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Geht auch ganz einfach:

Mercedes-AMG GT S: Eine Ausfahrt im sonnigen Kalifornien Gold-Stück

Den hält ab jetzt keiner mehr auf. Der 310 km/h schnelle Mercedes-AMG GT S hat die Straße erreicht. Endlich. Ungeniert spielt der Sunnyboy mit den Emotionen derer, die ihn sehen oder drinsitzen dürfen. Eine Ausfahrt mit acht Zylindern und 510 PS

Affalterbach. This car comes from Affalterbach. A-fal-ter-bach!“ „ Äfälterbäck?“ Die Chancen gehen gegen null, dass der neugierig lächelnde Westküstenamerikaner nach meiner Auskunft auch nur im mindesten weiß, wo sich das AMG Hauptquartier denn nun befindet. Also lege ich nach: „It’s located in the Southwest of Germany“.

Ich lasse ihn noch wissen, dass Äfälterbäck nicht weit weg sei von Stuttgart und erfahre im Gegenzug: „Ah, Porsche!“ Es ist zum Verzweifeln. Du fliegst um die halbe Welt, um nach seitenlangen theoretisch-technischen Betrachtungen zum Thema Mercedes-AMG GT endlich selbst Hand anzulegen. Und kaum dass du vors Hotel trittst, fährt dir wieder der Neunelferüber die Füße – verbal zumindest.

Porsche 911, Elfer, Ende. Das Teil wird in dieser Geschichte nicht mehr erwähnt. Höchstens so viel noch: Ja, die in etlichen Varianten dargebotene Heckmotorgranate aus Zuffenhausen ist bis zum Beweis des Gegenteils die Referenz unter den Sportwagen. Aber für den Nachweis brauchenwir einen Vergleichstest mit Standardbedingungen.

Und die gibt es hier nicht. Punkt. Hier, das ist San Francisco. Und da, dort parkt das in der Spezialfarbe „Solarbeam“ lackierte Goldstück, dem die Wähler aus vier Kontinenten gerade die Auto Trophy zugesprochen haben und das sich des Titels „Bester Sportwagen der Welt“ rühmen darf. Die knallgelbe Eminenz lockt Passanten an, als würde jemand mit Dollarbündeln um sich werfen.

Designmäßig betrachtet haben die Schwaben einen Volltreffer gelandet und 4546 Millimeter pure Sportwagenästhetik am Stück kreiert, die auch dadurch nicht schöner werden könnte, wenn die beiden Türen wie beim SLS nun nach oben öffneten. Die Flügeltürerei ist vorbei. Wen juckt es? Näher ran. Mann, ist der flach.

Gerade einmal 1288 Millimeter misst der GT vom Scheitel bis zur Sohle. Das Chassis und der größte Teil des Rohbaus bestehen aus Aluminium, der Heckdeckel aus Stahl und die Motorhaube aus Magnesium. Der 231 Kilogramm leichte Rohbau wird übrigens bei Thyssen-Krupp in Weinsberg gefertigt, bevor das ganze Auto im Mercedes-Stammwerk in Sindelfingen entsteht – auf der früheren Montagelinie des SLS.


Den GT verkörpert pure Materialität. Alles hat Wert


Reinsetzen. Flugs über den wuchtigen Schweller und hinein ins Vergnügen. Nein, man braucht keinen Elefantenschuhlöffel, um auf einen der insgesamt zwei bestens konturierten Integralsitze schlüpfen zu können – eine der ganz wesentlichen Herausforderungen im früheren SLS.

Und man findet auch elegant wieder hinaus. Den Aufenthalt dazwischen versüßt der GT mit purer Materialität. Egal, was du anfasst, ganz gleich, was du berührst – das hier hat Wert: Leder, das nach Leder aussieht und danach duftet. Schalter und Tasten, die mit fein defiierten Widerständen arbeiten. Ein gewaltiger, mit acht Knöpfen gespickter Mitteltunnel, der den vorhandenen Raum in zwei sportliche Sitznischen teilt.

Zweiter Knopf von links oben. Mal draufdrücken. Patsch! Wumm-Wumm-Wumm-Wumm-Wumm. Der 4,0-Liter-V8-Biturbo ist knallwach, blafft sein Umfeld an und verfällt alsbald in ein gleichmäßiges Wummern, das so satt und voll aus den Endrohren quillt, wie es eben nur bei großvolumigen Achtzylindern der Fall ist – Schiffsdiesel mal ausgenommen.

Dabei ist der flammneue Benzin-Direkteinspritzer erheblich kleintöpfier als sein direkter Vorgänger, jener fabelhafte 6,2-Liter-V8-Sauger, der zuletzt noch im C 63 AMG Coupé seinen kraftvollen Dienst tat. Auch die Sportprofis aus dem Team von Markenchef Tobias Moers kommen ums Downsizing nicht herum. Der im augenblicklichen Topmodell GT S 510 PS starke V8 ist eine Eigenentwicklung von AMG, die – anders abgeschmeckt – künftig auch in weiteren Mercedes-Modellen und bei Aston Martin zu fiden sein wird.

Raus aus der City, runter ans Wasser. Der Achtzylinder beginnt zu drehen. Noch ein Knopf –unten rechts. Diesmal mit Auspuff-Symbol. Klack, die Abgasklappen stehen offen, der Vierliter atmet ungehindert aus. Der nochmals sattere Sound entstammt nicht etwa einer listig in der Reserveradmulde verborgenen Lautsprecherbox, sondern er entsteht vorn im Maschinenraum.

Die sogenannte Performance-Abgasanlage mit vollvariabel gesteuerten Klappen ist Teil der Serienausstattung im Mercedes-AMG GT S. Im 462 PS starken Basismodell kostet sie extra. Im GT S erlebst du den Kurvenwechsel, als hättest du im Leben nichts anders gemacht. Die sogenannte Sport-Parameterlenkung arbeitet klassisch mit hydraulischer, perfekt dosierter Unterstützung.

Messerscharf lenkt der 1570 Kilo leichte, nach dem Transaxle-Prinzip gebaute Schwabenpfeil ein, dessen Motor vorn, das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe aber hinten sitzt. Interessantes Extra: Die Techniker haben den drehfreudigen V8 in dynamischen Motorlagern aufgehängt, die ihre Steifikeit blitzartig den Fahrbedingungen anpassen und sowohl den Komfort als auch die Handlingeigenschaften verbessern.

 

Schwieriger Job: Wie zieht man Laguna Seca den Korken?

Den fahrdynamischen Ernstfall proben wir mit dem Supersportler auf dem Race Track von Laguna Seca. Die 3601 Meter lange Rennstrecke unweit der Pazifiküste duldet keine halben Sachen. Laguna Seca ist schnell, und nicht nur Leute, die ihre Freizeit mit dem Bedienen von Spielekonsolen verbringen, kennen die berühmte Korkenzieher-Kurve (Corkscrew).

Du kannst sie nicht sehen, denn sie liegt hundsgemein hinter einer Anhöhe. Du weißt nur, dass sie da ist und nach einer verdammt schnellen Geraden auf dich wartet. Im Anlauf geht es leicht rechts, dann scharf links blind über die Kuppe, sofort wieder rechts und weiter unten in einer langen Linkskurve wieder raus. Das klingt zu abstrakt? Das hier nicht: Du bretterst einen Hügel hinauf und wirfst auf dessen Gipfel dein Auto nach rechts unten in ein Loch, das du erst erkennst, wenn du schon reingeflgen bist.

Merke: Wenn du Angst hast oder das falsche Auto, dann ist das an dieser Stelle denkbar schlecht. Für den AMG kein Thema. Dank des serienmäßigen Hinterachs-Sperrdifferenzials baut der GT S unbändigen Grip auf und setzt das zwischen 1750 und 4750 Touren bereitstehende Maximal-Drehmoment von 650 Newtonmetern in gnadenlosen Vortrieb um.

Der Biturbo hängt so hundertprozentig am Gas wie der 6,2-Liter-Saug-Gigant zuvor. Und weil sich beim GT S die Dämpfercharakteristik ganz nach Wunsch ein- und das ESP abstellen lässt, stoßen deine Mundwinkel fast an die Ohrläppchen, wenn du nach drei Aufwärmrunden durch die Corkscrew zischst. Leute, schmeißt eure Spielekonsolen weg, das echte Leben ist viel schöner! Allerdings auch etwas teurer. Mindestens 134.351 Euro wollen sie schon haben, die Jungs in Äfälterbäck.

Stefan Miete

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