Mit dem Sierra wagte Ford in den 80er-Jahren einen mutigen Schritt. Der Ford Sierra XR4i wurde das Topmodell der Baureihe. Wer sich den Oldtimer nun kaufen möchte, sollte sich zuvor den Ratgeber der Classic Cars zu Gemüte führen.
Wer auf der Suche nach einem geeigneten Kaufkandidaten sich das eine oder andere Exemplar anschaut, stellt fest: Selbst aus heutiger Sicht wirkt der Auftritt des Ford Sierra XR4i erstaunlich frisch. Dabei ist er längst in jene Altersgruppe von Fahrzeugen eingetreten, die ein H-Kennzeichen beanspruchen dürfen. Das Recht, ein erhaltenswertes Stück Automobilhistorie zu repräsentieren, verdiente er sich weit über sein schieres Alter hinaus durch sein richtungweisendes Design und durch Fahrleistungen, die ihn bis heute zu einem dynamischen Mitglied der Ford-Familie machen. Bei seinem Erscheinen auf dem Genfer Automobilsalon 1983 begegneten ihm die Sportwagenfans indes nicht mit jener Selbstverständlichkeit, die ihm heute zuteilwird. Von Begeisterung ganz zu schweigen. Er trat die Nachfolge des Capri 2.8i an – und tat sich schwer, dessen ungebrochene Präsenz vergessen zu machen.
Der Capri hatte auf den europäischen Rennstrecken ungezählte Erfolge eingefahren, und selbst das zeitgenössische Straßenmodell wies bei gleicher Motorisierung mit 160 PS (118 kW) deren zehn mehr aus als der 150 PS (110 kW) starke neue Hoffnungsträger. Die Differenz wurde der Abgasanlage zugeschrieben. Zudem verweigerte die Formensprache des Sierra jene gewohnten Sportwagenproportionen, wie sie der bewährte Capri zeigte – trotz seiner zwei Türen und des spektakulären Doppelflügels auf der großen Heckklappe. Der Ford Sierra XR4i wirkte limousinenhaft, zumal pro Heckseite gleich zwei Fenster vorhanden waren. Dabei zeichneten der XR4i tatsächlich viele Merkmale eines Sportlers aus: Dank seiner windschlüpfigen Sonderkarosserie, unterstützt durch aerodynamische Schürzen und Anbauteile aus Polycarbonat, sowie dem charakteristischen Flügelwerk aus glasfaserverstärktem Nylon brachte er es auf einen cW-Wert von 0,32 gegenüber den 0,34 der Serie. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Leslie & Cars zeigt den Ford Mustang Mach-e (2021) im Video:
Ratgeber: Ford Sierra XR4i kaufen
Das Fahrwerk des Ford Sierra XR4i mit McPherson-Federbeinen vorn und Einzelradaufhängung mittels Schräglenkern hinten in Verbund mit Schraubenfedern, Gasdruckdämpfern und Stabilisatoren an beiden Achsen ließen den Capri alt aussehen. Allenfalls die Bremsanlage mit ihren Trommeln hinten wirkte angesichts der Positionierung des Fahrzeugs unangemessen. Wenigstens sind die Scheiben vorn innenbelüftet, und das System ist servounterstützt. Ähnliches wie für die Bremsen gilt für die etwas dürre Bereifung: 195/60 VR 14 nahmen sich auch damals wie Asphaltschneider aus. Angesichts so schmaler Gummis stand Servounterstützung für die Lenkung in der Liste für Sonderausstattungen.
Der XR4i bot jede Menge serienmäßige Goodies: Dazu gehörten sportiv aufgepolsterte Sitze samt Höhenverstellung für den Fahrersitz, ein elektrischer Fernöffner für die Heckklappe, elektrisch aus- und einfahrende Antenne, elektrisch einstell- und beheizbare Außenspiegel, Warnanzeigen im Kombiinstrument (Check-control) und mehr. Ab September 1984 zählten Zentralverriegelung, elektrische Fensterheber und ein getöntes, aufstellbares Glasschiebedach zum Serienumfang. Von da an bekamen die Zierstreifen außen ein dunkleres Rot. Von Instrumententafel, Lenkrad und Schaltknauf wiederum verschwanden sie. Die Produktion des Ford Sierra XR4i startete im belgischen Werk Genk im März 1983. Von Mai an wurde das Modell ausgeliefert und nach zweieinhalb Jahren und gerade 29.400 Einheiten eingestellt. Auch deshalb ist er für heutige Maßstäbe ein Exot – entsprechend wichtig ist es, beim Kauf auf einige noralgische Punkte zu achten.
V6-Triebwerk gilt als robust
Wer mit dem Kauf eines raren Ford Sierra XR4i liebäugelt, darf sich gern vom gutturalen Grummeln des fetten V6-Triebwerks begeistern lassen, sollte aber auf verdächtige Klappergeräusche aus dem Zylinderkopf achten. Das kann von schlecht eingestellten Ventilen herrühren, aber auch von einem Defekt im Bereich Ventiltrieb. Besonders die Stößel des ersten Zylinders neigen zu Auflösungserscheinungen der gehärteten Laufflächen. Diese wiederum zerstören die Nockenlaufbahnen, was zusammen Anlass zu einer größeren Motorrevision gibt. Hinweise auf das einschlägige Malheur liefert ein vergrößertes Spiel zwischen den entsprechenden Kipphebeln und Ventilschäften, das sich auch nach einem Einstellen alsbald wieder einstellt.
Ansonsten gelten die 2,8-Liter-Graugussmotoren als äußerst robust. Probleme mit der Bosch K-Jetronic sind selten und im Zweifel durch Reinigen, besonders im Bereich der Stauklappe, vergleichsweise einfach zu beheben. Nach langer Laufzeit lohnt sich auch der Wechsel des gern mit Kondenswasser befrachteten Getriebeöls, wozu allerdings von einem Spezialisten eine Ablassschraube anzubringen wäre. Defekte an der speziellen Abgasanlage des Ford Sierra XR4i lassen sich nur mit Zubehörteilen kurieren. Über einen Katalysator verfügte der Sierra nicht.
Rost nur punktuell ein Thema
Bei der Karosserie gibt es in der Regel keine großen Kaufrisiken – obwohl die frühen Sierra in dieser Beziehung keinen allzu guten Ruf genossen. Rost ist beim Ford Sierra XR4i nur punktuell ein Thema, so beispielsweise an der Rückwand unterhalb der Heckklappe. Aufmerksamkeit verdienen auch die Karosserielängsträger in der Nähe der Hinterachse. Im Innenraum bilden sich oft Risse in der Verkleidung der Instrumententafel unterhalb der Windschutzscheibe, die durch Sonneneinstrahlung entstehen. Abhilfe schaffen Kosmetik mit Farbe und Füllmaterial oder der Rückgriff auf ein Teil aus einem normalen Sierra. Ein Neuteil ist nur für viel Geld erhältlich, ebenso wie die Hutablage unter dem Heckdeckel. Sie neigt in manchen Fahrzeugen dazu, ermattet durchzuhängen. In jedem Fall lohnt es sich für Ford Sierra XR4i-Fans, mit den genannten Clubs Kontakt aufzunehmen.
Von Klaus Rosshuber
Auch interessant:
Technische Daten des Ford Sierra XR4i
Ford Sierra XR4i: Daten und Fakten |
Antrieb V6-Zylinder, vorn längs eingebaut; 2-Ventiler, eine zentrale Nockenwelle; Stirnradantrieb; Gemischbildung: Bosch K-Jetronic; Bohrung x Hub: 93 x 68,5 mm; Hubraum: 2792 cm3 ; Verdichtung 9,2:1; Leistung: 150 PS bei 5700/min; max. Drehmoment: 216 Nm bei 4000/min; Fünfgang-Getriebe; Mittelschaltung; Hinterradantrieb |
Aufbau und Fahrwerk Selbsttragende Stahlkarosserie mit zwei Türen und Heckklappe; Radaufhängung vorn: Dreiecksquerlenker, McPherson-Federbeine; hinten: Schräglenkerachse, Schraubenfedern; v./h. Teleskopstoßdämpfer, Stabilisator; Kugelumlauflenkung; Bremsen: v./h. Scheiben/Trommeln; Reifen: v./h. 195/60 R 14; Räder: v./h. 5,5 x 14 |
Eckdaten L/B/H: 4459 x 1728 x 1392 mm; Radstand: 2769 mm; Spurw. v./h. 1452/1468 mm; Leer-/Gesamtgew.: 1175/1650 kg; Tankinhalt: 60 l; Bauzeit: 1983 bis 1985; Stückzahl: 29.400; Preis (1983): 28.350 Mark |
Fahrleistungen1 Beschleunigung: 0 auf 100 km/h in 8,8 s; Höchstgeschwindigkeit: 209 km/h; Verbrauch: 13,4 l/100km |
1Auto Zeitung Ausgabe 10/1983
Der XR4i ist ein seltener Vogel. Nur 29.400 Exemplare verließen das Ford-Werk im belgischen Genk. Davon sind hierzulande nur wenige erhalten geblieben. Schuld daran ist sicher auch die hohe Kfz-Steuer aufgrund fehlender Abgasreinigung. Mit H-Kennzeichen ist dies aber kein Thema mehr. Dank seines bärigen V6 und Hinterradantrieb kann er erheblichen Fahrspaß verbreiten, vorausgesetzt, die Blechstruktur ist steif und das Fahrwerk in Ordnung. Straffe PU-Buchsen an der Radaufhängung und neue Dämpfer wirken Wunder. Neueinsteigende finden in den Clubs kompetente Gesprächspartner.