In einer Kleinserie schickt BMW den Wasserstoff-betriebenen BMW iX5 Hydrogen weltweit auf die Straße, um dessen Alltagstauglichkeit zu beweisen. Wir sind mit einem Test dabei!
E-Autos benötigen eine große Batterie, um hohe Reichweiten zu erzielen, und eine leistungsstarke Technik, um die Ladestopps zu verkürzen. Hier herrscht Einigkeit. Oder sie nutzen eine mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle zur Energieerzeugung im Auto und lassen sich an H2-Zapfsäulen in wenigen Minuten auftanken. Aktuell gibt es aber nur zwei Serienautos: Toyota Mirai und Hyundai Nexo. BMW hat nun immerhin eine Kleinserie auf X5-Basis weltweit im Einsatz, die im Alltagsbetrieb und nun auch im Test der AUTO ZEITUNG zeigen soll, ob die Technik ausgereift ist. Der BMW iX5 Hydrogen ist optisch nicht mehr taufrisch, da er noch auf der Vorfacelift-Version des Oberklasse-SUV aufbaut, doch seine inneren Werte sind zukunftsweisend: Unter der vorderen Haube verbirgt sich nämlich ein Brennstoffzellen-System samt allen Nebenaggregaten und Kühlern.
Die Zellen entstammen einer technischen Partnerschaft mit Toyota, werden von den Bayern aber selbst zu einem sogenannten Stack verpresst (Stapel aus Brennstoffzellen), in ein Gehäuse verpackt und um die nötigen Zusatzkomponenten ergänzt. Es handelt sich somit um ein BMW-eigenes System, in dem der im Wagenboden in zwei Tanks gespeicherte Wasserstoff (H2) mit dem Sauerstoff (O) aus der Umgebungsluft reagiert. Dabei entstehen harmloses Wasser (H2O), das als Kondensat oder Dampf unter dem Auto abgeleitet wird, sowie elektrische Energie. Diese wird direkt von der 125 kW (170 PS) starken fremderregten E-Maschine unter dem Kofferraum-Boden in Vortrieb über die Hinterräder umgesetzt. Leistungsspitzen, etwa beim Überholen, boostet das System mit bis zu 170 kW (231 PS) aus einem kleinen Lithium-Ionen-Pufferspeicher, der ebenfalls von der Brennstoffzelle gespeist wird. Daraus ergibt sich eine kurzfristige Systemleistung von 295 kW (401 PS). So weit die Theorie. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Leslie & Cars fährt den BMW iX5 (2023) im Video:
Der BMW iX5 im Test: fährt wie ein E-Auto
Im Test bedeutet das: Der BMW iX5 Hydrogen fährt, wie man es von einem Elektroauto gewohnt ist: spontaner und druckvoller Antritt, nahezu geräuschlos, keine Schaltrucke. Im Comfort- und im Sport-Modus untermalt ein dezentes Schwirren à la Star Wars-Raumschiffe die Arbeit der Brennstoffzelle, doch das Geräusch wird künstlich erzeugt und ist damit auch abschaltbar. Im Eco Pro-Modus herrscht Ruhe. Das Einzige, was von der extravaganten Technik kündet, ist ein gelegentliches Zischen oder Abdampfen des stehenden Autos. Die Beschleunigung von null auf 100 km/h soll das 2,5 t schwere SUV dank seines fülligen Drehmoments von 720 Nm in weniger als sechs Sekunden abhaken, die Spitze beträgt dauerhaft 180 km/h. Sogar 205 Sachen sind drin, aber höchstens für ein paar Minuten, bis die fünf kWh aus der Batterie aufgebraucht sind. Geladen wird sie per Rekuperation in Schub- und Bremsphasen, ein Aufladen per Kabel ist nicht nötig.
Damit ist der iX5 kein Sportler, aber ein schneller Reise(be)gleiter, zumal man nicht fürchten muss, beim nächsten Tankstopp mitlangen Standzeiten für eine eilige Fahrweise zu büßen. Mit seinem Sechs-Kilo-Vorrat absolviert der BMW 375 km, fährt man langsamer als 100 km/h, sind sogar 545 km drin (WLTP: 504 km). Die Betankung läuft denkbar simpel und schnell – so wie bei einem Verbrenner: Tankventil ansetzen, einrasten, Vorgang per Knopfdruck beginnen. Nach wenigen Minuten ist er wieder startklar, die Bezahlung erfolgt per Karte direkt an der Säule. Aber: Es gibt momentan einfach viel zu wenige H2-Zapfpunkte. Aktuell sind es europaweit 166 Pkw-Tankstellen (siehe www.h2.live). Das Netz wächst zwar stetig, doch noch sind teils große Umwege zum Tanken unumgänglich.
Keine Einschränkungen im Innenraum
Dabei eignet sich das Auto prinzipiell ganz hervorragend auch für längere Etappen, da es nicht nur einen komfortablen und kraftvollen Antrieb, sondern auch einen guten Federungskomfort besitzt. Die Abstimmung der adaptiven Luftfederung entspricht jener des Plug-in-Hybrids BMW X5 xDrive45e, wirkt wegen der abweichenden Gewichtsverteilung aber eine Spur softer. Andererseits fällt die Agilität des BMW iX5 Hydrogen ohne die Hinterradlenkung etwas verhaltener aus. Das stört aber im Test nicht, sondern passt gut zum ohnehin eher entspannten Charakter des gesamten Fahrzeugs und erlaubt dennoch genügend Sicherheitsreserven in schnellen Kurven.
Weil die Technik geschickt den vorhandenen Bauraum nutzt, spürt man im Interieur fast keine Einschränkungen. Die beiden Wasserstoff-Tanks stecken unter der Rückbank (zwei kg) sowie im zentralen Tunnel (vier kg) des Chassis, wo sonst Getriebe und Kardanwelle untergebracht sind. Der E-Motor samt Leistungselektronik und 400-V-Akku sitzt unter dem Laderaumboden, der dadurch minimal höher liegt: Das Staufach darunter schrumpft, und das Kofferraumvolumen reduziert sich um 150 auf 500 l. Dreiteilig umlegbare Sitzlehnen erlauben eine Erweiterung auf 1720 l, was zusammen mit der üppigen Zuladung von 655 kg in den meisten Fällen reichen dürfte. Abhängig von Infrastruktur und Nachfrage könnte BMW in der zweiten Hälfte der Dekade erste Wasserstoff-Modelle in Serie bauen – die Technik ist soweit.
Die Technik des Wasserstoff-Antriebs erklärt
Das Brennstoffzellen-System mit all seinen Nebenaggregaten und dem Kühler sitzt unter der Motorhaube und produziert den Strom, der direkt an den E-Motor an der Hinterachse abgegeben wird. Zusätzlich versorgt diesen bei kurzfristigen Lastspitzen die Energie aus dem Hochvolt-Akku darüber. Nachgetankt wird über ein Ventil hinten rechts. Die beiden Wasserstoff-Tanks im Wagenboden nehmen insgesamt sechs Kilogramm H2 auf. Als einzige Emissionen fallen kondensiertes Wasser oder Wasserdampf an, die mittig unter dem BMW iX5 Hydrogen abgeführt werden – eine saubere Sache.
Connectivity-Check
Da die Kleinserie noch vor dem Marktstart des renovierten X5 gebaut wurde, muss sich der BMW iX5 Hydrogen noch mit dem bisherigen Infotainmentsystem begnügen. Das ist zu verschmerzen, zumal die Navigationsdaten auch das H2-Tankstellennetz ausweisen. Allerdings sind die Stationen mitunter nicht nutzbar – auch wenn sie als "grün" gemeldet werden. Dass die Routenführung zudem keine Tankstopps einkalkuliert, erweist sich im Test als ein echter Makel, der zu erhöhter Aufmerksamkeit zwingt. Sonst ist die nächste H2-Station vom Zielort aus möglicherweise nicht mehr zu erreichen. Ärgerlich.
Technische Daten und Messwerte
AUTO ZEITUNG 05/2024 | BMW iX5 Hydrogen |
Positiv | Volle Alltagstauglichkeit, hoher Fahrkomfort, kurze Tankzeiten, flottes Reisetempo |
Negativ | Dünnes Tankstellennetz, Navi ohne Tankstopp-Planung, reduzierter Stauraum |
Technik | |
Motor | fremderregte Synchronmaschine (FSM) |
Antrieb | Konstantübersetzung; Hinterrad |
Systemleistung | 295 kW/401 PS |
Systemdrehmoment | 720 Nm |
Spannung; Kapazität netto | 400 V; 5 kWh |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 4938/2015 (2219)*/1745 mm |
Leergewicht/Zuladung (Werk) | 2495/655 kg |
Kofferraumvolumen | 500-1720 l |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung 0-100 km/h (Werk) | unter 6 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 180 (Boost: 205) km/h |
Verbrauch auf 100 km (Test/WLTP) | 1,6/1,19 kg H2 |
Reichweite (Test/WLTP) | 375/504 km |
Preise | |
Grundpreis | k.A. (Kleinserie) |
*Breite mit Außenspiegel |