Fahrt mit dem Alfa-Chefdesigner und seiner Giulia GT 1300 Junior
Privatvergnügen mit dem GT Junior
- Fahrt mit dem Alfa-Chefdesigner und seiner Giulia GT Junior
- Giugiaro tobte, als Alfa Romeo die Kantenhaube abdichtete
- Alejandros Auto-Hobby: Selbst schrauben und Kosten kontrollieren
- Seat klingelte an der Haustür, als Alejandro acht Jahre alt war
- Der 1,3-l-Motor legt los, als hätte er einen Zahlendreher
- Technische Daten der Alfa Romeo Giulia GT 1300 Junior
Über frühe Leidenschaft, einen wütenden Giugiaro und Patina-Passion: Wir fahren mit Alfa Romeo-Chefstilist Alejandro Mesonero-Romanos und seiner Giulia GT 1300 Junior durchs Designer-Nähkästchen.
Kurz nach Mittag, 14.30 Uhr am Rande von Turin (Italien): Der Hinflug hat sich verspätet und der Rückflug drei Stunden später sitzt uns schon im Nacken, als uns Alejandro Mesonero-Romanos mit seiner Alfa Romeo Giulia GT 1300 Junior grinsend vor seinem Haus empfängt. Der 56-Jährige (Stand: Januar 2025) ist seit 2021 als Chefdesigner von Alfa Romeo verantwortlich und längst auch privat den Autos mit Biscione (Schlange) und Scudetto (Schild) verfallen. Darüber hinaus scheint der gebürtige Madrilene auch die gemütliche Lebensphilosophie seiner Wahlheimat übernommen zu haben. "Jetzt besorgen wir uns erstmal einen Café", bestimmt er gelassen, "steig ein, Tim! Ich weiß, wo es guten gibt." Schon nehmen wir Platz im senfgelben Bertone und riechen förmlich, wie der eben noch allgegenwärtige Stress in der Abgaswolke hinter uns verfliegt.
Während Alejandro mit dem hölzernen Nardi-Lenkrad seinen Alfa um die Hügel des Turiner Ostens dirigiert, schmunzelt er: "Der Erstbesitzer war ein Klempner, 25 Jahre lang gehörte ihm der Junior. Wahrscheinlich hatte er Verbindungen zur Mafia, sonst hätte er sich das Auto gar nicht leisten können. Auf jeden Fall ist der Alfa noch unrestauriert, größtenteils im Erstlack und bis auf das Lenkrad auch im Originalzustand." Und das Baujahr? "1968, genau wie ich", berichtet der Mann mit der Alfa-Weste stolz, der als Schauspieler sicher auch einen glaubwürdigen Mafiosi abgegeben hätte – wenn er nicht immer so verschmitzt lächeln würde, während wir uns über sein Privatauto unterhalten.
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Der Alfa Romeo Junior (2024) im Fahrbericht (Video):
Fahrt mit dem Alfa-Chefdesigner und seiner Giulia GT Junior
"Als ich nach Turin gezogen bin, musste ich feststellen, dass mein aufwendig restaurierter Porsche 928 einfach nicht hierher passte. Ich habe mich auf die Suche nach einem Alfa Romeo 1750 GTV begeben, aber bin stattdessen auf diesen 1300 GT Junior gestoßen", gibt Alejandro zu, "Ich habe ihn blind gekauft!" Vielleicht schwang aber auch ein Hauch Schicksal mit, denn parallel zum Kauf des Klassikers arbeitete er am Design des Alfa Romeo Milano. Das Einstiegs-SUV musste kurz nach der Präsentation in "Junior" umbenannt werden, weil er nicht – wie der Name suggeriert – in Mailand, sondern in Polen gefertigt wird. Ohne diese Verkettung von Zufällen wären Alejandro und ich vielleicht niemals auf seinen Privatwagen zu sprechen gekommen und säßen jetzt nicht auf dessen sanft patinierten Ledersitzen. An dieser Stelle danken wir dem italienischen Ministerium, das sich sonst um die Authentizität von Parmaschinken und Parmesankäse sorgt.
Passendes Zubehör für den Klassiker:
Nach der Kaffeepause beginnt der Streifzug um die zeitlos-elegante Karosserie des GT Junior. Die befindet sich übrigens nicht im Concours-Zustand, wie man es vielleicht vom Privatwagen eines Autodesigners erwarten könnte, dessen Blick fürs Detail maßgebend für den Erfolg seiner Arbeit ist. "Ein paar Rostbläschen und kleine Dellen verleihen dem Auto Charakter", befindet Alejandro, "außerdem spart man sich viele Nerven beim Rangieren im Stadtverkehr." Der Alfa ist also alles andere als ein Stehzeug, ein bis zweimal die Woche muss er auch für die Fahrt ins Designstudio herhalten. Am Wochenende hat er sogar eine Art Ritual etabliert, wie uns der Chefdesigner verrät: "Früh am Morgen, wenn noch alle schlafen, schnappe ich mir den GT und cruise bei Sonnenaufgang über die einsamen Landstraßen zur Bäckerei."
Giugiaro tobte, als Alfa Romeo die Kantenhaube abdichtete
In der Gegend gibt es aber nicht nur leckere Croissants, auch die sogennante goldene Generation der italienischen Auto-Designer wohnt unweit von Alejandro. Da wäre der große Ferrari-Stilist im Dienste von Pininfarina, Leonardo Fiovaranti, Konzept-Designer Paolo Martin, bis 2024 der verstorbene Lamborghini-Keilmacher Marcello Gandini und natürlich der Maestro höchstselbst: Giorgetto Giugiaro. Letzterer hatte die Giulia GT bereits mit Anfang 20 für Bertone entworfen und damit eines der schönsten Coupés aller Zeiten aus der Taufe gehoben.
Ganz ohne Komplikationen lief die Entwicklung natürlich nicht ab: "Ich habe Giugiaro, den ich gut kenne, mit meinem Auto besucht", berichtet Alejandro, "Er hat mir erzählt, was es mit der Kante in der Motorhaube auf sich hat: Ihm war die Front seiner Schöpfung etwas zu langweilig, deshalb hat er den Lufteinlass als cooles Detail integriert. Als der Alfa dann in die Produktion ging, tobte Giugiaro. Die Ingenieure hatten eine Dichtung an die Öffnung der Kantenhaube montiert, weil sich die Motorhaube bei hohen Geschwindigkeiten sonst nach oben gewölbt hätte. Es sollte nicht das letzte Mal bleiben, dass er sich über die Ingenieure ärgerte. Beim Nachfolger, der Alfetta GT, hatte Giugiaro eine Windschutzscheibe gezeichnet, die unterhalb der Motorhaube ansetzte und somit Platz für die ersten versteckten Scheibenwischer überhaupt geschaffen hätte. Doch Alfa verwarf das Konzept und setzte auf ein herkömmliches Design, das an dieser Stelle bis heute etwas unrund aussieht."
Alejandros Auto-Hobby: Selbst schrauben und Kosten kontrollieren
Und wenn wir schon einmal dabei sind, öffnet der Chefdesigner auch gleich die nach vorne aufschwingende Haube seiner Bella. Eigentlich wollten wir uns ja das besagte Dichtgummi auf Höhe der Halterungen anschauen, aber stattdessen bleiben die Augen dann doch an den grauen Höckern des legendären Doppelnockers hängen. Der Reihenvierzylinder stammt noch aus der Vorgängerin Giulietta und holt aus nur 1,3 l Hubraum 87 PS (64 kW), während ein 1300er-Käfer aus derselben Epoche nicht einmal die Hälfte zu leisten imstande ist. Wir fragen Alejandro, ob das hauseigene Klassik-Team vom FCA Heritage Hub bei der Instandhaltung des Autos mithilft, doch der schüttelt nur lachend den Kopf: "Quatsch, an meinem Auto mache ich fast alles selbst. Nur die Vergaser lasse ich bei einem Spezialisten einstellen, das ist mir zu kompliziert."
Zu seinen Leidenschaften gehört, alle Kosten für seine Autos in einer Excel-Tabelle festzuhalten. "Ich bin einfach ein Zahlenmensch", bekennt der Madrilene locker, "und außerdem kann ich damit meiner Frau beweisen, dass mein Auto-Hobby finanziell gar nicht so dramatisch ist." Was er sonst so gefahren sei? Alejandro zählt auf: "Vor dem Bertone und dem 928 hatte ich bereits mehrere Porsche Boxster und 911, einen Jaguar XJS, einen Ferrari 308 GTB und GTS, einen Alfa Romeo Spider und eine Giulietta Sprint. Neben dem Junior steht aktuell auch noch ein Mazda MX-5 der ersten Generation in meiner Garage. Den musste ich mir einfach nochmal kaufen, weil er seinerzeit mein allererster Sportwagen war."
Seat klingelte an der Haustür, als Alejandro acht Jahre alt war
Auch die Geschichte, wie Alejandro Mesonero-Romanos überhaupt seine Auto-Leidenschaft entwickelte, ist lesenswert: "Als ich acht Jahre alt war, stand plötzlich das Marketing-Team von Seat vor unserer Haustür und fragte, ob sie in unserem Garten die Werbung für den neuen Seat 128 filmen dürften", erinnert er sich, "an diesem Tag konnte ich meine Mutter überreden, nicht in die Schule zu müssen und durfte sogar im Seat Platz nehmen. Von da an begann ich damit, Autos zu zeichnen." Seine Inspiration nimmt er heute von überall her, das geht weit über die Schöpfungen der goldenen Designer-Generation hinaus. Der 56-Jährige erklärt denn auch: "Ich sauge kreative Einflüsse auf wie ein Schwamm. Aber auf den GT Junior heruntergebrochen, ist vor allem das Interieur eine wahre Inspiration. Der einfache, aufgeräumte Stil zum Beispiel, die horizontalen Linien und natürlich das Canocchiale, also die Fernglas-artige Anordnung der Instrumente hinter dem Lenkrad."
In Sachen Exterieur gestaltet sich das Zitieren klassischer Elemente dagegen als weitaus schwieriger: "Vieles an diesem Auto wäre heute wegen der Unmengen an Vorschriften und auch der automatisierten Serienfertigung so nicht mehr produzierbar. Abgesehen davon arbeiten mittlerweile zehn, 20 oder manchmal gar 100 Designer an einem Auto, sodass es immer schwieriger wird, eigene Akzente zu setzen", bemerkt Alejandro mit einem klitzekleinen Hauch von Wehmut, "die 60er und 70er waren in dieser Hinsicht absolut besonders, denn da war nur eine Person fürs Skizzieren und Modellieren verantwortlich. Ich bin jedenfalls überzeugt davon, dass ein Giugiaro unter den heutigen Umständen kein besseres modernes Auto zeichnen würde."
Der 1,3-l-Motor legt los, als hätte er einen Zahlendreher
Gefühlt könnten wir uns noch ewig unterhalten über das Design von heute und damals, doch das Foto-Team mahnt zur Einhaltung des Zeitplans. Fast schon beiläufig fragt Alejandro: "Willst du die Rückfahrt übernehmen?" Gefragt, getan: Schon suchen wir uns eine vernünftige Sitzposition, was in italienischen Automobilen traditionell eine Herausforderung darstellt. Obwohl die Arme fast nur gestreckt ans Volant reichen, liegt uns der Lenkradkranz förmlich auf dem Schoß. Mit ihrer zusammengepferchten Anordnung schreit die Pedalerie geradezu nach Zwischengasstößen, die aber nicht immer beabsichtigt erfolgen. Und Seitenhalt findet man auf dem glatten Leder (So Leder richtig pflegen) nur, wenn man den Gurt fest genug angezogen hat.
Einmal in Fahrt, knurrt der Doppelnockenwellenmotor derartige Nebensächlichkeiten in den Hintergrund. Schon im unteren Drehzahlbereich legt der 1,3 l los, als hätte sich versehentlich ein Zahlendreher eingeschlichen. Statt in den dritten aus Versehen in den fünften Gang schalten? Macht dem elastischen Alfa kaum etwas aus. Im norditalienischen Kurvengeschlängel ist er einfach in seinem Element: Sauber lässt er sich um die Serpentinen zirkeln, das mechanische Feedback an die Hände, die Füße und den Allerwertesten generiert sofort Vertrauen. Obwohl wir selten mehr als 50 km/h und eher vorsichtig als dynamisch fahren, fühlt sich der GT pfeilschnell an. Als wir schließlich Alejandros Auto vor dessen Haus abstellen, grinsen wir vor Freude. Der Chefdesigner ist sich sicher: "Den Junior behalte ich auf jeden Fall, auch meine beiden Töchter lieben ihn. Trotzdem kann ich es nicht lassen, nach alten Autos zu gucken. Vielleicht finde ich ja nochmal einen Ferrari 308 GTB, den hätte ich damals nicht verkaufen sollen ..."
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Technische Daten der Alfa Romeo Giulia GT 1300 Junior
Classic Cars 02/2025 | Alfa Romeo Giulia GT 1300 Junior |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 4/2 |
Hubraum | 1290 cm³ |
Leistung | 64 kW/87 PS 6000/min |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 115 Nm 3200/min |
Getriebe/Antrieb | 5-Gang-Getriebe/Hinterrad |
L/B/H | 4080/1580/1315 mm |
Leergewicht | 930 kg |
Bauzeit | 1966-1972 |
Stückzahl | 80.623 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 12,5 s |
Höchstgeschwindigkeit | 176 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 9,8 l S |
Grundpreis (Jahr) | 11.700 Mark (1966) |