Ferrari 550 Maranello/Lamborghini Diablo SV: Classic Cars V12-Sportler aus Italien
Zwei italienische V12 im direkten Vergleich: Mit dem 550 Maranello folgte Ferrari 1996 erstmals seit 23 Jahren wieder der Ursprungs-Philosophie, Zwölfzylinder vorne in zweisitzige Sportwagen einzubauen. Lamborghini setzte auf den verrückten Diablo SV.
"Ein Pferd spannt man vor den Wagen, nicht dahinter!", soll der Commendatore schon beim Anblick des Ferrari 250 LM 1964 ausgerufen haben. Obwohl bekannt ist, dass Enzo Ferrari Frontmotoren bevorzugte, wurde 1973 mit dem Daytona die Produktion des vorerst letzten zweisitzigen Frontmotor-Ferraris eingestellt. Erst 1996 kehrte mit dem 550 Maranello die klassische Bauweise in die Serie zurück. Nicht nur die Nutzbarkeit im Alltag, sondern auch das Image sollte mit dem Gran Turismo aufgebessert werden. Währenddessen ging Lamborghini mit dem Diablo SV in die entgegengesetzte Richtung. Dessen Alltagstauglichkeit ist mehr als bescheiden – umso brutaler fährt sich das Monster aus Sant’Agata. Natürlich sind der Ferrari 550 Maranello und die puristische Version des Lamborghini Diablo mit dem Kürzel SV, das für "Sport Veloce" steht, zwei Sportwagen grundverschiedenen Charakters. Der Ferrari war längst eine Generation weiter, entfernte sich vom schieren Leistungsgedanken, wie er im McLaren F1, im Bugatti EB110, im Jaguar XJ220 und auch noch im Diablo ausgelebt wurde. Doch ein paar Gemeinsamkeiten gibt es doch. Zwei Zwölfzylinder mit jeweils rund 500 PS machen die Boliden deutlich über 300 km/h schnell, wobei der V12 des Ferrari vorne, der des Lambo als Mittelmotor eingebaut ist – genauso wie im Vorgänger des 550 Maranello, dem F 512 M.
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Ferrari 550 und Lambo Diablo im Vergleich
Der Ferrari war 1996 für 324.700 Mark das teuerste Auto seiner Art und auch das schnellste, der Diablo SV, entstanden anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Lamborghini Miura, hingegen überraschenderweise der billigste Sportwagen aus Sant’Agata: Sein Preis betrug damals 290.000 Mark, runde 50.000 weniger als für das Basismodell. Ausschlaggebend dafür war vor allem der aufs Nötigste reduzierte Innenraum des Diablo SV. Von einer solchen Kargheit kann im Ferrari nicht die Rede sein. Die Abkehr vom Mittelmotorkonzept wurde unter anderem mit dem Raumgewinn für Insassen und Gepäck erklärt. Tatsächlich finden in der langgestreckten Alukarosserie zwei Personen viel Platz zum Wohlfühlen. Das Gepäck passt am besten im maßgearbeiteten Kofferset verpackt in den Ferrari. Im Lamborghini herrscht dagegen reine Rennatmosphäre. Die eng an den Körper modellierten Schalensitze sind wie das Armaturenbrett mit schwarzem Alcantara bezogen, geben erstklassigen Seitenhalt, erzeugen aber auch mehr Reibungswiderstand beim Einsteigen, das in einem Diablo stets auch ein Hineinrutschen ist. Die höchste Zahl auf dem Tachometer im Diablo SV ist 360, im Ferrari 340; dafür verfügt der Lamborghini nur über fünf statt sechs Gänge.
Ferraris Flitzer fährt sich butterweich
Nach drei, vier Umdrehungen des Anlassers springt der kleinere der beiden V12 (5,5 Liter) mit einem leisen Grummeln an. Viel zu leise für einen Ferrari, denkt man. Gerade leise genug für die Zulassung in Kalifornien, antworteten die Italiener vor gut 20 Jahren. Der zweite V12 erwacht zum Leben wie ein isländischer Geysir: Erst bebt der Boden, dann zittert der Himmel, und beim ersten Gasstoß flattern die Trommelfelle im Sturm der Geräusche. Für den Diablo SV, bei dessen Entwicklung die Unmittelbarkeit des Fahrerlebnisses höchste Priorität besaß, wurde auch die Antriebsübersetzung verkürzt. Das Führen der Schalthebel durch die Kulissen will bei beiden Sportwagen geübt sein, hier und da hakelt es selbst beim ansonsten butterweich zu fahrenden Ferrari. Wer dessen Gaspedal bis zum Bodenblech durchdrückt, erlebt ein damaliges Novum: Eine Antriebs-Schlupf-Regelung zügelt sein üppiges Drehmoment von bis zu 569 Nm. Um den elektronischen Eingriff weniger autoritär zu gestalten, kann man das ASR in den Sport-Modus schalten. Der erlaubt dann wesentlich mehr Schlupf an der Hinterachse, verhindert aber immer noch ein unkontrolliertes Ausbrechen des Hecks. Wer über ein geschultes Popometer am verlängerten Rückgrat verfügt, kann es auch ganz ohne Elektronik versuchen. Selbst dann überrascht das Ferrari-Fahrwerk durch seine Neutralität. Erst bei kräftigeren Gasstößen kapitulieren Fahrwerk und Reifen vor der Motorleistung. Schnelles Gegenlenken bringt wieder Ruhe ins Geschehen. Gut drei Sekunden nimmt der 550 seinem Mittelmotor-Vorfahren 512 M auf der Ferrari-Teststrecke in Fiorano pro Runde ab. Und doch geschieht alles viel gelassener und müheloser als mit dem Vorgänger.
Nur für erfahrene Piloten: Lambo Diablo SV
Den Fahrer des Diablo SV wiederum hindert nichts und niemand daran, die volle Wucht von 580 Nm auf die Hinterräder zu werfen. Der SV hat puren Heckantrieb mit einem lediglich 45-prozentigen Sperrdifferential. Das im Vergleich zum normalen Diablo deutlich straffer abgestimmte Fahrwerk und die hinteren Walzen in der nicht ganz alltäglichen Dimension 335/35 R 18 sorgen für ein komplett unberechenbares Fahrverhalten, welches dem Fahrer wirklich alles abverlangt. Von Ruhe und Mühelosigkeit zu sprechen, fiele nicht einmal abgebrühten Piloten ein. Während der flache Blaue eine brachiale Fahrmaschine darstellt, die einen erfahrenen Beherrscher verlangt, erweist sich der Rote aus Maranello als ein einigermaßen zähmbares Biest, das sich mit viel Mut auch durch den dicken Verkehrsbrei der Rushhour bewegen lässt – sich dabei aber stets die Option enormer Kraftdemonstrationen offen hält. Hat man eine lange, möglichst abgesperrte Gerade vor sich, kann man bei 320 km/h die Landschaft wie ein Zerrbild an sich vorüberschießen lassen. Im Diablo SV ist dieselbe Empfindung noch ungefähr zehn Kilometer in der Stunde schneller erfahrbar, was in der Intensität des Erlebnisses aber keinen Unterschied mehr macht. Noch viel mehr ist jedoch während der puren Beschleunigungsorgie zu spüren: Der Lamborghini stürmt laut Werk in weniger als vier Sekunden von null auf 100 km/h, was auch heute noch einen absoluten Spitzenwert darstellt, und das bei einem Handschalter. Im Ferrari sind laut Messungen der AUTO ZEITUNG fünf Sekunden realistisch.
Der Ferrari 550 Maranello ist alltagstauglich
Schon 1995 ließ Ferrari-Boss Luca Cordero di Montezemolo verkünden, die Garage als Hauptaufenthaltsort für einen Ferrari habe ausgedient, die Nutzbarkeit zukünftiger Modelle würde steigen. Der 550 beweist, dass Ferrari die Idee von der Alltagstauglichkeit wirklich ernst nahm – nicht nur Innen- und Kofferraum wuchsen an, auch das vergleichsweise gutmütige Fahrverhalten ist eine Erwähnung wert. Lamborghini dagegen, bis 1994 mit Chrysler als Mutterkonzern sogar in amerikanischer Hand, orientierte sich mit dem SV noch mehr an der Purismus-Maschine Countach – für diejenigen, denen ein normaler Diablo zu komfortabel ist. Anzumerken sei noch der aktuelle Status der beiden Italiener: Während der rare Diablo SV in die Fußstapfen seiner legendären Ahnen tritt und einen ansehnlichen Wertzuwachs verzeichnen kann, hinkt der Ferrari seinen Mittelmotor-Vorgängern preislich hinterher. Eigentlich zu Unrecht, denn der 550 Maranello begründete eine neue, erfolgreiche Ära der Frontmotor-Ferraris, die bis heute andauert.
von Holger Eckhardt/Peter Pisecker
Technische Daten
Technische Daten | Ferrari 550 Maranello | Lamborghini Diablo SV |
Motor | V12 | V12 |
Hubraum | 5474 ccm | 5707 ccm |
Leistung | 485 PS | 510 PS |
Maximales Drehmoment | 569 Nm | 580 Nm |
Getriebe | Sechsgang | Fünfgang |
Antrieb | Hinterrad | Hinterrad |
0-100 km/h | 4,4 s | 3,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 320 km/h | 330 km/h |
Leergewicht | 1690 kg | 1530 kg |
L/B/H in mm | 45501935/1277 | 4470/2040/1115 |
Testverbrauch | 19,8 l/100 km | 22,8 l/100 km |
Bauzeit | 1966-2001 | 1995-1999 |
Stückzahl | 3600 | 120 |
Preis | 324.700 Mark (1996) | 290.000 Mark (1996) |
Marktlage | Ferrari 550 Maranello | Lamborghini Diablo SV |
Zustand 2 | 114.100 Euro | 215.000 Euro |
Zustand 3 | 73.600 Euro | 162.000 Euro |
Zustand 4 | 29.700 Euro | k.A. |
Wertentwicklung | fallend? | steigend ? |