Bentley Continental GT3-R: Luxus-Coupé mit V8-Biturbo im Tracktest Luxus leicht gemacht
Zwei Zentner Ballast raus, eine Herde muskulöser Hengste mehr unter der leichten Motorhaube: Das ist der Bentley Continental GT3-R. Trackt-Test des trotz Fasten-Kur immer noch luxuriösen Edel-Coupés auf dem Anglesey Circuit in Wales
igentlich läuft das mit den Testwagen so: Wir holen die Fahrzeuge nach Köln und prüfen sie auf dem Testgelände. Doch dieses Mal ?ist alles anders: Um den auf 300 Exemplare limitierten Bentley GT3-R unter die Lupe nehmen zu können, packen wir unser Mess-Equipment ein und reisen auf ?die Isle of Anglesey nach Wales. Hier heißen die ?Orte Llangristiolus, Rhosneigr oder Bryngwran, und der Einheimische spricht ein komisch klingendes Kauderwelsch mit rrrollendem R. Unser Ziel: die kleine, aber feine Rennstrecke hinter dem Dörfchen Aberffraw, direkt am Wasser keine 50 Meter zwischen schützenden Reifenstapeln und Irischer See gelegen – Anglesey Circuit.
Bentley Continental GT-R: Tracktest im Luxus-Coupé
Hinter einem der klapprigen Blechtore parkt der Bentley Continental GT3-R: 4,81 mal 1,94 mal 1,40 Meter, fest stehender Karbon-Heckflügel, zwei breite Nüstern in der Motorhaube, grüne Zierstreifen auf der Flanke und Union Jack hinter den Vorderrädern. Das macht Eindruck. Weitere Zutaten gefällig? Bremsanlage mit gelochten Karbon-Keramik-Scheiben, vorn im Maßstab von Familien-Pizzen mit 420 mm Durchmesser, und spe-ziell für den Bentley abgestimmte 275er-Pirelli P Zero auf 21 Zoll gro-ßen Leichtbau-Felgen.
Wenn Sie jetzt einen reinrassigen Racer erwarten, sollten Sie nicht weiterlesen, denn der GT3-R hat nichts mit „GT3“ oder gar „R“ zu tun – und das will er auch gar nicht. Trotz Gewichtsverlusts dank leichter Abgasanlage, fehlender Fondsitze und reduziertem Dämm-Material ist der Lord unter den Edel-Coupés kein Hardcore-Hammer geworden, sondern noch immer ein Gran Turismo mit Verwöhn-Aroma und dicker Doppelverglasung – die Heckklappe öffnet auf Knopfdruck elektrisch. Wenn Sie trotzdem wissen wollen, wie brachial dieser Trumm vorwärts geht, wie leichtfüßig er einlenkt und wie das Konzert der Abgasanlage klingt, sollten Sie vielleicht doch nicht gleich wegklicken.
Bevor es auf die Strecke geht, noch schnell ein paar Daten: 2234 kg Gewicht, 98 cm Platz zwischen Sitzfläche und Dachhimmel, 156 cm sind es zwischen den beiden mit Sichtkarbon und gestepptem Leder verzierten Türen. Klack, ?die Magnetantenne haftet am Stahldach, das GPS-Gerät meldet neun Satelliten. Los geht’s.
Ganz oben auf dem Trainingsplan steht das Aufwärmprogramm der Bremsanlage. 36,9 Meter Asphalt braucht das Coupé aus Tempo 100 bis zum Stillstand, mit heißen Scheiben genügen 1,6 Meter weniger Weg.
Zweiter Tagesordnungspunkt: das Sprinten. Ohne Startautomaten-Firlefanz katapultiert der gefühlt verzögerungsfrei ansprechende Biturbo-V8 den 2,2-Tonner in 3,9 Sekunden auf Tempo 100. Bei Vollgas gibt es 15 Sekunden lang Overboost-Power – macht 20 Extra-PS bei 6000 Kurbelwellenumdrehungen und 50 Nm Drehmoment zusätzlich – ab 1700 Touren. Die Tachonadel wandert weiter, das Ende der rund 400 Meter kurzen Geraden rückt näher. 140, 160, 180 km/h. Vollbremsung. Die acht Kolben der vorderen Bremszangen pulsieren im ABS-Rhythmus, dann steht das bis zu 304 km/h schnelle Projektil.
Erste Bilanz: Die nur eine halbe Sekunde schnellere Sprintzeit im Vergleich zum rund 100.000 Euro günstigeren Continental GT V8 S enttäuscht doch ein wenig. Immerhin wiegt der im Stammwerk in Crewe weitestgehend handgefertigte GT3-R rund 100 Kilogramm weniger, entwickelt bis zu 78 Pferdestärken mehr und hat auch eine kürzere Hinterachs-Übersetzung, als die Basisversion.
Zurück zum Trainingsplan. Letzte Einheit: Rennstreckentest. „Burrn that Rrubber“, brüllt uns einer der Streckenposten hinterher. Sorry, heute leider nicht, denn inzwischen hat die für Wales übliche Naturbewässerung von oben ?eingesetzt. Mit bassigem Achtzylinder-Klang plustert sich der Direkteinspritzer mächtig auf. Hat der nicht auch eine automatische Zylinderabschaltung? Vergiss es! Fuß vom Gas, die beiden Lader lassen zischend Dampf ab, und beim Verzögern vor der ersten 180-Grad-Kurve verneigt sich der Bentley-Vorderbau tief. Okay, vorwärts geht der Trumm wie ein wildes Tier, auch die Bremsen beißen ordentlich zu. Viel erstaunlicher aber ist, wie sich die Masse durch die zum Teil engen Kurven von Anglesey dirigieren lässt – mit etwas zu leichtgängiger Lenkung, dafür aber ziemlich direkt sowie zielgenau trotz nasser Piste und mit konstant starker, gut dosierbarer Verzögerung.
Den querdynamischen Grenzbereich kündigt der Brite durch leichtes Untersteuern an. Übersteuern? Trotz des deaktivierbaren ESP kaum möglich. Trotzdem lenkt der Allrad-Brite bei leichten Lastwechseln mit dem Heck etwas mit und erlaubt uns, noch früher ans Gas zu gehen – und das ist immer wieder ein Genuss. Volldampf bis gut 6500 Touren, ein Zug an der feststehenden Wippe rechts hinterm Lenkrad, und die sanft schaltende ?ZF-Automatik wählt die nächst-höhere Stufe. Noch ein Zug, dann wieder in die Karbon-Keramik-Scheiben, begleitet von knallenden Zündaussetzer-Arien der Titan-Abgasanlage von Akrapovic.
Okay, ein echter Renner ist der ?GT3-R nicht, doch eine wunderbare Reminiszenz an vergangene Motorsporterfolge der Bentley Boys. Denn auch er verbindet opulenten Luxus mit Sportlichkeit – für all jene, die bereit sind, mehr auszugeben.
Tracktest-Video: Bentley Continental GT3-R auf dem Anglesey Circuit