Ford GT40 Mk.III: Le Mans-Siegerauto mit Straßenzulassung Rasender Meter
Dieser Ford GT40 ist einer von nur sieben Mk.III mit Straßenzulassung und kaum einen Meter hoch, aber 270 km/h schnell. Sir Max Aitken flitzte mit ihm durch London, doch seine Erben sperrten den Renner für 30 Jahre ins Museum. 2011 wurde er endlich entlassen
Stellen Sie sich vor, Sie könnten heute bei Audi einen R18 e-tron quattro bestellen, den Siegertyp vom 24-Stunden-Rennen in Le Mans. Aber nicht, um damit Rennen zu fahren, sondern rein zum Privatvergnügen – just for fun, bloß um am Sonntagmorgen über die leere Autobahn zu fegen und nachher im Golfclub den Kollegen ihr automobiles Handicap aufzuzeigen. Unmöglich, sagen Sie? Für Le Mans-Sieger gebe es keine Straßenzulassung? Auf die Gegenwart bezogen mag das stimmen, doch früher war es anders.
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Da konnte ein vermögender Rennsportfan noch so tun, als sei er Pedro Rodriguez, Jacky Ickx oder einer der anderen Helden am Lenkrad. Nehmen wir zum Beispiel Sir Max Aitken, zweiter Baron Beaverbrook, Politiker, Zeitungsmagnat und Initiator des britischen Offshore-Powerboot Rennens „Cowes Torquay“ auf dem Ärmelkanal.
Sir Max orderte 1968 bei der Firma John Wyer Automotive das hier abgebildete Fahrzeug, einen von sieben Ford GT40 Mk.III mit Straßenzulassung. Der Ford GT galt als schnellster Rennsportwagen der Welt, von 1966 bis 1968 gewann er dreimal in Folge das 24-Stunden-Rennen von Le Mans.
1968 fuhr das Team von John Wyer den Sieg ein. Wyer war damals 59, genau wie Sir Aitken, ein alter Hase in seinem Metier. Wie Le Mans-Siege schmecken, wusste er seit 1959, als er noch Teammanager von Aston Martin war. 1963 wechselte er zu Ford und begleitete im Advanced Engineering Team die Entwicklung des GT40, der als Fehdehandschuh für Ferrari gedacht war und diese Aufgabe mit den Erfolgen in Le Mans bravourös erfüllte.
ROADRUNNER AUS VERSATZSTÜCKEN
Bei Ford hatte man von Beginn an eine straßentaugliche Variante des GT40 Mk.I in Betracht gezogen und auch 31 Stück gebaut. Es wurden jedoch nicht alle der übrigen Chassis zu Rennwagen komplettiert. Als ab 1968 eine Änderung im Rennreglement den weiteren Einsatz der siegreichen Mk.II-Prototypen mit sieben Liter Hubraum verbot, übernahm John Wyer das GT-Projekt und baute aus den Mk.I-Restbeständen reglement-konforme Rennwagen mit Fünfliter-Motor sowie sieben Exemplare mit Straßenzulassung für Privatkunden auf.
Diese unterschieden sich in einigen Details von den Rennwagen: Front und Heckpartie der Karosserie wurden verlängert, Mini-Stoßstangen und vier Rundscheinwerfer anstelle der eckigen Leuchten des Wettbewerbsautos waren Konzessionen an die Zulassungsvorschriften.
Außerdem verfügten die Mk.III getauften Road Cars über Ausstellfenster, einen Zentimeter mehr Bodenfreiheit sowie einen veränderten Abgastrakt mit Schalldämpfern, und die Schalensitze wurden mit Leder bezogen. Soweit die Fakten. Es sollen drei Linkslenker und vier Rechtslenker entstanden sein, doch darin sind sich die Chronisten uneins, und auch der Motor gibt Rätsel auf.
RESTAURIERUNG NACH 6000 MEILEN
Offiziell wurde der GT40 Mk.III mit einem 4,7-Liter-V8 bestückt. Doch wie sich im Rahmen der Zerlegung herausstellte, verfügt der hier gezeigte Wagen mit Chassisnr. 1103 über einen 4,9-Liter-Motor aus der Ford-Versuchsabteilung, der in dieser Form offenbar in keinem anderen Serienmodell eingesetzt wurde.
Es besteht allenfalls Ähnlichkeit zu einem Aggregat, das für den 69er Shelby GT350 zwar entwickelt wurde, aber nicht zum Serieneinsatz gelangte. Viel Arbeit bekam der Motor bis heute nicht. Aus Sir Aitkens Garage fuhr der GT mit 6000 Meilen auf dem Zähler ins National Motor Museum in Beaulieu, wo er fast 30 Jahre lang zum Stillstand verdammt war.
Der neue Besitzer ließ ab 2010 die komplette Mechanik überholen, die Drahtspeichenräder wieder aufziehen und die Karosserie anstelle der zwischenzeitlich aufgetragenen Rennsportfarben Weiß und Blau wieder im Originalfarbton Amaranth lackieren. Die Patina auf den Tankdeckeln und im praktisch nur grundgereinigten Innenraum verrät, dass viel historische Substanz erhalten wurde. Weil er sein Leben im Museum verbrachte und nicht auf der Piste, gehört dieser Ford GT40 Mk.III zu den am besten im Originalzustand erhaltenen Exemplaren weltweit.
2012 präsentierte er sich in perfektem Zustand beim Concorso d’Eleganza Villa d’Este am Comer See. „Ihn zu fahren, ist die Hölle“, meinte sein Besitzer, doch sein Schmunzeln verriet, dass es als Kompliment gedacht war. Der GT40 gewann 1969 noch ein viertes Mal in Le Mans, doch danach regierte der Porsche 917. Die Zeit der Siegertypen mit Straßenzulassung ging zu Ende. Eine späte Ausnahme gab es noch: 1995 siegte der McLaren F1 GTR.
Karsten Rehmann
TECHNIK | |
FORD GT40 Mk.III | |
Motor | V8-Zylinder, mitte längs, 2-Ventiler, zentrale Nockenwelle, ein Vierfachvergaser |
Hubraum | 4949 cm3 |
Leistung | 235 kW / 315 SAE-PS bei 6000/min |
max. Drehmoment | 451 Nm bei 3800/min |
Getriebe | ZF-Fünfgang-Getriebe |
Antrieb | Hinterradantrieb |
Aufbau+Fahrwerk | Stahlmonocoque; vorn: Doppelquerlenker, Federn, Dämpfer, Stabi.; hinten: Mehrfachlenkerachse, Federn, Dämpfer, Stabi. |
Bremsen | rundum Scheiben |
Reifen | Dunlop Racing, vorn 5.50-15, hinten 7.00-15; Borrani-Drahtspeichenräder mit Alu-Kranz |
L/B/H | 4265/1780/1030 mm |
Radstand | 2415 mm |
Trockengewicht | 997 kg |
Tankinhalt | 2 x 52 l |
Beschleunigung | 0 auf 100 km/h in 5,0 s |
Höchstgeschwindigkeit | 270 km/h |
Baujahr | 1968 |
Stückahl | 7 |
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