BMW 5er GT und Mercedes R-Klasse im Vergleichstest Großer Grenzverkehr
BMW 5er Gran Turismo und Mercedes R-Klasse sind die Grenzgänger in der Oberklasse – Premium-Reisewagen zwischen Kombi, Sportcoupé, SUV, Van und Limousine. Doch welcher hat das bessere Crossover-Konzept?
Wir haben uns an das Schubladendenken gewöhnt. Limousine, SUV, Coupé, Van: Fast jedes Auto passt in die eine oder andere Kategorie, wirkliche Grenzüberschreiter – neudeutsch Crossover genannt – sind selten. Dass man es mit einem echten Crossover zu tun hat, merkt man spätestens dann, wenn die Testredaktion lang und hitzig über den richtigen Vergleichstestgegner debattiert. BMW 5er GT – fragende Gesichter, erste zaghafte Vorschläge: Citroën C6 oder doch lieber Mercedes R-Klasse? Die R-Klasse also. Wobei in diesem Fall erst der normale R 350 CDI 4MATIC mit kurzem Radstand im Fokus stand. Er hätte in Preis und Leistung besser zum 530d Gran Turismo gepasst. Zum Test-Zeitpunkt war jedoch nur der R 350 BlueTEC 4MATIC, den es nur in der Langversion gibt, verfügbar.
Karosserie
Der lange Radstand gereicht dem R im Karosseriekapitel jedenfalls nicht zum Nachteil. Hinter den beiden vorderen Sitzen tut sich eine luftige Halle auf, die in der Oberklasse ihresgleichen sucht. Da kann man glatt bei kleineren Umzügen auf den Miet-Sprinter verzichten, und selbst IKEA-Ausflüge verlieren ihren Schrecken. Denn ganz gleich, was die Gemahlin aussucht, die Kartons passen auf jeden Fall ins R-Heckabteil. Zudem kann der Mercedes-Raumgleiter optional mit einer dritten Sitzreihe im Fond (2618 Euro) geordert werden.
So etwas hat der BMW GT freilich nicht zu bieten. Schließlich sieht er sich eher als Grenzgänger zwischen Coupé, Kombi und Limousine. Dennoch hat auch er ausgesprochen viel Platz für Gepäck, und bei Bedarf lässt sich überdies der gesamte Rückraum in eine flache, leicht ansteigende Ladefläche verwandeln. Großzügigen Zugang zum Frachtabteil bietet dann die serienmäßige geteilte Heckklappe (siehe Seite 93). Und obwohl die Raumfülle im 5er GT natürlich nicht ganz mit jener der R-Klasse mithalten kann, sind vier Passagiere doch sehr ordentlich untergebracht. So genießen zum Beispiel die Fondpassagiere einen ähnlich großzügigen Knieraum wie etwa in einer ausgewachsenen 7er-Limousine.
Dennoch liegt der Stuttgarter am Ende des Karosseriekapitels vor dem Münchner. Auch weil er die bessere Sicherheitsausstattung mit Presafe und hinteren Seitenairbags sowie die überlegene Variabilität vorweist. Punkte macht der 5er mit seinem ausgesprochen hochwertigen Qualitätseindruck. In Materialauswahl und Finish kann der R nicht so ganz mithalten.
Karosserie | Max. Punkte | BMW 530d GT | Mercedes R 350 BlueTEC 4Matic |
---|---|---|---|
Raumangebot vorn | 100 | 91 | 93 |
Raumangebot hinten | 100 | 92 | 94 |
Übersichtlichkeit | 70 | 32 | 30 |
Bedienung/ Funktion | 100 | 83 | 78 |
Kofferraumvolumen | 100 | 46 | 77 |
Variabilität | 100 | 50 | 65 |
Zuladung/ Anhängelast | 80 | 39 | 48 |
Sicherheit | 150 | 105 | 112 |
Qualität/ Verarbeitung | 200 | 189 | 183 |
Kapitelbewertung | 1000 | 727 | 780 |
Fahrkomfort
Es gibt selbst in der Oberklasse kaum bessere Sitzmöbel als die optionalen Komfortsitze von BMW (2260 Euro). Beim 5er GT kann man sie sogar für die Fondpassagiere ordern, das kostet 1960 Euro extra und hat den Nachteil, dass gelegentlich mitreisende Familienmitglieder dann kaum noch aussteigen mögen. Solchen Luxus gibt es im R 350 BlueTEC nicht, doch auf dessen Seriensitzen reist es sich beinahe genauso gut. Deutlich schlechter ist der Sitzkomfort dagegen im Fond. Hier erinnert die R-Klasse fast an einen Van, denn die Sitze sind eher klein geraten. Im GT kann man sich dagegen entspannt in die üppigen Einzelfauteuils lümmeln.
Beim Federungskomfort weiß der Bayer ebenfalls zu überzeugen. Sein Fahrwerk spricht sensibel auf feine Unebenheiten an und wird auch mit Grobem sehr ordentlich fertig. Der luftgefederte (Airmatic: 1392 Euro) Schwabe wirkt im direkten Vergleich nicht ganz so feinfühlig.
Fahrkomfort | Max. Punkte | BMW 530d GT | Mercedes R 350 BlueTEC 4Matic |
---|---|---|---|
Sitzkomfort vorn | 150 | 135 | 123 |
Sitzkomfort hinten | 100 | 91 | 71 |
Ergonomie | 150 | 122 | 119 |
Innengeräusche | 50 | 44 | 39 |
Geräuscheindruck | 100 | 78 | 73 |
Klimatisierung | 50 | 46 | 45 |
Federung leer | 200 | 168 | 163 |
Federung beladen | 200 | 164 | 165 |
Kapitelbewertung | 1000 | 848 | 798 |
Motor und Getriebe
Wie eigentlich alle Münchener Diesel ist auch der 245 PS starke Dreiliter des 530d ein Muster an Ausgewogenheit. Er läuft schwingungsärmer als der gewiss nicht schlechte, dank SCR-Katalysator nach Euro-6-Norm saubere V6 des Mercedes, hängt besser am Gas und realisiert Fahrleistungen auf dem Niveau kompakter Sportwagen: 6,8 Sekunden auf 100 km/h sind ein Wort, auf das der nur 211 PS starke, viel schwerere R 350 mit 9,8 Sekunden keine Antwort weiß.
Im Zusammenspiel mit der unauffällig schnellen Achtstufenautomatik erarbeitet sich der 530d gegenüber dem R 350 BlueTEC mit seiner ebenfalls sehr geschmeidigen Siebenstufenautomatik zudem gut einen Liter Minderverbrauch. Dass der BMW den 220 km/h schnellen Mercedes in der Spitze um 20 km/h übertrumpft, komplettiert das Bild einer in jeder Beziehung gelungenen Antriebseinheit.
Motor und Getriebe | Max. Punkte | BMW 530d GT | Mercedes R 350 BlueTEC 4Matic |
---|---|---|---|
Beschleunigung | 150 | 125 | 103 |
Elastizität | 100 | ||
Höchstgeschwindigkeit | 150 | 83 | 68 |
Getriebeabstufung | 100 | 96 | 94 |
Kraftentfaltung | 50 | 39 | 36 |
Laufkultur | 100 | 80 | 75 |
Verbrauch | 325 | 207 | 186 |
Reichweite | 25 | 14 | 14 |
Kapitelbewertung | 1000 | 644 | 576 |
Fahrdynamik
Das Mercedes-Fahrwerk scheint einzig und allein auf ein ruhiges Dahingleiten ausgelegt zu sein. Hektik ist dem Allradler fremd, Dynamik allerdings auch – trotz optionaler 19 Zöller (815 Euro) und adaptiver Luftfederung. In Kurven wirkt die R-Klasse ausgesprochen sperrig. Die Lenkung vermittelt zu wenig Rückmeldung und unterstreicht mit großen Lenkwinkeln den behäbigen Eindruck der langen R-Klasse. Allerdings bleibt der ausgeprägt untersteuernde Mercedes bei allen Fahrmanövern ruhig und gelassen.
Der BMW indes vermittelt ein erheblich agileres Fahrgefühl und lässt im eiligen Kurvengeschlängel sein üppiges Gewicht und die stattlichen Abmessungen fast völlig vergessen. Diesen Eindruck unterstützen natürlich auch die im Testwagen verbaute Integral-Aktivlenkung (1750 Euro) sowie das Adaptive-Drive-System (aktive Stabilisatoren, 3000 Euro) und nicht zuletzt die optionalen, 19 Zoll großen Räder (ab 1500 Euro). Die Aktivlenkung regelt sowohl die Lenkkraft als auch das Übersetzungsverhältnis variabel in Abhängigkeit zum Fahrzustand
– und zwar an allen vier Rädern.
Bei niedrigem Tempo reagiert der 5er bereits auf kleine Lenkimpulse und dreht die Hinterräder um maximal 2,5 Grad gegenläufig zur Richtung der Vorderräder. Bei hohem Tempo lenken die hinteren Räder in dieselbe Richtung. Außerdem steuert die Hinterachse aktiv einem ausbrechenden Heck bei Vollbremsungen auf unterschiedlich griffigem Belag entgegen.
Die Aktivlenkung erschwert es dem Fahrer jedoch, ein sicheres Gefühl für die Reaktionen des Autos zu entwickeln. Das ist aber auch nicht unbedingt nötig, weil man auch so intuitiv stets den richtigen Lenkwinkel trifft und der BMW selbst bei extremen Fahrmanövern gelassen bleibt.
In engen Passagen verlangt nicht nur die schiere Breite des 5er Konzentration, sondern auch das zackige Ansprechen der Lenkung, das zuweilen ungewollt deutliche Kurskorrekturen nach sich zieht.
Fahrdynamik | Max. Punkte | BMW 530d GT | Mercedes R 350 BlueTEC 4Matic |
---|---|---|---|
Handling | 150 | 79 | 48 |
Slalom | 100 | 61 | 37 |
Lenkung | 100 | 80 | 60 |
Geradeauslauf | 50 | 41 | 39 |
Bremsdosierung | 30 | 22 | 16 |
Bremsweg kalt | 150 | 92 | 68 |
Bremsweg warm | 150 | 89 | 77 |
Traktion | 100 | 55 | 80 |
Fahrsicherheit | 150 | 135 | 130 |
Wendekreis | 20 | 8 | 1 |
Kapitelbewertung | 1000 | 662 | 556 |
Umwelt und Kosten
Mit der klassenüblichen Ausstattung wie Navigation, Leder, Xenonlicht und Metalliclack kosten beide Reise-Spezialisten weit über 60.000 Euro. 55.200 (BMW) und 59.619 Euro Grundpreis (Mercedes) sind also längst nicht die ganze Wahrheit.
Dass der in allen Belangen gewiss nicht billige BMW dieses Kapitel trotz der schlechteren Garantieleistungen gewinnt, hat noch weitere Gründe: Trotz zukunftssicherer Euro-6-Einstufung verliert der R 350 BlueTEC innerhab von vier Jahren fast 7000 Euro mehr an Wert. Zudem ist er sowohl in der Wartung als auch bei Versi-cherung, Treibstoff und Steuern teurer als der 530d GT.
Kosten/Umwelt | Max. Punkte | BMW 530d GT | Mercedes R 350 BlueTEC 4Matic |
---|---|---|---|
Bewerteter Preis | 675 | 103 | 94 |
Wertverlust | 50 | 12 | 9 |
Ausstattung | 25 | 15 | 15 |
Multimedia | 50 | ||
Garantie/Gewährleistung | 50 | 20 | 27 |
Werkstattkosten | 20 | 14 | 12 |
Steuer | 10 | 6 | 5 |
Versicherung | 40 | 23 | 20 |
Kraftstoff | 55 | 35 | 32 |
Emissionswerte | 25 | 80 | 84 |
Kapitelbewertung | 1000 | 308 | 298 |
Fazit
Gern gebe ich zu, dass ich dem 5er GT zuerst ein wenig ratlos gegenüberstand. Nach ein paar Tagen Vergleichstest weiß ich: Er vereinigt das Beste aus allen Welten, ist Sportcoupé, Kombi und Limo für vier in einem. Inklusive der sprichwörtlichen BMW-Dynamik. Der Mercedes R 350 BlueTEC hat seine Stärken als komfortables Raum-Reisefahrzeug mit SUV-Genen. Dynamisch kann er mit dem BMW GT nicht mithalten.
Gesamtbewertung
Max. Punkte | BMW 530d GT | Mercedes R 350 BlueTEC 4Matic | |
---|---|---|---|
Summe | 5000 | 3189 | 3008 |
Platzierung | 1 | 2 |