Bus-Duell der 60er: Borgward trifft auf Mercedes und VW T2a
Hauptsache Fensterplatz in Borgward, Mercedes und VW Bus T2a
- Fensterbusse der 60er: Kleiner VW T2a trifft auf die großen Mercedes O 319 D und Borgward BO 611
- Im VW Bus T2a hat man grundsätzlich Grund zum Lächeln
- Mercedes O 319 D mit Rudolf-Diesel-Gedenkminute
- Fahren im Borgward BO 611 ist ein Kraftakt
- Technische Daten von Borgward BO 611, Mercedes O 319 D und VW Bus T2a
- Fazit
Wir unternehmen mit Borgward BO 611, Mercedes O 319 D und VW Bus T2a eine Reise in die große Zeit der Frontlenker-Fensterbusse, die gerne auch mal zum Wohnmobil ausgebaut wurden und vielen die große Urlaubswelt eröffneten.
Anfangs ist es nur ein unbestimmtes Gefühl. Doch nach einer Weile manifestiert sich ein Gedanke, eine Schwingung. Schließlich schießt ein Name ins Bewusstsein. Ein unwillkürlicher Schulterblick: "Hab’ ich ihn da nicht gerade vorbeihuschen sehen?" Nein. Alles gut. Gotthilf Fischer ist nicht da. Und es singt auch niemand. Obwohl es irgendwie passen würde. Die drei Fensterbusse Borgward BO 611, Mercedes O 319 D und VW Bus T2a parken in der kühlen Wintersonne und strahlen in Blau und Orange um die Wette. Fehlt eigentlich nur der gemischte Kinderchor, und schon könnte die fröhliche Ausfahrt ins Landschulheim beginnen.
Beim Einsteigen kommen noch mehr Bilder hoch. Erinnerungen an längst vergangene Tage. Den abgenutzten Griffleisten an den Rückenlehnen der Sitze im Mercedes-Benz O 319 D sieht man an, dass hier Generationen von I-Dötzchen mit schwitzigen Händen Platz genommen haben. Und plötzlich ist da wieder das Gefühl des Ranzens, der schwer auf den Schultern lastet. Die Hetze beim Erobern des Schulbusses, und die Rufe: "Ganz nach hinten, wir nehmen den Vierer!" War es nicht so? Wenn dann die Person am Steuer die schwere Tür zuzog, konnte es losgehen. Alles, was sie tat, tat sie mit ausladenden Armbewegungen. Das Einlegen der Gänge. Das Drehen des Lenkrades. Und beim Anhalten das Ziehen der Handbremse.
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Fensterbusse der 60er: Kleiner VW T2a trifft auf die großen Mercedes O 319 D und Borgward BO 611
Während in Kleinbussen vom Schlage des Mercedes-Benz O 319 oder des Borgward BO 611 je nach Bestuhlung bis zu 17 Fahrgäste Platz fanden, reiste man in einem VW Bus nur zu acht. 1967 war das, als Volkswagen die zweite Generation des Typs 2 in die Welt hinausschickte. Die Produktion des Mercedes im Düsseldorfer Werk der Auto Union (die damals zur Daimler-Benz AG gehörte) stand da kurz vor dem Ende, der Borgward-Frontlenker wurde schon seit 1961 nicht mehr gebaut.
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Aber auf der Straße begegneten sich die drei Lastesel natürlich dennoch. Der neue VW T2 trug die Blinker anfangs noch unter den Scheinwerfern, und, was wichtiger war, er hatte endlich einen verstellbaren Fahrersitz und auch mehr Leistung. 34 PS (25 kW) im T1 und ziemlich unkomfortable Enge hinter dem Lenkrad standen ab 1967 ein deutlicher Komfortgewinn und immerhin 47 PS (35 kW) gegenüber.
Im VW Bus T2a hat man grundsätzlich Grund zum Lächeln
Für unsere Reise in die 60er-Jahre haben wir einen der letzten T2a gewählt. Er lief zwar erst 1971 vom Band, hat im Wesentlichen aber noch die Technik des Neulings von 1967. Allerdings bremsen ihn an der Hinterachse schon Scheiben statt Trommeln (Diese Bremssysteme gibt es). Gebaut wurde er auch nicht in Hannover, wie die meisten Busse, sondern in Emden, wie der Buchstabe E im Typenschild verrät. In dem Werk in Ostfriesland entstanden die Exportversionen des T2, weil die Nachfrage aus den USA in Hannover nicht mehr gedeckt werden konnte. Sein Besitzer hat den Oldie frisch nach der Restaurierung in Empfang genommen. Bis zur Fensterlinie leuchtet der Bulli in frischem Niagarablau, darüber hebt sich, von einer schmucken Zierleiste abgesetzt, das perlweiße Dach ab.
"Ich habe über Monate mitverfolgen dürfen, wie die Restaurierung voranging", sagt der stolze Bus-Fahrer und lächelt das zufriedene Lächeln eines Mannes, der sich ein (fast) gleichaltriges Auto zum Geburtstag geschenkt hat. Grund zum Lächeln hat man grundsätzlich, wenn man einen T2 lenkt. Alles geht wunderbar leichtgängig, die Aussicht durch die im Gegensatz zum Vorgänger nun nicht mehr geteilte Panoramascheibe ist ausgezeichnet. Platz ist im Führerhaus ausreichend vorhanden, angenehm leise werkelt der Benzinmotor weit hinten im Heck.
Mercedes O 319 D mit Rudolf-Diesel-Gedenkminute
So simpel das klingt, so bemerkenswert ist das im Vergleich zu den beiden älteren Frontlenker-Bussen von Mercedes und Borgward: Hier machen sich zwischen den Vordersitzen noch raue Selbstzünder (Die Geschichte des Dieselmotors) breit, die, nur mittelprächtig durch Abdeckhauben gedämpft, obendrein auch noch mächtig Radau veranstalten. Im Mercedes, Baujahr 1964, ist für den Vortrieb der in millionenfacher Stückzahl gebaute Zweiliter Öl-Motor 621 mit 50 PS (37 kW) zuständig, Fans als Vorkammer-Diesel von unverwüstlicher Langlebigkeit bekannt. Lange fand die Maschine Verwendung, in unzähligen Kleintransportern, im Unimog, aber auch in den Pkw der Baureihe W110.
Frühe O 319 hatten bis 1961 noch den OM636 mit 43 PS (32 kW) hinter der platten Schnauze. Den Borgward treibt ein 42-PS-Diesel (31 kW) mit 1,8 l Hubraum an. Neben dem VW Bus sehen die beiden Vielsitzer wie Ungetüme aus. Umso verblüffender gestaltet sich die Probefahrt im Mercedes: Auch er lässt sich mit großer Leichtigkeit bedienen, wenn man erstmal weiß, wie. Ohne ausgedehnte Rudolf-Diesel-Gedenkminute kommt der Wahl-Düsseldorfer mit Stern bei den frostigen Außentemperaturen gar nicht erst in Gang. Läuft er dann aber, entwickelt er in seiner Langsamkeit eine sympathische Reiselust, die ansteckend wirkt. Bei 80 km/h ist Schluss, aber hey, wenn wir wollten, könnten wir uns mit Sack und Pack bis zur Adria durchschlagen und am Strand Chianti schlürfen.
Fahren im Borgward BO 611 ist ein Kraftakt
Mit dem Borgward ginge das theoretisch auch. Aber erstens hätten wir Sorge, die frisch bezogenen (und für unseren Geschmack etwas überrestaurierten) Sitze zu beschmutzen. Und zweitens ist die Lenkung des BO 611 zu stramm eingestellt. Das kostet Nerven, selbst wenn es nur geradeaus geht. Gleiches gilt fürs Verzögern. Das Bremspedal will mit Schmackes getreten werden. Im Mercedes hilft eine zusätzliche Motorbremse mit.
Die Wirkung beim Betätigen des dicken Zusatzhebels hinter dem Lenkrad ist allerdings bescheiden. Und angesichts des Luftwiderstandes der Karosserie genügt es eigentlich auch, einfach vom Gas zu gehen, zumindest im Flachland. Unsere Lust aufs Bus fahren ist in jedem Fall geweckt. Wo es hingehen soll, steht auch schon fest: Nach Einbeck, in die Sammlung Lkw und Bus des Museums PS.Speicher. Dort sind nämlich nicht nur der Mercedes und der Borgward zu Hause, sondern noch unzählige weitere Schätze dieser Art.
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Technische Daten von Borgward BO 611, Mercedes O 319 D und VW Bus T2a
Classic Cars 04/2017 | Borgward BO 611 | Mercedes O 319 D | VW Bus T2a |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 4/2 | 4/2 | 4/2 |
Hubraum | 1758 cm³ | 1988 cm³ | 1584 cm³ |
Leistung | 31 kW/42 PS 3400/min | 37 kW/50 PS 4000/min | 35 kW/47 PS 4000/min |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 103 Nm 2200/min | 108 Nm 2200/min | 106 Nm 2800/min |
Getriebe/Antrieb | 4-Gang-Getriebe/Hinterrad | 4-Gang-Getriebe/Hinterrad | 4-Gang-Getriebe/Hinterrad |
L/B/H | 5100/2120/2190 mm | 4820/2080/2345 mm | 4420/1765/1960 mm |
Leergewicht | ca. 2090 kg | k.A. | 1265 kg |
Bauzeit | 1957-1961 | 1955-1968 | 1967-1972 |
Stückzahl | 709 (B 611 und BO 611) | 15.589 (Benziner und Diesel) | 1.124.717 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | k.A. | k.A. | k.A. |
Höchstgeschwindigkeit | 75 km/h | 80 km/h | 105 km/h |
Verbrauch auf 100 km | k.A. | k.A. | 10,4 l N |
Grundpreis (Jahr) | k.A. | k.A. | 8590 Mark (1967) |
In den 60ern gab es viele Möglichkeiten, (Klein-)Bus zu fahren. Unsere Beispiele stehen für viel Platz mit Lkw-Charme und freiem Blick zum Himmel (Mercedes) sowie für etwas weniger Platz, aber auch weniger Gerumpel und ein Quäntchen mehr Eleganz (Borgward). Der VW T2 dagegen bot zu seiner Zeit eine neue Perfektion fürs Reisen in kleiner Gruppe oder nur zu zweit in ihm als Wohnmobil: Leichtfüßig, komfortabel und praktisch, fand er völlig zu Recht viele Fans. Die meisten halten ihm bis heute die Treue.