Mercedes S 63 AMG 4Matic Coupé: Bilder und technische Daten Kraft und Stille
Kernig und schnell oder lautlos lässig? Mit dem Mercedes S 63 AMG 4Matic Coupé geht beides. Schwer zu sagen, was sich besser anfühlt. Fahrbericht
Es ist wie ein Reflex. Wer das Glück hat, ein Auto mit dem Kürzel AMG am Heck zu fahren, will meist nur noch das eine: endlich mal wieder beherzt Gas geben. Im S 63 AMG 4MATIC Coupé wählt man dazu das Getriebefahrprogramm S. Die kennfeldgesteuerten Abgasklappen in den beiden Endschalldämpfern öffnen dann schon früh und bringen den Klang des 5,5-Liter-V8 auf betörende Weise zu Gehör.
Alles frei? Gut. Jetzt also das rechte Pedalvoll durchtreten. Augenblicklich stehen 900 Newtonmeter unter der mit zwei Längsfalten verzierten Motorhaube bereit und man wird mitunerbittlicher Kraft in den luxuriösen Sitz gedrückt. Ein irres Gefühl. Der Haken: Bereits 3,9 Sekunden später verbietet sich ein weiteres Beschleunigen, zumindest auf deutschen Landstraßen.
Ist keine unbeschränkte Autobahn in der Nähe, empfiehlt sich deshalb alternativ die folgende völlig andere Gangart – jene des Power-Schleichens. Und die geht so: Getriebe auf C für effizientes Fahren. Das Gas nicht voll durchtreten, sondern höchstens halb. Vom Motor ist jetzt nur noch ein fernes Säuseln zu hören. Über das Touchpad zwischen den Vordersitzen das High-End 3D-Surround-Soundsystem ansteuern. Eine möglichst dramatische Musik aussuchen, zum Beispiel Strauss’ sinfonische Dichtung über den altiranischen Priester Zarathustra.
Voll aufdrehen. Dem berühmten Anfangs-Crescendo lauschen und warten, bis knapp zwei Minuten später das Getöse des Orchesters vorbei ist. Wenn schließlich auch die nachklingende Orgel verstummt, erlebt man diesen besonderen Moment: äußere und innere Ruhe. Keinerlei störende Geräusche dringen zum Ohr des Fahrers vor. Das Abrollen der Reifen – scheinbar lautlos. Keine Verwirbelungen an den Außenspiegeln. Kein Fahrtwind-Pfeifen. Einfach nichts.
Mercedes S 63 AMG 4Matic Coupé: Dynamische Stille
Jetzt ist der S 63 zweifellos der leiseste AMG aller Zeiten. Er schenkt seinem Fahrer das Gefühl, mit sich und der Welt da draußen im Reinen zu sein. Und zwar ganz gleich, ob der Tacho 30, 100 oder 200 km/h anzeigt. Oder wenn ein nervöser Sportwagenfahrer am Heck klebt. Man könnte ja. Wenn es denn nötig wäre. Die größten Ereignisse, das sind eben nicht unsere lautesten, sondern unsere stillsten Stunden. Um nochmal Zarathustra zu bemühen. Aber diesmal den von Nietzsche.
Natürlich kommt die Stille nicht von ungefähr. Hermann-Joseph Storp, Entwicklungsleiter der S-Klasse bei Mercedes-Benz, kann aus dem Stand ein Referat über das ausgeklügelte Dichtungskonzept des Coupés halten. Aber eigentlich genügt es, die Tür bewusst ins Schloss zu werfen. Früher machte ein Mercedes dabei dieses satte, druckvolle Geräusch, so wie man es mit einer Tresortür assoziiert. Dieser hier macht hingegen eher plopp. Dann zieht eine unsichtbare Hand die Tür ganz heran, während die dicken Doppelglasscheiben der Seitenfenster dezent den letzten Spalt schließen. Von nun an haben Störgeräusche keine Chance mehr.
Zugegeben, der Preisaufschlag für die AMG-Version gegenüber dem normalern Mercedes S-Klasse Coupé ist nicht unerheblich. Knapp 45.000 Euro mehr kostet das 585 PS starke Coupé verglichen mit dem S 500 und seinem 455 PS starken 4,7-Liter-Motor. Diese Preise beziehen sich jeweils auf die Version mit permanentem Allradantrieb. Aber wer vom S 500 in den AMG umsteigt, merkt sofort den Unterschied: Zwar ist man bereits mit dem kleineren V8 weit überdurchschnittlich motorisiert. Aber der S 63 hat noch einmal deutlich mehr Power.
Das merkt der Fahrer nicht erst, wenn er das AMG Driver’s Package geordert hat, wodurch die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 300 km/h angehoben wird. Schon bei Landstraßentempo fühlt sich der S 63 wesentlich agiler an, untersteuert später und erlaubt höhere Kurvengeschwindigkeiten als der sanfter ausgelegte S 500. Hauptgrund dafür ist das Sportfahrwerk, das an der Vorderachse ein Grad mehr Sturz hat und an der Hinterachse ein steiferes Fahrschemellager. In Verbindung mit dem permanenten Allradantrieb ist zudem die Luftfederung Airmatic mit ihrem adaptiven Dämpfungssystem an Bord.
Wer möchte, kann das S 63 AMG Coupé ab Oktober aber auch mit Hinterradantrieb ordern. Dieses verfügt über die spektakuläre Kurvenneigetechnik. Dabei handelt es sich um eine neue Zusatzfunktion des aktiven Fahrwerks mit Magic Body Control. Sie ermöglicht ein außergewöhnliches Fahrerlebnis, indem sich die Karosserie ähnlich einem Motorradfahrer in die Kurve neigt. Die auf die Insassen wirkende Querbeschleunigung wird dabei anders wahrgenommen, weil man nicht nach außen gedrückt wird, sondern mittig in den Sitz. Schneller fährt das Auto dadurch zwar nicht. Aber der Komfortgewinn ist verblüffend. Und macht ähnlich Spaß wie die Fahrt in einem Kettenkarussell.
Technisch stützt sich das System auf die bekannte Active Body Control (ABC), bei der jedes Federbein über Hydraulikzylinder individuell angesteuert werden kann. Abhängig von der durchfahrenen Kurve verschiebt das System zusätzlich den Fußpunkt der Federbeine, sodass sich der Aufbau in Sekundenbruchteilen in die Kurve neigt. Wann wie viel Neigung erforderlich ist, wird anhand der Informationen aus einer Stereokamera hinter der Frontscheibe errechnet. Auch ein Querbeschleunigungssensor ist beteiligt. Eine aufwändige Technik, die in dieser Form aktuell kein anderer Hersteller zu bieten hat.
Für besonders entspanntes Reisen auf langen Strecken haben die Ingenieure dem AMG S-Klasse Coupé noch eine Vielzahl weiterer Annehmlichkeiten mitgegeben. Hervorzuheben ist beispielsweise das serienmäßige Glas-Panoramadach, das sich über zwei Drittel der Dachfläche erstreckt – optional lässt sich die Lichtdurchlässigkeit der großen Scheibe per Knopfdruck verändern. Oder die aufwändige Klimatisierung, die auf Wunsch die Innenraumluft durch einen Aktivkohlefilter reinigt und beduftet. Und schließlich die Vordersitze mit mehrfach einstellbarer Massagefunktion, Heizung und Belüftung.
Trotz dieser Fülle an Extras konnte Mercedes das Gewicht des S 63 AMG 4 MATIC Coupé noch ein- mal um 65 Kilogramm gegenüber dem des Vorgängers reduzieren. Allein der Einsatz einer Lithium-Ionen-Batterie brachte eine Einsparung von rund 20 Kilogramm. Ein Fortschritt, der sich auch positiv auf den Verbrauch auswirkt: Im Schnitt kommt der Motor mit 10,3 Litern auf 100 Kilometern aus. Wer sagt eigentlich, dass Traumwagen nicht sparsam sein können?
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Gerrit Reichel