Ferrari 458 Italia (2009): Retro-Testfahrt
Der 458 ist Formel 1-Technik pur
Für die Retro-Testfahrt begeben wir uns ins gut gefüllte AUTO ZEITUNG-Archiv: Hier finden wir Fahrberichte faszinierender Autos. Dieses Mal: den Ferrari 458 Italia von 2009.
Dario Benuzzi schaltet früh hoch – viel zu früh, der V8 im Heck verträgt immerhin 9000 Umdrehungen. Die lebende Testfahrer-Legende bei Ferrari treibt den neuen Ferrari 458 Italia lässig über die hauseigene Rennstrecke in Fiorano und demonstriert das enorme Leistungsvermögen des F430-Nachfolgers. Benuzzi hat während der vergangenen zwei Jahre wohl mehrere Wochen im neuen Sportwagen verbracht, unterstützt auch von Michael Schumacher, der wenigstens einmal im Monat hier in Fiorano seine Testrunden drehte. Stolz führt er die Funktionsvielfalt des neuen Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes vor: Am Ende der Start-Ziel-Geraden zieht er beim Anbremsen einfach dauerhaft am linken Schaltpaddel. Die Elektronik übernimmt den Rest und schaltet mehrere Gänge passgenau zum Drehzahllimit herunter – nur eines von vielen Technik-Highlights im neuen Mittelmotor-Ferrari.
Der Ferrari 458 Italia ist eine Neukonstruktion, Fahrwerk, Motor und Getriebe basieren aber auf ähnlichen Komponenten des Ferrari California. Der Radstand wuchs um fünf Zentimeter, auch nahezu alle anderen Maße legten leicht zu. Nur die Höhe blieb bis auf einen Millimeter gleich, die Spurweite an der Hinterachse schrumpfte sogar um einen Zentimeter. Dem Ferrari-Entwicklungsteam lag beim 458 Italia vor allem die Steigerung der Längsstabilität und eine Verringerung der Karosseriebewegungen am Herzen. Es übernahm das Radaufhängungsprinzip vom California mit Doppelquerlenkern vorn und einer Mehrfachlenker-Hinterachse. Letztere wurde auf besten Geradeauslauf getrimmt, die Verbesserung gegenüber dem Vorgänger F430 soll 35 Prozent betragen. Die Regelelektronik der adaptiven SCM-Dämpfer arbeitet mit Reaktionszeiten von einer Millisekunde. Die Grundeinstellung lässt sich wie viele andere Funktionen auch am Lenkrad verändern – unabhängig von den Einstellungen für ABS, Traktionskontrolle, ESP und Schaltcharakteristik. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Leslie & Cars fährt den Ferrari Roma Spider (Video):
Retro-Testfahrt mit dem Ferrari 458 Italia (2009)
Dario Benuzzi fegt seit Jahrzehnten über die bergigen Landstraßen rund um Maranello, um die passende Fahrwerksabstimmung herauszufiltern. Bei solchen Touren muss der Pilot die Hände kein einziges Mal vom Lenkrad nehmen: Bedienungen für Blinker, Scheibenwischer oder Fernlicht sind ins Volant integriert. Das erfordert einen kurzen Lernprozess. Geschaltet wird das sensationell sanft, ruckfrei und schnell agierende Getriebe über zwei feststehende Alu-Paddel. Wer es gemütlicher mag, lässt die Gänge automatisch wechseln. Doch selbst dabei verliert das Getrag-Getriebe nichts von seiner Spontanität. Eine manuelle Schaltung wird es für den Ferrari 458 Italia nicht geben. Benuzzis Demonstration ist vorüber, der wortkarge Italiener fordert zum Platztausch auf.
Das schon auf der Beifahrerseite empfundene großzügige Raumgefühl stellt sich auch hinter dem Lenkrad prompt ein. Das handliche Volant lässt genügend Einstellungsspielraum, aber das rechte Bein findet keine Abstützung an der Mittelkonsole, die nur aus dem kantigen Gehäuse der Klimaregelung besteht. Lediglich die Drehzahlmessernadel bewegt sich real, links und rechts zeigen zwei Displays alle weiteren Funktionen an. Auffällig: Links lässt sich der Vehicle Dynamic Assistant (VDA) aktivieren. Hier gibt eine Grafik in drei Schritten den Betriebszustand von Reifen, Bremsen, Motor und Getriebe an. Der VDA warnt so vor großen Belastungen bei zu niedrigen oder auch zu hohen Temperaturen.
Auch interessant:
Klanggewaltiger V8 im Rücken
Der klanggewaltige 4,5-Liter-V8 des Ferrari 458 Italia mit Benzin-Direkteinspritzung bellt heiser nach ein paar Anlasserumdrehungen. Die variable Geometrie seines Einlasstrakts wird lastabhängig über drei Klappen gesteuert, das Ansaugverhalten damit optimiert. Weitere effizienzsteigernde Maßnahmen sind eine ebenfalls optimierte Kurbelgehäuseentlüftung, die zweistufige Einspritzung und Kolben mit Grafit-Überzug. 127 PS pro Liter Hubraum leistet der Saugmotor, 80 Prozent seines maximalen Drehmoments von 540 Nm liegen zwischen 3250 und 9000 /min an. Das lässt sich nicht nur auf der Rennstrecke, sondern auch im Alltag sehr gut nutzen.
Die aerodynamisch ausgefeilte Karosserie reduziert den Luftwiderstand über Luftein- und -auslässe – wie an den vorderen Kotflügeln – und über flexible Flügel in der Frontmaske. Diese biegen sich bei Topspeed um 2,5 cm herunter und leiten den Luftstrom in die Kühler. Am Heck übernehmen die Kühler für Getriebe und Kupplung eine Spoilerfunktion. Im Fahrbetrieb flößt der Ferrari trotz der ultradirekten Lenkung augenblicklich Vertrauen ein, er kündigt alle Reaktionen früh genug an, und die Carbon-Keramik-Bremse lässt sich feinfühlig dosieren. Die erstmalig kombinierte Arbeitsweise aller fahrdynamischen Funktionen (inklusive Sport-ABS) macht sich bezahlt. Die Auswahl über den Drehregler am Lenkrad, den Manettino, gerät im Ferrari 458 Italia schnell zur Kulthandlung. Dario, Michael und wie ihr alle heißt, das habt ihr gut gemacht.
Von Holger Eckhardt
Technische Daten
AUTO ZEITUNG 2009 | Ferrari 458 Italia |
Technische Daten | |
Motor | 4,5-l-V8 |
Getriebe/Antrieb | 7-Gang; Doppelkupplung/Hinterrad |
Leistung | 578 PS/425 kW |
Max. Drehmoment | 540 Nm |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 4527/1937/1211 mm |
Leergewicht | 1485 kg |
Fahrleistungen (Werksangaben) | |
Beschleunigung (0-100 km/h) | 3,4 s |
Höchstgeschwindigkeit | 325 km/h |
Verbrauch auf 100 km (Werk) | 13,3 l SP |
Kaufinformationen | |
Basispreis (Testwagen) | 194.000 Euro |
Marktstart | 2009 |