Gewicht raus, PDK raus, Allradlenkung raus, Komfort raus – und ganz viel Emotion rein. Der neue Porsche 911 S/T (2023) ist die Anti-Evolution des Elfer, Nervenkitzel- und Flow-Gefühl-Therapie in einem. Erste Testfahrt!
Andreas Preuninger dürfte der Prototyp des 911er-Fans sein: mit Rennsport-Hingabe bis in die feuerfeste Unterwäsche gefärbt, von vielen Jahrzehnten tiefer Porsche-Tradition beinahe spirituell ergriffen und darüber hinaus ein entschlossener Freund des ausgelassenen Fahrens um des Fahrens willen. Gut, dass der Mann als "Gesamtprojektleiter für GT-Fahrzeuge" bei Porsche seinen Traumjob gefunden hat – vor allem gut für Porsche: Die Liste der bestechend konsequent gemachten, Maßstäbe setzenden und ekstatischen Fahrzeuge aus seinem Verantwortungsbereich ist lang und illuster. Bei der Vorstellung des neuen Porsche 911 S/T (2023) anlässlich unserer ersten Testfahrt taucht auch Walter Röhrl auf – als schroffer und herrlich unverstellter Begleiter der Marke. Der große, alte Mann des klugen Schnellfahrens lässt sich von der Porsche-Mannschaft als Quasi-Pate des 911 S/T mit wohlwollendem Beifall zitieren (... der 911 S/T könnte auch "911 Walter Röhrl" heißen ...) – vorgestellt wird der S/T aber von Andy Preuninger.
Und spätestens da wird klar, dass der neue Porsche 911 S/T (2023) Fahrmaschine Chefsache ist. Ein 911 AP sozusagen. Preuninger referiert gut gelaunt und detailreich über die Geschichte des klassischen S/T, wechselt dann schnörkellos zu den Kohlefaser-Kotflügeln und -Türen des Neuen, dessen radikal hochdrehenden Vierliter-Saugmotor, seinem von der Hinterachslenkung befreiten Fahrwerk, der um jegliche Fahrmodi entschlackten Steuerelektronik ... Und in dem Moment versteht man zum ersten Mal, dass es ein Porsche-Erfolgsrezept ist, auch mal gegen die allgemeine Entwicklungsrichtung der Marke zu arbeiten. Das Wesen jeglicher Perfektion und ihrer Evolution ist es eben, am Ende weichgespült und belanglos zu sein. Auch den über die Jahre auf beängstigende Weise immer besser werdenden 911-Generationen hätte das blühen können – wenn Porsche nicht von vordenkenden Menschen wie Andreas Preuninger geprägt wäre, die wie Zugvögel im Erdmagnetfeld einer inneren Traditionsmesslatte folgend immer das Ehrliche und Kantige und Echte im Porsche gesucht hätten. Auch interessant: Unsere Produkttipps bei Amazon
Der Porsche 718 Sypder RS (2023) im Fahrbericht (Video):
Erste Testfahrt mit dem neuen Porsche 911 S/T (2023)
Mit seinen 1380 kg DIN-Leergewicht ist der neue Porsche 911 S/T (2023) der leichteste 992, sein bis 9000 /min drehender 525-PS-Boxer darf in Kombination mit einem kurz übersetzten Sechsgang-Handschaltgetriebe sowie Einmassen-Schwungrad bissig zupacken. Das Chassis wurde zwar auf Rennstrecken gegengecheckt, prinzipiell aber für reinen Fahrspaß auf Landstraßen abgestimmt. Und weil dieser Aspekt der GT-Mannschaft unter ihrem Cheftrainer Preuninger besonders wichtig ist, dürfen wir den 911 S/T bei der ersten Testfahrt auf den Kurvenstrecken des kalabrischen Sila-Bergmassivs erleben.
Was italienisch-romantisch klingt, ist allerdings ein wahrer Knochenbrecher des Autofahrens mit turbulenter Streckenführung in Orkanstärke. Und deshalb haben wir ein Problem: In dreieinhalb Stunden soll am Flughafen von Lamezia Terme die Maschine nach Hause starten, das Navigations-System des 911 S/T spuckt nach Zieleingabe aber eine Fahrzeit von über vier Stunden aus. Haben die Porsche-Leute, diese Schurken, das absichtlich so gelegt? Beinahe 45 Min. rausholen? Auf Strecken, die eng, staubig, zerfurcht, löchrig und wellig in den Bergen liegen? Die keine Sekunde Ruhe geben, auf denen kurze Ausnahme-Geraden eine pauschale Kurven-Regel bestätigen? Die einsamen Nadelwälder durchqueren, über sonnendurchglühte Hochplateaus kreuzen, sich schlingend und krampfend durch wilde Macchia hauen und nur dann verschnaufen, wenn man sich in den engen Gassen von Bergfestungs-Städtchen festgefahren hat?
... Man kann es ja versuchen. Der neue Porsche 911 S/T (2023) sollte zumindest die ideale Maschine für dieses hoffnungslose Vorhaben sein. Auf den ersten Metern unserer herausfordernden Testfahrt wird klar: Wir haben uns ganz schön an die fein geschliffenen Klingen aktueller 911 gewöhnt. An Fahrwerke und Lenkungen, die souverän sind und über jeden Zweifel erhaben. An nahtlose PDK-Effizienz beim Schalten, an satten Turbo-Druck und gepflegten Zivilisationskomfort. Der 911 S/T bricht mit dieser Grundstimmung, er wird aber auch nicht von der analytischen Schärfe seiner GT3-Brüder geprägt. Stattdessen ist er eine schockierend ehrliche Haut, laut und schroff, sperrig und rau. Du musst ihn niederringen, dich gegen ihn behaupten: gegen das knappe, harte Zupacken der Kupplung und die Tücke der geringen Schwungmasse, gegen die trockene Handschaltung, das Rasseln und Schaben und Schnarren des Antriebs und gegen eine Fahrwerkscharakteristik, die keine warmen Worte für dich bereithält.
Zu gut, um in Sammlungen zu versauern
Du musst den neuen Porsche 911 S/T (2023) an seinem Sweet Spot erwischen, ihn ins Arbeiten bringen. In den Flow führt er dich, wenn du entschlossen und mit Autorität tief in die Welt des Straßensurfens tauchst. Kurven lesen und sie sich zurechtlegen. Präzision beim Bremsen, Präzision auf der Linie, hypnotische Blickführung. Und schalten: mit knackigem Riss am ultrakurzen Hebel, muskulösem Kupplungsfuß und perfekter Strategie. Kein im Rechner-Backbone des Autos vollvernetzter Computer sortiert dir im 911 S/T die Gänge, du musst selbst entscheiden und mit den Konsequenzen leben. Zugegeben: Die göttergleiche Maschine des 911 S/T und sein geringes Gewicht machen dir das Leben bei der ersten Testfahrt leicht. Strahlend dreht der Motor die Drehzahlleiter hoch und macht das Hochschalten vor der nächsten Ecke vollkommen unnötig – oder er zerrt dich krachledern zupackend knapp über Standgas um die ganz engen Kehren.
Du ahnst dabei, dass dieser furiose Sechszylinder auf diesem Geläuf nur die Spitze seines Leistungs-Eisbergs zeigt und findest, dass das trotzdem genau passt: Nicht Hyperpower ist sein Elixier, sondern eine Mischung aus stählerner Strenge und federleichtem Fluss. Dazu passend lässt du dir von der Lenkung die Korngröße des Straßenbelags vorlesen oder spürst dem verbindlichen, kompetenten Arbeiten des Fahrwerks nach. Freust dich am sahnigen Einlenken und an furioser Traktion – vor allem aber am hellwachen, energiegeladenen und herrlich emotionalen Fahrgefühl. Unten am Flughafen, nach drei-Stunden-fünfzehn "langer" Testfahrt, kommt zusammen mit dem pünktlich erreichten Flugzeug das dicke Ende nach: Geschätzte 70 bis 80 Prozent der Kund:innen, so lernen wir, werden den 292.000 Euro teuren Porsche 911 S/T (2023) mit dem 17.778 Euro teuren "Heritage Design Paket" kaufen. Ein deutliches Signal, was der auf 1963 Exemplare limitierte S/T am Ende dann doch für solvente Fans sein könnte: ein Sammlerstück zum Wegstellen. Bloß nicht zum Fahren. Schade irgendwie …
Technische Daten des neuen Porsche 911 S/T (2023)
AUTO ZEITUNG 21/2023 | Porsche 911 S/T |
Technische Daten | |
Motor | 4,0-l-Sechzylinder-Boxer |
Getriebe/Antrieb | 6-Gang; manuell; Hinterrad |
Leistung | 386 kW/525 PS bei 8500 /min |
Max. Drehmoment | 465 Nm bei 6300 /min |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B//H) | 4573/1852/1279 mm |
Leergewicht | 1380 kg |
Kofferraumvolumen | 264 l |
Fahrleistungen (Werksangaben) | |
Beschleunigung (0-100 km/h) | 3,7 s |
Höchstgeschwindigkeit | 300 km/h |
Verbrauch auf 100 km (WLTP) | 13,8 l SP |
Kaufinformationen | |
Basispreis | 292.187 € |
Marktstart | Im Handel |