Audi Avantissimo (2001): Der Oberklasse-Kombi, der nie kam
Die (verpasste) Kombi-Revolution aus Ingolstadt
Vielseitige und komfortable Kombis heißen Avant. Zumindest tun sie das im Universum des Ingolstädter Autobauers Audi. Wie man sich das Kombi-Konzept anno 2001 für die Luxusklasse vorstellte, zeigte man der Welt mit dem Audi Avantissimo.
Der Modellzusatz "Avant" ist seit über 20 Jahren die Bezeichnung für Kombinationskraftwagen aus dem Hause Audi. Während die praktischen Lastesel zunächst Handwerkers Liebling war, stellten Avant-Modelle von Audi stets eine luxuriöse Lösung für Menschen dar, die neben Komfort auch Platz suchten. Man erinnere sich beispielsweise an den Audi 100 C3 Avant, der bereits in den 80er-Jahren als eine Art Lifestyle-Kombi seiner Zeit voraus war. Mit den nachfolgenden Generationen von Audis Oberklasse und der Einführung der "A6"-Nomenklatur wurden die Kombis in ihrer Karosserieform braver.
Schnell und luxuriös konnten sie als Topmodell in Form eines S6 Plus C4 oder RS 6 C5 (Alle RS 6-Generationen hier) trotzdem sein, doch Audi wollte für das neue Jahrtausend in neue Sphären vorstoßen. Denn vor allem in der Luxusklasse waren stets eine Randerscheinung und oft nur als Sonderanfertigung erhältlich. Im Jahr 2001 stellte Audi deswegen eine Studie auf die Räder, die diese Fahrzeugklasse erobern sollte: den Audi Avantissimo.
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Der Audi Avantissimo sollte den Luxus-Kombi salonfähig machen
Bereits der Modellname sollte suggerieren, dass es sich hier nicht um die simple Weiterentwicklung eines Avant handelte, sondern um eine durchdachte Kombi-Lösung für gut betuchte Freund:innen großzügigen Stauraums. Die Karosserie des Audi Avantissimo lieferte dafür den ersten Baustein. Den Audi Space Frame als Ausgang nutzend, konstruierten die Ingenieur:innen eine Aluminium-Leichtbau-Karosserie, die höchste Verwindungssteifigkeit liefern sollte. Der 5,06 m lange und 1,91 m breite Edelkombi konnte in Sachen Design der metallenen Außenhaut seine Nähe zu der damals aktuellen A6-Generation C5 nicht verbergen und nahm doch bewusst futuristische Anleihen mit auf. Die großen Flächen sollten die Sportlichkeit unterstreichen, die man in Zusammenspiel mit der Kombikarosserie in dieser Form in der Luxusklasse noch nicht gesehen hatte.
Die zur Sportlichkeit passenden Muskeln trug der Avantissimo selbstverständlich auch unter der Haube. Dafür wählte Audi nicht den Zwölfzylinder in W-Bauweise mit sechs Litern Hubraum, der im gleichen Jahr erstmals für den großen Audi A8 D2 verfügbar war. Die Wahl fiel auf den 4,2-l-V8, der bereits in Saugerkonfiguration mit bis zu 340 PS (250 kW) in der C5-Generation des Audi A6 werkelte. Allerdings griffen die Techniker:innen aus Ingolstadt für den luxuriösen Audi Avantissimo für ein der Klasse entsprechendes Plus an Leistung zu gleich zwei Turboladern. Durch die Zwangsbeatmung des Achtzylinders gelang eine Leistungssteigerung auf 430 PS (316 kW) und 600 Nm. Die nötigen Leistungsreserven waren somit vorhanden. Doch neben Platz und Power sollte ein solcher Kombi auch den nötigen Reisekomfort bieten, weswegen man den Audi mit einem Leichtbau-Luftfahrwerk und quattro-Allradantrieb versah.
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Zukunftsweisendes Cockpit samt Solardach
Im Inneren des stolzen Luxusschiffs wurde man von hellen, ausladenden Ledersitzen begrüßt. Das Lenkrad, die Mittelkonsole sowie der obere Teil des Armaturenbretts zeigten sich im Kontrast in braunem Leder. Wer sich die Bilder des Cockpits genauer betrachtet, erkennt bereits diverse Elemente, die ab 2002 ihren Weg in den Audi A8 D3 und vier Jahre später in den Audi A6 C6 finden sollten. Dazu zählt unter anderem das Infotainment-System MMI (Multi Media Interface), das durch seine vereinfachte Bedienungslogik den Fokus auf das Fahren des Audi Avantissimo vereinfachen sollte.
Dafür sollte nicht nur die Menüführung sorgen, sondern auch Funktionen wie die Lenkradtasten. Passagier:innen, die im Fond Platz nahmen, mussten ebenfalls nicht auf ein komfortables Reiseerlebnis verzichten. Zwei Einzelsitze standen zur Verfügung, die sich in eine Relax-Sitzposition fahren ließen und dabei um bis zu 110 mm längs verstellbar und 19 Grad neigbar waren. Auch die Armlehnen der hinteren Sitzreihe ließen sich sowohl in der Mittelkonsole als auch in der Türverkleidung individuell anpassen.
Eines der großen Highlights des Avantissimo war selbstverständlich der Kofferraum. Mithilfe einer Fernbedienung ließ sich die Heckklappe stufenlos elektrohydraulisch bis zu 70 Grad öffnen. Wem der Stauraum nicht genügte, konnte ebenfalls elektrisch ein Schubfach ausfahren lassen, das 70 l Fassungsvermögen bot. Was man vielleicht aus einem Maybach kannte, fand sich im Dach des Edelkombis wieder. Die in Sandwich-Bauweise hergestellten Dachfenster ließen dank stufenlosem Dimmen eine nicht alltägliche Art und Weise des Sonnenschutzes zu. Besonders waren außerdem die im Dach verwendeten Solarpanele, die genügend Energie produzierten, um die Standlüftung bei abgeschaltetem Motor betreiben zu können. Ein Komfortmerkmal, das sich bis heute findet als Ausstattungsmerkmal in ausgewählten Modellen der Ingolstädter:innen wiederfindet.
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Das SUV lief dem Avantissimo den Rang ab
Doch warum schaffte es der Audi Avantissimo trotz all dieser Innovationen nicht zur Serienreife? Auch wenn Audi nie einen möglichen Preis nannte, wäre der Kombi mit Sicherheit kein Schnäppchen geworden und die Aussichten auf geringe Stückzahlen könnten abschreckend gewirkt haben. Einer der Hauptgründe dürfte allerdings an der allmählichen Etablierung des SUV gelegen haben. Bereits 2002 startete der erste VW Touareg seine Karriere, bot dabei Platz, Leistung (wahlweise sogar mit V8 oder gar W12) und eine hohe Sitzposition. Es sollte zwar noch drei Jahre dauern, bis der Audi Q7 in Ingolstadt diese Lücke füllen konnte, doch stellte sich das aus heutiger wirtschaftlicher Sicht als die richtige Entscheidung heraus.
Luxuskombis bleiben nach wie vor eine Randerscheinung und sind meist eher als seltene Umbauten in der Klassikszene anzutreffen. In Sachen Serienfahrzeug bewies Mercedes hingegen mit dem Mercedes CLS Shooting Brake (X218), der zwischen 2011 und 2017 als Kombi-Coupé erhältlich war, mehr Mut und ein Modell, das schon jetzt das Zeug zum potenziellen Klassiker hat.