Volvo begrenzt Höchstgeschwindigkeit: Kommentar
Aus der Not eine Tugend gemacht
Volvo wird ab Modelljahr 2021 die Höchstgeschwindigkeit seiner Neuwagen auf 180 km/h begrenzen. Damit wollen die Schweden das Image ihrer Marke unterstreichen, zu den sichersten Autoherstellern der Welt zu gehören. Ein Kommentar von autozeitung.de-Redaktionsleiter Markus Bach!
Nun wird es ernst: Ab Modelljahr 2021 fahren alle neuen Volvo maximal 180 km/h. Volvo-Chef Hakan Samuelsson begründet das mit dem ehrgeizigen Ziel der Schweden, nach dem kein Mensch mehr in einem neuen Volvo getötet oder schwer verletzt werden soll. Ein nobles Vorhaben. Zudem unterstreicht es das Image der Marke, zu den sichersten Autoherstellern der Welt zu gehören. Es war bereits der zweite Image-Coup, der Volvo in jüngerer Zeit gelang: So kündigten die Schweden öffentlichkeitswirksam an, ab 2019 komplett auf Elektromobilität zu setzen. Volvo selbst sprach von "einem der bedeutendsten Schritte, den je ein Automobilhersteller im Bereich Elektrifizierung unternommen hat." Allerdings: In vielen Medien wurde das als Abschied vom Verbrennungsmotor missinterpretiert. Mehr zum Thema: Volvo verfeinert sein SUV-Flaggschiff
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Kommentar: Volvo begrenzt Höchstgeschwindigkeit seiner Pkw
Volvo als Vorreiter in Sachen Umwelt und Sicherheit – die Schweden landeten mit beiden Ankündigungen Image-Punktsiege. Doch das ist – in beiden Fällen – nur die halbe Wahrheit: Sowohl das Tempolimit als auch die Elektro-Offensive sind keine freiwilligen Entscheidungen der Schweden. Beide werden von wirtschaftlichen und technischen Gründen diktiert. So hat sich Volvo seit der Übernahme durch den chinesischen Geely-Konzern von großvolumigen Sechs- und Achtzylindern verabschiedet. Die Entwicklung von komplett verschiedenen Motorfamilien ist für den im Vergleich mit VW und Daimler kleinen Hersteller nicht wirtschaftlich umsetzbar. Seitdem müssen zwei Vierzylinder für die gesamte Modellpalette bis hin zum großen XC90 reichen – ein Diesel und ein Benziner. Will der Kunde mehr Leistung, muss diese ein Elektromotor zuliefern. Hier sprechen wir jedoch von Hybriden – die Verbrennungsmotoren bleiben also weiterhin entscheidend. Das gilt auch für die Einführung der 48-Volt-Technik. Dadurch entstehen quasi milde Hybride, die nur extrem kurzes Rollen, etwa in Parklücken, rein elektrisch hinbekommen. Ganz nebenbei bemerkt: Auch die anderen Premiumhersteller setzen auf 48-Volt-Technik.
Volvo: Tempo-Beschränkung aus technischen und wirtschaftlichen Zwängen
In der Tempo-180-Offensive macht Volvo aus seiner Not ebenfalls eine Tugend: Von den beiden Vierzylindern taugt nur noch der Selbstzünder für zügige Autobahnfahrten über 200 km/h. Und auch der wird spätestens 2023 aus dem Programm genommen. Hier ist die Elektrifizierung ebenfalls die Lösung. Doch Plug-in-Hybride und vollelektrische Modelle eignen sich weder technisch noch wirtschaftlich für lange Strecken, die mit hohem Autobahntempo gefahren werden. Zudem können auch Fahrwerk und Bremsanlage günstiger konstruiert werden, wenn sie nur noch bei maximal Tempo 180 Sicherheit garantieren müssen. Die Idee der Tempo-Selbstbeschränkung aus technischen und wirtschaftlichen Zwängen ist übrigens nicht neu: So gelten auch für viele Lexus-Hybride Höchstgeschwindigkeiten von 177 und 180 km/h. Selbst das 223 PS starke Lexus RC 300h Sportcoupé ist bereits bei Tempo 190 abgeregelt. Noch eine Gemeinsamkeit zwischen Japanern und Schweden: Beide Marken verkaufen einen Großteil ihrer Modelle in den USA und Asien. Dort gelten noch drastischere gesetzliche Tempolimits als 180 km/h. Da fällt der im Verhältnis kleine deutsche Automarkt mit seinen unbeschränkten Autobahnen kaum mehr ins Gewicht. Mehr zum Thema: Bundesregierung erteilt Tempolimit eine Absage
Umfrage zum eingebauten Tempolimit von 180 km/h
Doch während Lexus über die Geschwindigkeitsbegrenzungen seiner Hybridmodell das Mäntelchen des Schweigens senkt, gehen die Volvo-Marketing-Strategen mit stolzer Brust in die Offensive. Und es zahlt sich aus: Tempolimit- und Elektrifizierung-Offensive passen gut zum alternativen Sicherheits- und Umweltimage der Schweden. Nur bei den Lesern der AUTO ZEITUNG stößt die Ankündigung auf Skepsis: Von 11.005 abgegebenen Stimmen in unserer Facebook-Umfrage lehnten 89 Prozent ein eingebautes Tempolimit von 180 km/h rundweg ab.