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Geht auch ganz einfach:

Legendäre Mercedes 300er im Vergleich

Die unendliche Geschichte

Christian Steiger Freier Mitarbeiter
Inhalt
  1. Im Vergleich trägt auch der Mercedes 300 SEL W140 die Zahl mit Würde
  2. Erst nach 14 Jahren durfte der Mercedes 300 SL R107 auch so heißen
  3. Der Mercedes 300 TD S123 fuhr fast 150 km/h
  4. Der Mercedes 300 SEL W109 war das erste Muscle Car von Benz
  5. Der Einstieg in den Mercedes 300 SL W198 ist kompliziert
  6. Technische Daten vom Mercedes 300 SL W198, Mercedes 300 SEL 6.3 W109, Mercedes 300 TD S123, Mercedes 300 SL R107 und Mercedes 300 SEL W140

Drei Ziffern, ein Versprechen: Wenn ein Mercedes die Zahl 300 trägt, muss er ein ganz besonderes Auto sein. Ob Spitzenmodell oder Sparversion, ist dabei gar nicht so wichtig – der Classic Cars Vergleich mit fünf 300ern aus fünf Jahrzehnten – W198, W109, S123, R107 und W140 – zeigt es.

 

Im Vergleich trägt auch der Mercedes 300 SEL W140 die Zahl mit Würde

Diese Classic Cars-Geschichte geht nach hinten los. Wir könnten jetzt dem Gefühl des Erwartbaren folgen und uns in den blutroten Mercedes 300 SL aus den Fünfzigern fädeln. Vielleicht müssten wir das sogar, weil die Magie der Zahl mit ihm beginnt. Stattdessen greifen wir nach dem erstaunlich zierlichen Schlüssel des 300 SEL der Helmut Kohl-Baureihe W140, stecken ihn ins Türschloss und spüren den Hauch der Geschichte – nur anders als gedacht. Es ist tatsächlich noch ein Schlüssel, der die S-Klasse der frühen Neunziger öffnet, einer mit dieser typischen schwarzen Karomuster-Plastikkappe, und keine Infrarot-Fernbedienung. So erinnert der W140 schon beim Einsteigen daran, dass die ersten Exemplare seiner Art bereits das H-Kennzeichen tragen.
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Auch sonst ist der Dicke so alt geworden, dass er einem gar nicht mehr so elefantös vorkommt. Selbst die Langversion wirkt fast demütig in einer Welt der Fullsize-SUV. Damals geißelten ihn die Kritiker:innen für seine Übergröße, der "Spiegel" witterte gar "schwäbischen Schwerwagen-Stalinismus", heute ist jeder Sharan breiter, jeder T-Roc höher und jeder Q5 genauso schwer. Und überhaupt verlaufen die Linien des Mercedes 300 SEL W140 so ruhig und rein, als hätte Chefdesigner Bruno Sacco beim Bauhaus in Dessau gelernt.

Der Mercedes 300 SEL W140 fahrend von vorne

Foto: Angelika Emmerling

Dass ausgerechnet die ausfahrbaren Peilstäbe in den hinteren Kotflügeln nicht der reinen Funktion folgen, gehört zu den unerwartbaren Pointen der S-Klasse-Geschichte: Selbst große Menschen müssen sich beim Rückwärtspeilen verrenken, um sie zu sehen. Es ist die einzige Unpässlichkeit, die einem so ein Mercedes 300er heute zumutet. Als Oldtimer ist er kein Auto mehr, das man siezen möchte, aber immer noch ein Ingenieurswagen, der die Zahl 300 mit Würde trägt. Sogar dann, wenn sie per Sonderwunsch (Code 260) vom Heck verbannt wurde. Dabei ist die, nun ja, kleinste S-Klasse von damals in Wirklichkeit ein 320er. Er sollte nur nicht so heißen.

 

Erst nach 14 Jahren durfte der Mercedes 300 SL R107 auch so heißen

Da sind wir wieder beim 300 SL, bei der magischen Zahl und den Männern und Frauen, die sich zu Beginn der Neunziger eine S-Klasse kauften. Als Kinder der Nierentisch-Epoche hatten sie Kanzler Adenauer aus dem 300er steigen sehen und Filmstar Curd Jürgens im 300 SL Roadster nach Sylt ballern, beides ikonische Illustriertenfotos der Aufbau-Ära. Das gute Leben, so die schwarzweiße Erinnerung der "Quick"-Leser-Generation, beginnt nicht im 280er, nicht einmal im 320er, zu dem die S-Klasse erst später werden durfte – dann, als sie sich per Fernbedienung öffnen ließ und beim Rückwärtsfahren schon piepsen konnte.

Der späte SL der Baureihe R107 konnte das nie, obwohl ihn nur wenige Jahre vom W140 trennen. Als seine Bauzeit im Sommer 1989 endete, war die neue S-Klasse schon fast zu Ende entwickelt. Viele der mächtigen Männer und Frauen, die den doppelverglasten Chef-Kokon kauften, hatten auch einen SL in der Garage, angeschafft als fabrikneuen Klassiker und genutzt als kleinen Vormittagswagen für den Weg zum Golfplatz oder Tennisclub. Sie ersparten sich den Kauf eines Oldtimers, denn beim Fahren trennen beide Autos Galaxien.

Der Mercedes 300 SL R107 fahrend von schräg vorne
Foto: Angelika Emmerling

Der SL musste 14 Jahre alt werden, um ein echter Mercedes 300 SL W107 sein zu dürfen. Erst die Modellpflege vom Herbst 1985 machte ihn zum ersten 300 SL seit den Fünfzigern. Mercedes hatte den DOHC-Sechszylinder des 280 SL gegen das moderne Triebwerk des 300 E W124 getauscht. Das war zum Entzücken der Nostalgiker:innen das einzige zeitgemäße Detail eines Autos, das wirkte wie aus der Zeit gefallen. Alleine diese Sitzposition hinter dem riesigen, steil stehenden und auch gegen Mehrpreis nicht verstellbaren Lenkrad. Große Menschen müssen den Sitz zurückschieben, um dann mit abgespreizten Beinen und weit durchgestreckten Armen im SL zu hocken.

Dass es auch im Urmodell der Fünfziger genau so war, wissen sie meist gar nicht. Woher auch? Der frühe SL war ein Auto für Reiche, das sich nur 1858 Mal auf der Welt verbreitete. Wer es 30 Jahre später zum Mercedes 300 SL brachte, musste nur ein bisschen wohlhabend sein. Auf rund 13.000 traf das zu, und manche von ihnen wählten ihren SL noch 1988 so rein und pur wie das signalrote Exemplar aus dem Mercedes-Museum. Nicht einmal Leder gönnte sich der Erstbesitzer, nur das Kunststoff-Imitat namens MB-Tex. Er verzichtete auch auf Klimaanlage und Automatik. Der rote Roadster ist genau das, was Mercedes-Sammelnde ein Kassengestell nennen, doch der Freude am späten SL schadet die frugale Note nicht. Im Gegenteil, der Reihensechszylinder dreht sämig hoch bis knapp über 6000 Umdrehungen, weil ihn keine komfort- und konsensgepolsterte Automatik daran hindert. Sicher, die Gewöhnung an das knorpelige Schaltgefühl braucht ein paar Minuten. Aber der Landstraßen- und Serpentinen-Spaß am vitalen Roadster hält sich über den ganzen Sommer.

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Der Mercedes 300 TD S123 fuhr fast 150 km/h

Im Rückspiegel der Geschichte ist es schwer zu glauben, aber selbst ein Mercedes 300er Diesel war einmal als freudvolles Fahrzeug gedacht. Mit fünf Zylindern, drei Litern Hubraum und 88 PS (65 kW) galt er als Diesel für fahrdynamische Menschen. Sein Motor ist das Werk von Ferdinand Piëch, der nach seinem Ausstieg bei Porsche und vor seiner Karriere bei Audi ein freies Konstruktionsbüro betrieb. Als sein Super-Diesel im /8 debütierte, durfte er kein echter 300 sein, sondern nur ein 240 D 3.0. Sogar die Bezeichnung 5Z hatte Mercedes erwogen. Erst der W123 legte das verklemmte Kürzel ab.

Der Mercedes 300 TD S123 fahrend von schräg vorne
Foto: Angelika Emmerling

Es passte schon, denn als Mercedes 300 TD S123 war er ein Lifestyle-Kombi, der dem landwirtschaftlichen Milieu mit fast 150 km/h davonfahren konnte. Plötzlich stieg auch Kundschaft aus der Chefarzt- und Architektenriege ein und staunten, wie flott und leise so ein Ölbrenner ist. Heutzutage fragt man sich auch nach 20 km noch, wann das Kaltstartnageln endlich leiser wird. Und ob die Menschen vor gut 40 Jahren wirklich so viel mehr Zeit hatten? Selten wird der Unterschied zwischen "Losfahren" und "in Bewegung setzen" so deutlich wie auf den dunkelgrünen MB-Tex-Sitzen eines 300 TD mit Vierstufen-Automatik.

 

Der Mercedes 300 SEL W109 war das erste Muscle Car von Benz

Tatsächlich hämmerte in allen Mercedes-300-Modellen der Siebziger ein Vorkammer-Ölmotor. Selbst die Amis lernten nach der Ölkrise von 1973 den Selbstzünder lieben, sie nahmen ihn sogar im W123 Coupé (300 CD) und in der S-Klasse (300 SD). Keine zehn Jahre zuvor hatten die Amis das hohe Stuttgarter Haus noch zum ersten Muscle Car der Marke inspiriert. Das Ergebnis war in Wirklichkeit ein 630er. Das ging aber nicht, weil es über ihm noch den 600 gab. Dessen 250-PS-Motor (184 kW) hatte eine Truppe vollgasfester Mercedes-Ingenieur:innen in der S-Klasse versenkt, die 1968 als Mercedes 300 SEL 6.3 W109 auf den Markt kam. "Maximal 50 Autos" glaubte der Mercedes-Vorstand verkaufen zu können.

Der Mercedes 300 SEL 6.3 W109 fahrend von schräg vorne
Foto: Angelika Emmerling

Am Ende waren es 6526 Käufer:innen, darunter Peter Fonda, Hildegard Knef, Tony Marshall und die Hamburger Halbwelt-Legende Domenica. Nicht nur diese Kundschaft hinterließen ein ganz neues Mercedes-Gefühl, sondern vor allem das Fahren im 6.3er. Beim Kickdown hinterließ er schwarze Striche auf dem Asphalt, auf der linken Spur verwüstete er mit 500 Nm Drehmoment die heile Welt der Porsche-Fahrenden. Die Kasseler Berge schienen im 6.3er flach zu sein. Und doch ist es ein typischer Mercedes, einer, der mit dünnem Hupring-Lenkrad, Nussholz-Leisten und chromgerahmten Instrumenten im Stilgefühl der späten Fünfziger wurzelt.

 

Der Einstieg in den Mercedes 300 SL W198 ist kompliziert

Die Mercedes-Racer der Adenauer-Ära mussten noch richtig arbeiten, um ganz vorne dabei zu sein. Womit wir endlich im blutroten Mercedes 300 SL Roadster W198 der Reichen und Schönen sitzen. Schon das Reinkommen ist übrigens gar nicht so einfach. Der Gitterrohrrahmen ist zwar niedriger als beim Flügeltürer, der Schweller aber ebenso breit. Es geht es nur so, dass der oder die biegsame Menschen erst das rechte Bein ins Auto fädelt, sich dann reinsetzt und das linke Bein irgendwie angewinkelt nachzieht. Auch sonst muss es damals gepasst haben mit Deutschlands Super-Macho Curd Jürgens und dem Roadster, der beim Lenken und Bremsen durchtrainierte Körper schätzt. Nicht einmal eine leise Unterhaltung ist drin im Mercedes 300 SL, weil sich der Sechszylinder-Sportmotor mit herberem Akzent äußert als typische SL-Fahrende.

Der Mercedes 300 SL W198 fahrend von schräg vorne
Foto: Angelika Emmerling

Er ballert, röhrt und rotzt beim Runterschalten, dass es eine archaische Freude ist. Nebenbei strahlt er eine Hitze ab, dass Insass:innen selbst im Hochsommer glauben, die Heizung sei an. Und doch fordert er nur ein bisschen Gewöhnung, aber kein virtuoses Können. Selbst eine Hausfrau mit stempelfrischem Führerschein beherrsche den 300 SL mit seinem vollsynchronisierten Getriebe so sicher wie ihren Staubsauger, schrieb damals ein Tester. Das klingt nach einer längeren Fahrt in der Roadster-Ikone gar nicht mehr so wirtschaftswunderlich überdreht. Hier ist es, das Geheimnis der magischen Zahl 300: Im echten Autoleben geht die Geschichte nie nach hinten los.

 

Technische Daten vom Mercedes 300 SL W198, Mercedes 300 SEL 6.3 W109, Mercedes 300 TD S123, Mercedes 300 SL R107 und Mercedes 300 SEL W140

Classic Cars 9/19Mercedes 300 SL W198Mercedes 300 SEL 6.3 W109Mercedes 300 TD S123
Zylinder/Ventile pro Zylin.6/28/25/2
Hubraum2996 cm³6289 cm³3005 cm³
Leistung158 kW/215 PS bei 5800/min184 kW/250 PS bei 4000/min59 kW/80 PS bei 4000/min
Max. Gesamtdrehmoment bei275 Nm 4600/min500 Nm 2800/min172 Nm 2400/min
Getriebe4-Gang-Getriebe4-Stufen-Automatik4-Stufen-Automatik
AntriebHinterradHinterradHinterrad
L/B/H (mm)4570/1790/13005000/1810/14704725/1786/1425
Leergewicht1420 kg1830 kg1595 kg
Bauzeit1957-19631968-19721978-1985
Stückzahl1858652637.140
Beschleunigung0 auf 100 km/h in 8,8 s0 auf 100 km/h in 8 s0 auf 100 km/h in 21 s
Höchstgeschwindigkeit220 km/h221 km/h149 km/h
Verbrauch17 l/100 km20 l/100 km12 l/100 km
Grundpreis (Jahr)32.500 Mark (1957)39.160 Mark (1968)28.784 Mark (1978)
Classic Cars 9/19Mercedes 300 SL R107Mercedes 300 SEL W140
Zylinder/Ventile pro Zylin.6/26/4
Hubraum2962 cm³3199 cm³
Leistung138 kW/180 PS bei 5700/min170 kW/231 PS bei 5800/min
Max. Gesamtdrehmoment bei255 Nm 4400/min310 Nm 4100/min
Getriebe5-Gang-Getriebe4-Stufen-Automatik
AntriebHinterradHinterrad
L/B/H (mm)4390/1790/13055213/1886/1492
Leergewicht1530 kg1950 kg
Bauzeit1985-19891991-1998
Stückzahl13.74298.095
Beschleunigung0 auf 100 km/h in 10 s0 auf 100 km/h in 8,6 s
Höchstgeschwindigkeit200 km/h225 km/h
Verbrauch14 l/100 km12,2 l/100 km
Grundpreis (Jahr)63.441 Mark (1985)92.112 Mark (1991)

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