Der Opel Astra Electric verheimlicht seinen Antrieb bestmöglich. Das soll ihn zum perfekten E-Auto für all jene machen, die auf elektrospezifisches Design verzichten wollen. Ob er das schafft, verraten wir im Test.
Dass das Rezept aufgehen kann, bewies ausgerechnet der hartnäckige ewige Rivale der Rüsselsheimer: Mit dem e-Golf hatte VW bereits einen nachträglich elektrifizierten Kompakten im Angebot, der viele Kund:innen mit seiner Sachlichkeit den Weg ins Elektrozeitalter ebnete. Nun also der Opel Astra Electric. Rein optisch deutet wenig bis gar nichts auf den Stromantrieb hin – das ist zugleich der Hinweis darauf, dass sich der Elektriker im Test die Stärken und Schwächen mit seinen Verbrenner-Geschwistern teilt. Die Karosserie duckt sich deutlich niedriger über den Asphalt als die von anderen Elektro-Kompakten, die höher aufbauen, um Platz für die Batterie zu schaffen.
Der elegante Opel Astra Electric schmeichelt dem Auge und bietet trotz Batterie im Unterboden das gleiche Platzangebot wie die Verbrenner. Besonders gut gefällt die niedrige Sitzposition, die einen ins Geschehen einbindet. Die AGR-zertifizierten Sitze sind sehr bequem, irritieren allerdings mit ihrer teils elektrischen, teils manuellen Einstellung. Ein Mix, den Opel auch verstärkt im Cockpit anwendet. Die kontrastreichen, jeweils zehn Zoll großen Displays sind übersichtlich gestaltet, wenngleich sich die Bedienung als nicht immer intuitiv herausstellt. So ist die Beschriftung der Lenkradtasten nicht ideal und die Konfiguration der digitalen Instrumente in den Tiefen der Menüs umständlich gelöst. Deutlich besser gefällt die zusätzliche Schalterleiste, die eine schnelle und wenig ablenkende Klimabedienung ermöglicht. Dass der elektrische Astra trotz teurer GS-Ausstattung nur optional mit einem Navigationssystem ausgestattet ist, ist kleinlich, aber dank der serienmäßig kabellosen Apple CarPlay- und Android Auto-Schnittstellen verschmerzbar. Auch interessant: Unsere Produkttipps bei Amazon
Leslie & Cars fährt den Opel Astra Sports Tourer (2022) im Video:
Der Opel Astra Electric im Test
Überhaupt geizt der Opel Astra Electric mit E-Auto-spezifischen Funktionen. Eine dezidierte Routenplanung mit Ladestopps ist zwar bald fürs Navi verfügbar, aber es lässt sich weder ein Ladelimit einstellen noch der Akku vorkonditionieren. Um es positiv zu sagen: Der Astra überfordert Einsteiger:innen in die E-Mobilität nicht mit allzu großer Komplexität. Maximal 100 kW Gleichstrom-Ladeleistung sind im Jahr 2023 allerdings wenig, von zehn auf 80 Prozent vergehen knapp über 30 Min. Wer mit dem Astra als Erstauto liebäugelt, sollte Fond und Kofferraum in Augenschein nehmen. Hier ist das Platzangebot begrenzt, besonders die Knie nehmen schnell Kontakt mit den Vordersitzen auf. Der Kofferraum fasst zwar ordentliche 352 bis 1268 l, eine kleine Stufe erschwert aber bei umgelegten Rücksitzlehnen das Beladen. Rund 400 kg Zuladung gehen in Ordnung, Anhänger darf der Astra jedoch nicht ziehen. Die als Zubehör lieferbare Anhängervorrüstung trägt nur einen Heckgepäckträger. Die Stützlast gibt Opel mit 79 kg an.
Es mag zunächst irritieren, dass der Opel Astra Electric mit nur 50,8 kWh an verfügbarer Energie auskommen muss – die Konkurrenz hat teils deutlich größere Akkus. Doch die kleine Batterie spart Gewicht und profitiert vom effizienten Antrieb an der Vorderachse, sodass der elektrische Rüsselsheimer bis zu 400 km Reichweite – bei sommerlichen Bedingungen – schaffen kann. Dabei geht der Motor angemessen kräftig zu Werk, ohne aber das Temperament der Pendants von Tesla & Co. zu bieten. Mit 170 km/h Spitze hängt der Astra auf der Autobahn immerhin den stärkeren VW ID.3 ab. Hier kann er auch mit seinem Fahrkomfort punkten. Der flüsterleise Antrieb deckt im Test unschöne Geräusche erbarmungslos auf, doch davon ist kaum etwas zu hören: Die Karosserie ist gut gedämmt, und der Wind säuselt nur dezent um die A-Säulen. Einzig die effizienzoptimierten Reifen rollen etwas harsch ab.
Der Preis ist derzeit noch recht üppig
Die straffe Federung kommt mit langen Bodenwellen prima zurecht. Auf kurzen, starken Anregungen kann die Hinterachse der gut abgestimmten Vorderachse aber nicht mehr folgen und rumpelt teils harsch über den Asphalt. Noch deutlicher wird es, wenn der Astra voll beladen ist. Dabei bleibt der Opel Astra Electric stets fahr sicher und wird von seinen moderat abgestimmten – nicht deaktivierbaren – Regelsystemen in der Spur gehalten. Die direkte Lenkung harmoniert gut mit dem fahr aktiven Charakter des Stromers. Trotz überschaubarer Leistung umrundet der Testwagen den abgesperrten Kurs mit mehr Engagement, als es das nüchterne Datenblatt zunächst vermuten lässt. Ein kleiner Wermutstropfen ist das synthetische Gefühl in der Pedalerie, an das man sich gewöhnen muss. 45.060 Euro stehen vor Abzug der Prämie (7178 Euro) auf dem Preisschild – viel Geld für einen Kompakten mit kleinem Akku und bodenständigem Antrieb. Ein Kritikpunkt mit wohl nur kurzer Halbwertszeit: Weitere Versionen könnten den Preis schon bald auf unter 40.000 Euro drücken.
Technische Daten und Messwerte vom Opel Astra Electric
AUTO ZEITUNG 18/2023 | Opel Astra Electric |
Technik | |
Motor | permanenterregte Synchronmaschine |
Systemleistung | 115 kW/156 PS |
Systemdrehmoment | 270 Nm |
Batterie | Lithium-Ionen-Batterie |
Spannung/Kapazität netto (brutto) | 400 V/50,8 kWh |
Getriebe/Antrieb | Konstantübersetzung; Vorderradantrieb |
Messwerte | |
Leergewicht | 1688 kg |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 8,9 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 170 km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 35,1/36,2 m |
Reichweite (Test/WLTP) | 310/418 km |
Preise | |
Grundpreis | 45.060 € |
Der Opel Astra Electric ist eine Bereicherung für die elektrische Kompaktklasse und führt das fort, was einst der VW e-Golf gestartet hat: unkomplizierte E-Mobilität für all jene, die erstmals vom Verbrenner umsteigen. Das macht er sehr effizient, ausreichend dynamisch und ohne dabei größere Kompromisse im Alltag einzufordern. Aber: Der Preis ist ambitioniert, und bei Ladeleistung sowie E-Auto-Funktionen bieten andere teils mehr.