Mitsubishi 3000 GT "Beckenbauer Edition": Classic Cars
Eine Kaiser-Gedächtnisrunde
Pffffftttttt. Das Pfeifkonzert steigert sich in immer schrillere Tonlagen, als wir uns der Allianz-Arena nähern. Doch der Lärm kommt keineswegs aus dem riesigen Stadion. Das steht heute leer, weil der FC Bayern auswärts kickt. Ruhestörer sind die beiden Turbolader des gelben Sportcoupés Mitsubishi 3000 GT "Beckenbauer Edition".
Die Fahrt im japanischen Extremsportler hat uns keineswegs zufällig nach München, in die Heimat des FC Bayern, geführt. Denn wir bringen den Mitsubishi 3000 GT "Beckenbauer Edition" heute ein Stück weit nach Hause zurück, begeben uns damit auf die Spuren von Franz Beckenbauer. Was der 3000 GT mit dem FC Bayern, geschweige denn mit Kaiser Franz zu schaffen hat? So ein Subaru Libero hätte doch viel besser gepasst, möchte man heute meinen. Drehen wir die Zeit zurück: In der Winterpause der Saison 1993/94 übernimmt Vizepräsident Beckenbauer das Traineramt der schwächelnden Bayern. Zur gleichen Zeit steht sich das Mitsubishi-Flaggschiff, der 3000 GT, bei den deutschen Händlern die Reifen platt. Das Auto ist zu teuer, die Marke bietet zu wenig Prestige. Beckenbauer, der damals auch ungekrönter König der virtuosen Selbstvermarktung ist, unterschreibt einen Werbevertrag mit der Marke. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Mitsubishi auf der Japan Mobility Show 2023 im Video:
Classic Cars fährt die Mitsubishi 3000 GT "Beckenbauer Edition"
Der Franz Beckenbauer und Mitsubishi – daraus werden Events, Anzeigenmotive, Autogrammkarten. Und eine Sonderserie des 3000 GT namens "Beckenbauer Edition". Dazu holt die Firma 30 Stehzeuge von den Händlern zurück, lackiert sie gelb, schraubt sündhaft teure OZ-Felgen sowie Remus-Auspuffanlagen dran, lässt den Kaiser unterschreiben und die Fahrzeuge an die nun etwas motivierteren Kund:innen ausliefern. Auch Beckenbauer bekommt einen zur Verfügung gestellt, den er wegen des Allradantriebs in seiner verschneiten Wahlheimat Kitzbühel in Österreich zu schätzen weiß. Und sicherlich ist er auch das Gefährt der Wahl, wenn es über die Autobahn 8 zum Mannschaftstraining an der Säbener Straße geht.
Heute bewegen wir Nummer 24 durch die Dämmerung der Landeshauptstadt. Den Wagen hat Mitsubishi Deutschland 2018 gekauft und liebevoll restauriert. Offiziell leistet der 3000 GT 286 PS (210 kW) – ein Bereich, in dem andere japanische Sportwagen auch liegen. Es ist eine vernünftige Übereinkunft, um den PS-Kampf der frühen 90er nicht eskalieren zu lassen und die Person am Steuer nicht zu gefährden. Die tatsächliche Leistung dürfte aber 40 PS darüber liegen. Und dank der Auspuffanlage und eines Chiptunings bringt es der Mitsubishi 3000 GT "Beckenbauer Edition" sogar auf über 400 Pferde.
Auf der Hausnummer pappt ein Aufkleber von Erzrivale 1860 München
Franz Beckenbauers Karriere ist tief mit dem FC Bayern München und der Stadt verwoben. Am 11. September 1945 erblickt er in München-Giesing das Licht der Welt. Der Fußball ist ihm förmlich in die Wiege gelegt. Direkt gegenüber seines Geburtshauses in der Zugspitzstraße 6 liegt der Fußballplatz, auf dem er den größten Teil seiner Kindheit verbringt. Als wir mit dem Mitsubishi 3000 GT "Beckenbauer Edition" dort eintreffen, befindet sich das Spielfeld in Totalsanierung, auch am Haus wird renoviert. Ironischerweise klebt auf der Hausnummer ein abgeblätterter Sticker von 1860 München – jener Verein, zu dem der 13-jährige Beckenbauer fast gewechselt wäre, hätte ihm ein Spieler dieses Teams nicht eine Ohrfeige verpasst. Stattdessen geht er zum Lokalrivalen FC Bayern und schreibt Geschichte.
Während sich der Beckenbauer-Mitsubishi langsam warmläuft, führt der Weg zum Olympiapark, wo die Lichtgestalt der Kaiser seine hellsten Momente erlebte. Auf den ersten Metern könnte man meinen, der Drehzahlmesser sei defekt – verantwortlich ist vor allem die ellenlange Übersetzung des ersten Gangs. Die Sitze bieten eine alltagskompatible Kombination aus Griffigkeit und Komfort, der Technik-Fan kann sich an Spielereien wie dem LCD-Bildschirm für die Klimaanlage oder dem Schalter für das manuelle Ausfahren des Heckspoilers ergötzen. Als die futuristische Zeltstruktur hinter den Bäumen auftaucht, erinnern wir uns an eine Glanzzeit des FC Bayern mit Beckenbauer als Libero. Ab 1972 deklassierten die Münchener ihre Gegner dort regelmäßig vor bis zu 80.000 Zuschauenden. Den Höhepunkt bildete jedoch zweifellos der WM-Finalsieg gegen die Niederlande 1974. Eine ganze Nation war elektrisiert, Kinder der Siebziger erinnern sich Jahrzehnte später an das Endspiel. Große Geschichte.
Die schnellste Autogrammkarte der Welt
Vom Olympiapark fahren wir zu der aktuellen Spielstätte der Bayern. Die Allianz-Arena ist gleich aus zwei Gründen mit Franz Beckenbauer verbunden: Er war gelernter Versicherungskaufmann und arbeitete in jungen Jahren als Sachbearbeiter bei jener Allianz, die später Sponsor für das Stadion seines Vereins werden sollte. Als Präsident war Beckenbauer dann auch einer der Hauptverantwortlichen für die Planung in den frühen 2000ern. Auf den freien Straßen dort draußen fühlt sich das Sportcoupé merklich wohler als im dichten Stadtverkehr. Zeit, den 3000 GT in den Schubmodus zu versetzen: Klappscheinwerfer auf, Heckspoiler hoch (sieht von innen cooler aus als von außen), runterschalten und das Gaspedal in den grünen Teppich pressen. Der V6 dreht auf, die Tachonadel kämpft sich unter wilden Turbopfiffen nach oben, während sich die Ladedruckanzeige vor Freude nicht mehr einkriegt. "Da legst di nieder", würde der Kaiser sagen. Der Mitsubishi 3000 GT "Beckenbauer Edition" ist nicht nur schnell für ein altes Auto, sondern auch für heutige Begriffe. Die wohl schnellste Autogrammkarte der Welt.
Auf der Säbener Straße ist seit jeher regelmäßig Sportwagenschau. Ein Stopp muss noch sein, allein schon, weil Beckenbauers Mitsubishi dort wohl die meiste Zeit auf dem Parkplatz verbracht hat. Die Säbener Straße, seit jeher Trainingslager des FC Bayern. Die letzten Pendler:innen verlassen das Hightech-Vereinsheim, die Allee wirkt fast wie ausgestorben. Nur hin und wieder zieht ein Radlfahrer vorbei. Die Sonne ist schon längst untergegangen, dafür leuchten die Vereinsfarben durch die Glasfront auf den gelben 3000 GT. Dort haben sie alle schon mit ihren Sportwagen gestanden. Müller, Hoeneß, Maier, Breitner, Rummenigge. Natürlich auch der Franz mit seinen Autos: Mit BMW 3.0 S und 2800 CS, mit Corvette, Mercedes W116, sogar mit einem Ford Fiesta. Und dann 1994 mit dem Mitsubishi 3000 GT. Die Meisterschaft 1993/94 konnte Beckenbauer in seiner ersten Saison als Trainer der Bayern übrigens gewinnen – ob und welche Rolle das japanische Sportcoupé dabei spielte, ist nicht überliefert. Es sollte gleichzeitig der letzte deutsche Meistertitel für den Kaiser werden.
Technische Daten der Mitsubishi 3000 GT "Beckenbauer Edition"
Classic Cars 01/2020 | Mitsubishi 3000 GT |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 6/4; Turbo |
Hubraum | 2972 cm³ |
Leistung | 210 kW/286 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 407 Nm 3000/min |
Getriebe | 5-Gang-Manuell |
Antrieb | Allrad |
L/B/H | 4570/1840/1285mm |
Leergewicht | 1745 kg |
Bauzeit | 1990 - 1999 |
Stückzahl | 86.151 |
Beschleunigung | 0 auf 100 km/h in 6,4 s |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Verbrauch | 20,3 l/100 km |
Grundpreis (Jahr) | 120.000 Mark (1994) |