg verläuft unspektakulär. Das Ambiente verheißt zurückhaltende Exklusivität: Die Ledersitze zieren Streifen in BMW-Motorsport-Farben, die Instrumente das M-Signet. Man sitzt gut und bequem; auf alles Wichtige hat man optimalen Zugriff. Die Pedalerie ist fein justiert für den Stepptanz auf Gas, Kupplung und Bremse. Auch die Relation zwischen Lenkrad und Schalthebel passt.
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Der Carrera 2 ist ein Musterbeispiel an Ergonomie
Vier Personen im Porsche, da müssen die Hintensitzenden große Fans sein. Der Platz ist auch im Heck des neuen Carrera so knapp wie eh und je. Dafür weht vorn der Geist von Klassik und Rennatmosphäre durchs Cockpit: Das anachronistisch steil stehende Volant, die unmittelbare Nähe zur nicht minder anachronistisch aufrechten Windschutzscheibe und diese einzigartigen Rundinstrumente mit dem alles dominierenden Tourenzähler in der Mitte.
Ein Jahrhundertdesign! Erst wenn links die Bordelektronik gezündet wird, fällt auf, wieviele Warnsymbole und -lampen sich in den Uhren verbergen. Auch wenn die steile Sitzposition im 911 von heute dank Servolenkung nicht mehr zwingend ist – der Carrera ist und bleibt ein Musterbeispiel der Ergonomie. Selbst der baumlange Walter Röhrl sitzt im Porsche perfekt, das will was heißen.

Der Ferrari ist das Fahrerauto schlechthin
Der Ferrari, das Fahrerauto schlechthin. Drum verzichten die Techniker:innen aus Maranello auf Rücksitze und überließen dem V8 den Platz. Auch gut. Dabei verblüfft der F355 schon die Vornsitzenden zu Genüge: Waren die Renner aus der Emiglia Romana in der Vergangenheit auf die eher zierliche Statur der Italiener:innen zugeschnitten, so finden nun auch Größergewachsene eine ansprechende Sitzposition. Die Verarbeitung des 355 erreicht ungeahnte Höhen. Doch was für einen Ferrari bereits toll ist, wäre im BMW und 911 so akzeptabel wie schludrige Wartung an einem Tornado.
Für die Kids, die sich an den Seitenfenstern die Nasen plattdrücken, ist der Ferrari das Größte: Die dichtgedrängte Skalierung seines chromumrandeten Veglia-Tachos reicht bis 320, beim BMW gehts bis 280, im Porsche bis 300 km/h. Auch unterwegs bleibt der Ferrari der Herr der Überflieger, schon die Silhouette im Rückspiegel genügt, und alle anderen Verkehrsteilnehmenden räumen blitzartig die linke Spur.
Der Sechszylinder des M3 giert nach Drehzahl
Auch der Porsche genießt ein exorbitantes Überholprestige. Dafür glänzt der M3 mit den besten Manieren. Sein Reihensechszylinder harrt ab Leerlaufdrehzahl begierig aller Gasbefehle und dreht geradezu süchtig hoch, mit einer fast linearen Kraftentfaltung bis jenseits der 7000. Seidig, wie er dabei zur Sache kommt, wird er akustisch nie lästig. Ganz im Gegenteil, ein wenig mehr Lautmalerei stünde ihm sogar gut zu Gesicht. Daran herrscht im Porsche wahrlich kein Mangel, auch wenn er im Vergleich zu älteren Modellen ein Leisetreter geworden ist. Früher brüllten 911 laut und schön, heute nur noch schön.
Obwohl der 286 PS (210 kW) starke BMW dem Elfer und dessen 272 PS (200 kW) in puncto Fahrleistungen in nichts mehr nachsteht – wenn der Porsche-Sechszylinder ab 4000 Touren so richtig losbrüllt, wirkt der Carrera subjektiv gnadenloser. Das fein sortierte Sechsganggetriebe seziert den Vortrieb in kleinere Portionen; Schalten kann dank kurzer Wege zum Selbstzweck verkommen. Auch der M3 verdient den Getriebe-Nobelpreis.

Der F355 verfehlt die 300 km/h-Marke knapp
Für diesen wurden Ferrari-Schaltboxen noch nie nominiert, beharrlich sperrten sie sich gegen flottes Rauf- und erst recht Runterschalten – bis zur Blasenbildung in der rechten Hand. Auch hier läutet der Nachfolger des 348 eine neue Ära ein. Dank neuem Sechsganggetriebe flutschen die Wellen fortan mit vertretbarem Kraftaufwand rein. Die Angst, in Kurven plötzlich ohne Gang dazustehen, ist stark rezessiv. Im Gegensatz dazu steht das Temperament des 355, das eindeutig eine Konjunkturphase erlebt. Porsche und BMW gehen tierisch, der Italiener aber wie die Sau. Er hängt am Gas wie eine Sprungfeder und dreht sich durch untere Touren mit dem gierigsten Ansaugschlürfen der Neuzeit.
Er erklimmt rennmäßige Drehzahlgipfel mit der Blitzartigkeit einer Motorradmaschine, begleitet von einem giftigen Kreischen, das Suchtcharakter besitzt. Jedem Schalten folgt eine neuerliche Krafteruption, der Schub scheint erst ab Tempo 280 Widerstand zu finden. Die mystische 300er Marke verfehlt der F355 nur knapp. Bremsfallschirme brauchen die drei Straßentornados nicht, sie verzögern mit viel Ehrgeiz und Ausdauer aus 100 km/h diesseits der 40 m. Selbst den Ferrari 355 gibt es nun mit ABS, doch das ist so toll nicht: Bessere Werte ergeben sich nämlich, wenn es ausgeschaltet wird.
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Jeder der drei Sportwagen ist Kurvenkünstler
Dass sie wahre Sportgeräte sind, beweisen die drei Tiefflieger auch auf kurvigem Terrain. Am problemlosesten läßt sich der M3 beherrschen. Dank direkter Lenkung folgt er dem Wunsch nach Richtungsänderung unverzüglich, flotte Fahrten auf geschwungenen Landstraßen geraten zur Mordsgaudi. Wird es doch mal eng, lässt sich der neutrale 3er zumindest auf trockenem Untergrund immer noch gut kontrollieren.
Auch der Elfer schaffte den Sprung von der ungebändigten Heckschleuder zum sanften Untersteuerer, keine Spur mehr von jenen heimtückischen Lastwechselreaktionen, die Generationen von 911-Fahrenden dem Herzinfarkt näher brachten. Die Reserven des Carrera liegen nach wie vor weit jenseits dessen, was Normalfahrende für möglich halten. Ganz erstaunlich wird es auf regennasser Fahrbahn: Dann ist der Porsche eine Klasse für sich.
Auch der Ferrari hat sich – trockenes Wetter vorausgesetzt – zum absoluten Kurvenkünstler gemausert. So unglaublich schnell, wie er in den richtigen Händen sein kann, so unglaublich knapp definiert ist auch sein Grenzbereich. Reißt die Haftung der Hinterräder ab, folgt der Dreher fast auf der Stelle: Es dauert, bis sich die Pirelli-Pneus den Grip zurückerobern. Im Regen bleibt der Schönling sowieso besser daheim.
Welches ist nun der optimale Sportwagen? Vermutlich der Ferrari Carrera M3: Mit den Fahrleistungen des F355, der Alltagstauglichkeit des Porsche 911 und zum Preis des BMW. Der Ferrari ist ein extremes Spielzeug und der 911 Carrera der perfekte Kompromiss. Der M3 aber bietet Genuss ohne Reue.

Technische Daten von Porsche 911 Carrera 2, Ferrari F355 und BMW M3 (E36)
AUTO ZEITUNG 23/94 | Porsche 911 Carrera 2 | Ferrari F355 | BMW M3 (E36) |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 6/2 | 8/4 | 6/4 |
Hubraum | 3600 cm³ | 3496 cm³ | 2990 cm³ |
Leistung | 200 kW/272 PS | 280 kW/380 PS | 210 kW/286 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 330 Nm 5000/min | 363 Nm 6000/min | 320 Nm 3600/min |
Getriebe/Antrieb | 6-Gang-Getriebe/Hinterrad | 6-Gang-Getriebe/Hinterrad | 5-Gang-Getriebe/Hinterrad |
L/B/H | 4245/1735/1300 mm | 4250/1900/1170 mm | 4433/1710/1335 mm |
Leergewicht | 1383 kg | 1430 kg | 1460 kg |
Bauzeit | 1993-1998 | 1994-1999 | 1992-1999 |
Stückzahl | 42.794 | 11.273 | 71.242 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 5,8 s | 5,4 s | 5,8 s |
Höchstgeschwindigkeit | 270 km/h | 295 km/h | 250 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 13,2 l S | 17,2 l S | 11,8 l S |
Grundpreis (Jahr) | 125.760 Mark (1994) | 200.100 Mark (1994) | 85.000 Mark (1994) |