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Alle Tests zum Lamborghini Huracán

Lamborghini Huracán: Supersportler mit 610 PS-V10 im Test Ein großes Licht

Sportwagen der Marke Lamborghini wurden schnell zum Mythos, aber nicht immer waren sie überzeugend. Der Huracán ist definitiv der beste Lamborghini aller Zeiten. Test

Die Dunkelheit der Nacht hat sich wie ein Teppich über Köln gelegt und der Westwind mächtige Wolkenkissen am Firmament drapiert. Über die Zoobrücke – wie passend – trottet der Lamborghini Huracán, der nach einem Kampfstier benannt ist. Tief unten wälzt der Rhein seine düsteren Fluten lautlos gen Norden, während sich die leichten Wellen im Licht der Großstadt kräuseln. Der V10-Zylinder im Heck des Huracán grummelt leise vor sich hin, als wolle er die trügerische Stille nicht stören. Dabei ist der leise Auftritt nicht sein Metier. Unser Tempo ringt dem Stier nicht einmal ein müdes Lächeln ab. Die meisten PS im Heck machen bei Tempo 50 gerade Pause.

 

Lamborghini Huracán: Gallardo-Nachfolger im Test

Die Gangart tagsüber gefiel ihm wesentlich besser. Da haben wir die 610 PS von der Leine gelassen. Spielerisch tänzelte der Lamborghini Huracán über das Geläuf des Nürburgrings. Kurz zuvor haben wir ihm auf der Autobahn die Sporen gegeben. Bei jedem Gasstoß schießt das Adrenalin durch den Körper, wenn der Huracán wie vom Gummiband gezogen nach vorn drückt.

Das Gehirn schaltet in den Race-Modus, im Zeitraffer wechselt der Fahrer die sieben Gänge mit den großen Paddles an der Lenksäule, begleitet von einem kurzen, metallischen Klacken – so als würde eine Kugel in den Lauf geschoben. Wie ein Geschoss durchschneidet der Lamborghini die Fahrwiderstände. 2,8 Sekunden auf 100 km/h, der Sprint auf Tempo 200 ist in neun Sekunden erledigt – mit stoischem Geradeauslauf und spielerischer Leichtigkeit bis zum adrenalintreibenden Tempo von 325 km/h. Doch sein eigentliches Talent zeigte der Huracán einige Stunden zuvor.

12 Uhr Mittag, Tatort Nürburgring, Grand-Prix-Kurs. Frei nach Ernest Hemingway schreibt der Huracán das Kapitel „Wem die Runde schlägt“. Lamborghini bedeutet schon immer Party, Power, beim Huracán vor allem aber Performance. Das Gewicht dank Mittelmotor perfekt ausbalanciert, die Lenkung präzise wie ein Skalpell, durchpfeilt der Lamborghini die Kurvenkombination in atemberaubendem Tempo.

Nichts scheint ihn aus der Ruhe zu bringen, die Harmonie aus 305er-Walzen hinten, gigantischem Grip und Allradantrieb ermöglichen einen tierischen Grenzbereich. Kaum ein Auto bleibt so lange neutral wie die italienische Flunder. So martialisch er aussieht, so brav gibt er sich bei der Kurvenhatz. Wer es zu schnell angehen lässt, den belehrt der Huracán mit einem leichten Untersteuern, es das nächste Mal etwas passender anzugehen. Ansonsten lässt er sich gut mit den Gasstößen an der Hinterachse dirigieren.

Berauschend, mit welch brachialer Gewalt der Lamborghini auf Gaspedalbefehle reagiert und die elektronische Drehzahlmessernadel nach oben sticht. Kurz vor 8000 Umdrehungen heißt es dann umschalten – ohne zu zögern schießt der Lamborghini auf die nächste Kurve zu. Und im Gegensatz zum Vorgänger Gallardo lässt sich die Bremse auf den Punkt exakt definieren. Ge -rade einmal knapp 31 Meter reichen von 100 km/h bis zum Stillstand, wenn der Lamborghini mit warmer Bremse seinen Bremsfallschirm ausfährt.

Mit einer Zeit von 1:34,9 min ist der Huracán fast eine Sekunde pro Runde schneller als ein Porsche 911 Turbo S. Man sieht, dieser Stier hat es faustdick hinter den Hörnern. Eine klare Kampfansage nach Zuffenhausen also. Und eine schnellere Audienz mit einem Supersportwagen hatte die Redaktion auf dem Nürburgring Grand-Prix-Kurs noch nie.

Diese tänzerische Leichtigkeit resultiert aus einem Kampfgewicht von gerade einmal 1545 Kilo, basierend auf einem Alu-Spaceframe-Rahmen und Hauben vorn und hinten aus Karbon. Und dann kommt dazu noch diese atemberaubende Traktion ins Spiel. Der Lamborghini scheint serienmäßig mit Klebstoff ausgestattet zu sein. Selten haben wir ein Auto erlebt, das derartige Bodenhaftung und Grip aufbaut. Einfach genial.

Der Huracán hält beim Hochseilakt zwischen Fahrmaschine und Alltagstauglichkeit die richtige Balance – wenn man weiß, dass ein Lamborghini-Alltag eben nicht alltäglich ist: Hebel für Blinker und Fernlicht sucht man vergebens. Alles ist Knopfsache im Lenkrad. Hier befindet sich auch der kleine, rote „Zauberschalter“, der die Fahrmodi vorgibt (Strada, Sport, Corsa) und mit den großen, feststehenden Schaltwippen das liebste Spielzeug des Piloten ist.

Davor dominiert mitten im Blickfeld des Fahrers ein großes, programmierbares Display, das in Sachen Information keine Fragen offen lässt. Dass mittlerweile zwischen den Audi-Jungs aus Ingolstadt und den Ingenieuren in Sant’Agata, der Heimat von Lamborghini, ein guter Doppelpass gespielt wird, zeigt die Verarbeitungsqualität, die auf Champions-League-Niveau der Sportwagenelite liegt.

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Überraschend: Der Huracán kann im Gegensatz zu seinem Vorgänger auch cruisen. In Gang sieben schlenzen wir durch den Tunnel entlang des Rheins, wo die Straße der Metropole auf vierspurig umgeschaltet hat. Wir stellen fest: Die engen Sportsitze passen auch in der Stadt, und das Raumangebot ist selbst für Großgewachsene akzeptabel. Nur die Sitzhöhe könnte etwas bescheidener ausfallen. Man braucht nicht einen Fahrersitz hoch wie ein Thron, um sich im Huracán wie ein König zu fühlen.

Auf einem Parkplatz möchten wir wenden. Während ich mich über den beinahe kleinwagenmäßigen Wendekreis wundere, taucht wie aus dem Nichts auf einmal eine Gruppe jugendlicher Nachtschwärmer auf. „Oh, wie geil ist das denn? Kann ich ein Foto machen?“ Ein dutzend Handys klicken. „Wie kommen Sie zu so einem Auto, sind Sie ein ehemaliger Fußballstar?“ Bevor ich mit Lothar Matthäus verwechselt werde und die Jungs vollends das Auto entern wollen, fahren wir weiter. Aber es zeigt, die Faszination Auto ist ungebrochen.

Es ist spät geworden in der  Rheinmetropole. In den Kneipen fließt das letzte Kölsch, das Gemurmel der Gäste dringt nur noch gedämpft nach außen. Wir schleichen mit der italienischen Flunder leise hinaus in die Nacht. Der nicht alltägliche Tag mit dem Huracán geht einem durch den Kopf, und die Sinne suggerieren eindeutig, dass wir gerade den besten Lamborghini aller Zeiten bewegen.

Soeben passieren wir die Stadtgrenze – und da ist es wieder, dieses Suchtpotenzial, dem sich auch der Fahrer kaum entziehen kann. Wie schön, wir können wieder Gas geben. Blitzschnell packt der 5,2-Liter zu, als hätte er nur darauf gewartet. Das krafttraininggestählte Drehmoment von 560 Nm wirft das Auto brachial nach vorn. Der Huracán röhrt einen letzten Gruß aus den armdicken Auspuffendrohren, als wolle er sagen: „Ich kann auch Stadt, aber mein Terrain ist doch die freie Wildbahn.“

TECHNIK
 

LAMBORGHINI HURACÁN
Motor V10-Zylinder, 4-Ventiler, Direkteinspritzung
Hubraum 5204 cm3
Leistung 449 kW / 610 PS bei 8250 /min
Max. Drehmoment 560 Nm bei 6500 /min
Getriebe 7-Gang, Doppelkupplung
Antrieb Allrad, permanent
Fahrwerk rundum: Doppelquerlenker, Federn, Dämpfer, Stabilisator; ESC (ESP)
Bremsen rundum: innenbelüftete Karbon-Keramik-Scheiben; ABS
Bereifung v.: 245/30 ZR 20 Y; h.: 305/30 ZR 20 Y;
Pirelli P Zero Trofeo R
Felge v.: 8,5 x 20; h.: 11 x 20
L/B/H 4459/1924/1165 mm
Radstand 2620 mm
Leergewicht/Zuladung 1545 / 455 kg
Kofferraumvolumen v./h.: 100/50 l (hinter den Sitzen)
Abgasnorm Euro 6
Typklassen individuell
Messwerte 0-100 km/h in 2,8 s
Höchstgeschwindigkeit1 über 325 km/h
Bremsweg 100-0 km/h kalt/warm 32,6/30,9 m
Verbrauch 14,1 l SP/100 km
EU-Verbrauch1 12,5 l SP/100 km
CO2-Ausstoß1 290 g/km
Grundpreis 201.705 Euro
¹ Werksangaben
Unser Fazit

Dass ein Lamborghini fasziniert, ist nichts Neues. Dass er in allen Kriterien aber überzeugt, schon. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger stellt der Huracán einen Quantensprung dar. Seine Fahrleistungen, die herausragenden Bremsen, die überragende Traktion, vor allem aber seine Performance auf der Rennstrecke katapultieren ihn ins Feld der weltbesten Sportwagen. Ferrari und Porsche müssen sich erstmals richtig warm anziehen. Dabei hat sich der Huracán eine Lamborghini-typische Charaktereigenschaft bewahrt: Er ist extremer als andere – und das ist gut so.

Volker Koerdt

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