Alpina B3 2.7 und B3 Biturbo Cabriolet – Reportage Dem Sturm verpflichtet
Bereits seit Mitte der 80er-Jahre interpretiert ALPINA das Thema BMW 3er-Cabriolet auf eigene Weise. Sonnige Impressionen einer Ausfahrt im B3 2.7 von gestern und im B3 Biturbo von heute
Es ist nicht mehr zu übersehen: Der erste offene 3er-BMW, das E30 Cabriolet, hat Karriere gemacht. Es hat sich vom Verbrauchswagen, den junge Erwachsene mit Spoilergetöse, tiefem Disco-Fahrwerk und Boah-ey-Auspuff auf unwürdige Weise zu Tode reiten, zum Liebhaberauto gewandelt, das in den letzten Jahren bis zur Verleihung des H-Kennzeichens nur noch im Sommer aus der Garage kommt.
Den Klassiker-Status hat der E30 zweifellos verdient. Denn er begründete 1985 die ungebrochene Tradition, dass jeder 3er auch als Cabrio gebaut wird. Und wie BMW hält es auch ALPINA, wo man sich aller Modellgenerationen des einst kleinsten BMW annahm und sie – nach Art des Hauses mit modifi zierter Technik und dezenten Eingriffen in Interieur und Exterieur – zum ALPINA B3 weiterentwickelte, der leistungsmäßig zwischen dem jeweils stärksten Serienmodell und dem M3 liegt.
Beim grünen Biturbo der aktuellen Baureihe E93 bedeutet dies: 360 PS und 500 Newtonmeter, wobei in diesem Frühjahr mit dem Facelift ein B3 S mit 400 PS und 540 Newtonmetern auf den Markt kommt.
Da wirken die Eckdaten des schwarzen B3 2.7 Cabrio von 1990, dessen Motor ALPINA aus Serien-Teilen sowie selbst entwickelten Komponenten wie geschmiedeten Kolben, überarbeitetem Zylinderkopf, Fächerkrümmer und durchsatzfreudiger Auspuffanlage baute, wie ein laues Lüftchen: Der 2,7 Liter große Sechszylinder bringt es auf 204 PS und 265 Newtonmeter.
Doch keine falschen Schlüsse bitte: Damit überbot der B3 2.7 den 325i um 34 PS und war zeitweise sogar stärker als der M3, dessen drehzahlhungriger Vierzylinder es anfangs auf nur 195 PS brachte.
FANFAREN VON BUCHLOE
Damals wie heute gilt, dass diese 204 PS ausnehmend gut im Futter stehen. Obwohl unser Fotoauto durch eine Wandlerautomatik mit nur vier Vorwärtsgängen ein wenig eingebremst wird, kann sein Temperament auf der Fahrt durch die Eifel immer wieder für Verblüffung sorgen.
Aus dem leicht unrunden Leerlauf heraus nimmt der 2,7-Liter seidig Drehzahl auf, zieht bis etwa 4000 Umdrehungen putzmunter und merklich kräftiger als ein 325i durch – und gibt dann bis rund 6500 Umdrehungen eine Zugabe, die in dynamischer wie akustischer Hinsicht hohes Suchtpotenzial besitzt.
Als hätten die Entwickler in Buchloe in der Software eine Art Fast-Forward-Funktion hinterlegt, strebt die orangefarbene Drehzahlmessernadel von einem zweiten Wind gepusht dem roten Warnbereich entgegen, während sich die zwei Auspuffendrohre in Trompete und Posaune verwandeln und eine fröhliche Fanfare blasen. Im nächsten Gang, der beim Kickdown leicht ruckelnd die Arbeit aufnimmt, geht das Spiel munter weiter, während Fahrer moderner Autos zum Teil sehr irritiert gucken. So alt – und so schnell?
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Naja, Tempo ist relativ. Das zeigt sich beim Umsteigen in den Biturbo, der durch seine größere, unübersichtlichere Karosserie und das durchgestylte Interieur mit Navigations- und iDrive-System weniger ursprünglich und irgendwie ernsthafter wirkt.
Dass er rund 350 Kilogramm schwerer ist als der B3 2.7, ist jederzeit zu spüren. Nicht nur wegen der geringeren Karosserieverwindungen, sondern auch in vermeintlich unwichtigen Details. Schalter und Tasten fühlen sich solider an, und die breiten, dick gepolsterten Sitze sind bequemer als die Pendants im schmal geschnittenen Vor-Vor-Vorgänger.
Langstreckentauglich sind die allerdings auch. Dank modernerer Radführungselemente und breiterer, besser haftender Reifen kann der Biturbo zwar Kreise fahren um den schmal bereiften B3 2.7, der wie seine Nachfolger Räder im klassischen ALPINA-Styling trägt – nur eben im winzigen 16-Zoll-Format. Doch der federleicht in der Hand liegende Oldie lenkt leichtfüßiger ein, obwohl seine Lenkung indirekter übersetzt ist.
Erst bei Geradeausfahrt verlieren die 1,7 Tonnen des aktuellen B3 Biturbo Cabriolet an Bedeutung, je näher das Gaspedal dem Bodenblech kommt. Der Biturbo, der leicht rau klingt wie ein Skilehrer nach einer Nacht mit viel Obstler und zu vielen Zigaretten, ist ein Mehrkämpfer mit drei Professorentiteln und allerbesten Umgangsformen. Er beherrscht das ganze Repertoire – vom flüsterleisen Rollen übers souveräne Antreten beim Zwischenspurt bis hin zum gewalttätigen Reißen bis 7000 Touren mit geschliffenem Nachladen der Sechsgangautomatik.
Unterm geschlossenen Blechdach lässt es sich gut reisen – mit nicht zu lautem Windrauschen selbst bei 240 km/h. Der B3 2.7 ist bei diesem Tempo (ja, das schafft er trotz nur 204 PS) eine sturmumtoste Raumkapsel, die jeden verstummen lässt. Spielt das Kassettenradio deinen Lieblingssong, gehst du besser vom Gas, um ihn genießen zu können. Im Biturbo drehst du einfach die Lautstärke höher.
Der E30 musste damals eben kein Alleskönner-Cabrio sein wie der E93, dessen dreiteiliges Dach per Knopfdruck im Kofferraum verschwindet. Also anhalten und mit wenigen Handgriffen das Stoffdach wegpacken, die Seitenscheiben runterfahren und die kleinen Sträßchen suchen. Leise summt der Reihensechser, der Blick gleitet beglückt übers ALPINA-Holz durch die kaum geneigte Windschutzscheibe, und plötzlich ist er da, der Master-Plan: B3 2.7 mit Saison-Kennzeichen, B3 Biturbo für alle Tage.
Michael Harnischfeger
AUTO ZEITUNG