Unter Automobil-Enthusiasten heißt er schlicht „Turbo“. Und jeder weiß, wer damit gemeint ist: der stärkste Porsche 911. Er ist für viele der Sportwagen schlechthin
Eckdaten
PS-kW
650 PS (478 kW)
Antrieb
Heckantrieb, 6 Gang manuell
0-100 km/h
3.5 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit
360 km/h
Preis
194.500,00€
Auch wenn in der letzten Zeit eher die schwächeren Saugmotorvarianten für Erfolge auf den Rennstrecken sorgen, der Turbo ist schlicht die Krone der 11er-Schöpfung. Doch nach dem Start des neuen Porsche 997 ist die Chefposition verwaist. Zwar bauen die Zuffenhausener noch das Vorgängermodell weiter, doch die Fangemeinde wartet sehnsüchtig auf den neuen Turbo, der allerdings erst nächstes Jahr präsentiert wird. Porsche-Spezialist Ruf hatte ebenso wenig Lust zu warten wie seine Kundschaft. Also entwickelten Alois Ruf und seine Mannschaft unter Hochdruck die zwölfte Turbo-Generation – mal wieder schneller als das Werk. Da steht er jetzt, in leuchtendem Blutorange, einer alten Porsche-Farbe. Die einen macht er erst mal sprachlos. Die anderen, wie Ruf-Marketingleiter Marc Bongers, können vor Stolz kaum an sich halten: ... "harmonische Kraftentfaltung" ... "sehr präzise Handling-Eigenschaften"... Der eigene Wahrnehmungsbereich hat keinen Platz für die schönen Worte. Die Optik des Rt 12 verlangt nun mal volle Aufmerksamkeit. Schon die dynamisch gestaltete Front unerscheidet ihn deutlich vom Serienmodell. Typisch sind die breiten hinteren Kotflügel. Erstmalig bei Ruf komplett aus Blech gefertigt und je Seite drei Zentimeter breiter als das Original. Die Lufteinlasskanäle zu den zwei Ladeluftkühlern sitzen direkt über den Hinterrädern. Und die komplett aus Kohlefaser bestehende Motorraum-Klappe mit integriertem Heckspoiler und dem darüber thronenden Carbon-Leitwerk ist Kunst am Bau. Man steht davor und staunt. Die vier dicken Abgasendrohre fallen da kaum noch auf. Eine Firma, die schon seit Jahrzehnten Porsche-Modelle veredelt, hat natürlich einen Sinn fürs Traditionelle. Im Rt 12-Innenraum zitiert Ruf die historischen Porsche-Zeiten: Die Skalierung der Instrumente ist grün illuminiert, wie früher. Die Liebe zum Detail fällt ins Auge; das Karo-Muster der Sportsitze stammt aus guten alten Tagen. Ruf weiß also, was gefällt. Doch weit mehr als das begeistern Porsche-Liebhaber die fahrdynamischen Qualitäten. Und davon gibt’s genügend, denn erstmals schlägt im Heck ein 3,8-Liter-Herz. Basierend auf dem stabilen, wassergekühlten Grundmotor, wie er schon einst im Porsche 962 zum Einsatz kam, entwickelte Ruf eine extrem leistungsfähige und zudem absolut alltagstaugliche Variante mit exakt 3746 Kubikzentimeter Hubraum, zwangsbeatmet von zwei modifizierten 3K-Turboladern. Wenn es um die Leistungsfähigkeit der Triebwerke geht, dann kann ein Rt 12-Interessent allerdings stets davon ausgehen, dass er von Ruf auf sehr sympathische Art belogen wird. Das Untertreiben hat Tradition bei der Firma, die seit 1981 den Herstellerstatus hat. Auf exakte Werte will sich Entwicklungschef Hans Kerler einfach nicht festlegen. Er verspricht 650 PS und hat dabei stets die Produktionsstreuungen im Kopf. In Wahrheit dürften es echte 700 PS sein. Jetzt gibt es kein Halten mehr, Schluss mit der ganzen Theorie. Zündschlüssel rum und Abfahrt. Erstmal geht’s durch eine kleine Ortschaft im Oberallgäu. Ruckfrei rollt der Rt 12 dumpf grollend durch das Dorf. Komisch: Keiner dreht sich nach ihm um – die Leute hier kennen die Rufs. Dann endlich, am Ortsschild, endet die Dorfidylle. Bewusst bleibt der Schalthebel in der dritte Stufe, denn nichts ist schöner als ein lang-anhaltender Turbo-Schub. Tief zieht der Motor die Luft ein, baut Druck auf. Und schießt so erbarmungslos nach vorn, als hätte Captain Kirk plötzlich Warp 8 befohlen. Die 305er-Reifen unserer heckangetrieben Variante krallen sich in den Asphalt. Blitzartig sind 7000 Umdrehungen erreicht. Zischend bläst das Pop-off-Ventil den Überdruck ab – und weiter geht der Spaß in Gangstufe vier. Beschleunigungswerte? Fast unerheblich, denn dieses Erlebnis brennt sich ein, nicht nackte Zahlen. Der Weg in die Sucht ist frisch geteert. Für Träumer taugt der neue Ruf allerdings nicht. Im Kurvengeschlängel braucht auch der Rt 12 die volle Aufmerksamkeit – trotz präziser Lenkung und unglaublich feinfühlig zu dosierender Bremse. Wer diesen Sportler in seinen Grenzbereich führen will, sollte abgesperrtes Gebiet aufsuchen; im öffentlichen Verkehr ist dafür kein Raum. Die Gefahr, dass dieses perfekt abgestimmte und extrem leistungsfähige Auto schlecht behandelt wird, ist zwar nie ganz auszuschließen. Doch es ist wahrscheinlicher, dass einer, der mindestens 194500 Euro angespart hat, sein Investment auch lange und intensiv genießen will. Das sieht man auch auf dem Parkplatz vor dem Firmengebäude von Ruf. Da stehen gerade zwei CTR aus den 80ern. Nach 150000 Kilometern mussten sie mal kurz zur Inspektion. Martin Hube