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Geht auch ganz einfach:

AMG "Rote Sau" & Opel "Schwarze Witwe": Tierischer Vergleich

Am Limit mit 300 SEL und Rekord C

Jürgen Gassebner
Inhalt
  1. "Rote Sau" trifft "Schwarze Witwe": Vergleich 
  2. Das Aus für die "Rote Sau" kam nach 1972
  3. Opel Rekord C "Schwarze Witwe": Entwicklung im Verborgenen
  4. Technische Daten von Mercedes 300 SEL "Rote Sau" und Opel Rekord C "Schwarze Witwe"

Als Mercedes 300 SEL AMG "Rote Sau" und Opel Rekord C "Schwarze Witwe" gingen diese Rennwagen in die Annalen ein. Jahrzehnte später treffen sich die beiden Sportler zum Vergleich.

Temperatur 20 °C, der Asphalt griffig – optimale Bedingungen also, um historischen Renngeräten freien Auslauf zu gönnen. Unsere Rennstreckenpartner für den heutigen Tag: der Mercede 300 SEL AMG "Rote Sau" und die Rennversion des Opel Rekord C "Schwarze Witwe". Der Mercedes AMG tritt knallrot in vollem Sponsoring-Ornat an, der Opel hingegen schwarz wie die Nacht. Und beide Rennwagen sind konsequent auf den Rundstreckeneinsatz getrimmt, ganz so wie damals.

Doch der Reihe nach. Man schrieb den 25. Juli 1971, als der Mercedes 300 SEL AMG "Rote Sau" aus dem schwäbischen Affalterbach beim 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps als Zweiter die Ziellinie überquerte und AMG gewissermaßen über Nacht weltberühmt machte.
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"Rote Sau" trifft "Schwarze Witwe": Vergleich 

Am Steuer des Mercedes 300 SEL AMG "Rote Sau": Hans Heyer und Clemens Schickentanz. Obgleich niemand wirklich mit der Konkurrenzfähigkeit des rund 1,6 t schweren Renners gerechnet hatte, ließ Schickentanz bereits im Training mit Platz fünf aufhorchen und bewies: Selbst eine Luxuskarosse vom Schlage eines Mercedes 300 SEL 6.3 ist rennfähig, solange sie nur gekonnt vorbereitet worden ist. Und dafür hatte man bei AMG in Affalterbach einiges getan. So wurde der Hubraum des V8-Triebwerks von 6332 auf 6835 cm³ vergrößert.

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Erhard Melcher, zusammen mit Hans Werner Aufrecht, Gründer von AMG, half dem Motor mit weiteren Maßnahmen auf die Sprünge: Schärfere Nockenwellen und geänderte Kipphebel übernahmen die Ventilsteuerung, erleichterte Pleuel und Mahle-Kolben sorgten für die Übertragung der Verbrennungsdrücke, dazu gab es angepasste Brennräume, größere Einlassventile sowie polierte Ein- und Auslasskanäle für gesteigerte Füllung und effizientere Gaswechsel. Eine neue Ansaugbrücke mit Doppeldrosselklappen kümmerte sich um die effektive Aufbereitung zündfähigen Gemischs, und eine Rennabgasanlage sorgte für zügigeren Gasdurchsatz im Mercedes 300 SEL AMG "Rote Sau".

 

Das Aus für die "Rote Sau" kam nach 1972

Mit all diesen Maßnahmen brachte es der im Serientrimm 250 PS (184 kW) starke Motor im Mercedes 300 SEL AMG "Rote Sau" auf gewaltige 428 PS (315 kW) bei 5500 Umdrehungen. Nicht weniger beeindruckend fiel der Anstieg des maximalen Drehmoments von ehedem 500 auf jetzt 608 Nm aus. Im Sinne der Standfestigkeit bekam der Antrieb schließlich noch einen Zusatzölkühler, eine feingewuchtete Kurbelwelle sowie ein verstärktes Differential spendiert. Auch bei Chassis und Fahrwerk legte man im Schwäbischen Hand an.

So bediente man sich breiter und leichter Magnesiumräder eines Mercedes-C111-Versuchswagens in den Dimensionen 10 x 15 Zoll vorne respektive 12 x 15 Zoll hinten. Den dafür notwendigen Platz in den Radhäusern stellten mächtige Kotflügelverbreiterungen her. Türen aus Aluminium halfen, das Gewicht von ursprünglich 1780 auf 1635 kg zu senken. Größer dimensionierte Querlenker an der Vorderachse sowie härtere Luftfederbälge machten den Mercedes 300 SEL AMG "Rote Sau" schließlich endgültig fit für den Renneinsatz, wenngleich man bei der Bremsanlage dem Serienzustand vertraute.

Der Mercedes 300 SEL AMG "Rote Sau" fahrend von schräg vorne
Foto: Jürgen Gassebner

Nach weiteren Erfolgen des liebevoll "Rote Sau" genannten Mercedes 300 SEL AMG 1971 und 1972 führte eine Reglementsänderung dazu, dass AMG sich von seinem Schwergewicht trennte und ihn an den französischen Matra-Konzern verkaufte, der ihn zu Hochgeschwindigkeitstests von Flugzeugreifen heranzog. Erst 2006 baute Mercedes-AMG eine Replika des 300 SEL 6.8 AMG nach Originalunterlagen auf, um die Erfolgsgeschichte lebendig zu halten, allerdings mit einem modifizierten 6,3-l-Motor, der mit rund 320 PS (235 kW) nicht ganz die Performance des Originals bietet, bei unseren Testfahrten aber dennoch für große Kinderaugen sorgt. Mit mächtigem Nachdruck schiebt der V8-Bolide an. Was bereits beim Herausbeschleunigen aus der dritten Kurve Eindruck schindet, ist die schier unglaubliche Traktion des Boliden, gepaart mit einem überraschend neutralen Fahrverhalten.

Wer angesichts des schweren Motors vorne in Verbindung mit dem Hinterradantrieb sämige Drifts erwartet, wird herb enttäuscht. Die "Rote Sau" will einfach nur brachial vorwärts stürmen und die Rundenzeiten purzeln lassen. Nur wenige Runden der Eingewöhnung sind nötig, um den AMG herzhaft um die Strecke fliegen zu lassen, unterstützt von durchaus zupackenden Bremsen und einem präzisen Lenkgefühl. Kurzum: Der Mercedes 300 SEL AMG "Rote Sau" ist ein echtes Renntier, das wir an diesem Nachmittag nur höchst ungern in die Boxengasse zurückführen.

 

Opel Rekord C "Schwarze Witwe": Entwicklung im Verborgenen

Von völlig anderem Geblüt ist dagegen der Opel Rekord C "Schwarze Witwe". Während der amerikanische Mutterkonzern General Motors Mitte der 60er-Jahre Rennaktivitäten kategorisch untersagte, sorgte im Jahre 1967 ausgerechnet der vom amerikanischen Hauptquartier zu Opel entsandte Anatole Lapine für den Bruch mit dieser Konvention.

Auf Basis der zweitürigen Limousinenversion des Rekord C entwarf Lapine im Verborgenen einen Renntourenwagen, der es gehörig in sich hatte. Obgleich der Motor mit knappen 1,9 l Hubraum, Grauguss-Zylinderkopf sowie einer CIH-Ventilsteuerung (Camshaft-In-Head) auf den ersten Blick kaum Aussichten auf eine signifikante Leistungssteigerung bot, bewies Lapine das Gegenteil. So erhielt das Triebwerk eine Nockenwelle mit geschärften Steuerzeiten, dazu mehr Verdichtung, geänderte Kolben und Brennräume sowie strömungsgünstig bearbeitete Kanäle. Der serienmäßige Fallstrom-Registervergaser wurde schließlich durch ein Duett von 45er-Weber-Doppelvergasern ersetzt, deren Venturi-Durchlass zudem auf 48 mm erweitert wurde. Im Verein mit einem Fächerkrümmer und einem ebenso kurzen wie sparsam gedämpften Sidepipe-Endrohr schickte der Reihenvierzylinder schließlich satte 175 PS (129 kW) in Richtung Hinterachse.

Der Opel Rekord C "Schwarze Witwe" fahrend von schräg vorn
Foto: Jürgen Gassebner

Erich Bitter und Niki Lauda kamen in den Genuss, den Opel Rekord C "Schwarze Witwe" pilotieren zu dürfen. Dem pechschwarzen Renn-Opel – der aufgrund der gelben Farbtupfer rasch auch noch den Spitznamen Taxi erhielt – blieben die ganz großen Rennerfolge aber versagt. Zwar konnte Erich Bitter die Fans in Hockenheim mit der schnellsten Rundenzeit begeistern, doch das Rennengagement wurde von der Firmenleitung nicht gerne gesehen, und so wanderte der schwarze Renner nach Österreich, wo ihn Niki Lauda für das Team von Kurt Bergmann beim Rennen in Tulln einsetzte. Was danach mit dem Opel Rekord C "Schwarze Witwe" geschah, ist nicht zweifelsfrei überliefert.

Viele Jahre später entschlossen sich die Opel-Classic-Mitarbeiter Jens Cooper und Michael Spieth, den Opel Rekord C "Schwarze Witwe" auferstehen zu lassen. Der Kontakt zum 2012 kurz vor der Fertigstellung des Projekts verstorbenen Anatole Lapine half bei technischen Fragen, insbesondere die Hinterachskonstruktion betreffend. Ursprünglich als Starrachse mit Panhardstab konzipiert, entwickelte sie bei hohen Seitenführungskräften ein ausgeprägtes Eigenleben, was angesichts der acht Zoll breiten Hinterräder zwangsläufig zu herbem Kontakt mit den Radläufen geführt hätte. Also konstruierte Lapine eine Hinterachse, die an Stelle des Panhardstabs einen stabilen eingeschweißten Querträger sowie eine Kreuzkonstruktion mit spielfreien Unibal-Gelenken für eine nun extrem steife Radführung vorsah.

Als wir den Vierzylinder zum Leben erwecken, bricht ein akustisches Inferno über uns herein. Der Opel Rekord C "Schwarze Witwe" klingt nicht – er schreit! Was oberhalb von 4000 Touren passiert, ist mit dem Wort "Leistungsexplosion" hinreichend beschrieben. Gierend nach Drehzahlen, lässt der in der Replika sogar 200 PS (147 kW) starke Motor die Nadel des Drehzahlmessers zum Skalenende bei 7000 Touren schnellen, als gäbe es kein Morgen. Wird beim Herausbeschleunigen maximale Power abgerufen, verlässt der nur 935 kg schwere Opel Rekord C "Schwarze Witwe" die Kurve mit herzhaftem Schlingern und malt satte schwarze Striche auf den Asphalt. Dem brachialen Vortrieb stehen die vier Trommelbremsen gegenüber, deren Wirkung gerade ausreichend ist. Die Lenkung arbeitet überraschend präzise und lässt Fahrende der "Schwarzen Witwe" die Linie ordentlich treffen. Was unterm Strich bleibt, ist jedoch vor allem die Faszination des Motors.

 

Technische Daten von Mercedes 300 SEL "Rote Sau" und Opel Rekord C "Schwarze Witwe"

Classic CarsMercedes 300 SEL AMG "Rote Sau"Opel Rekord C "Schwarze Witwe"
Zylinder/Ventile pro Zylin.8/24/2
Hubraum6835 cm³1897 cm³
Leistung315 kW/428 PS 4000/min129 kW/175 PS 5100/min
Max. Gesamtdrehmoment bei608 Nm 2800/min146 Nm 2800/min
Getriebe/Antrieb5-Gang-Schaltgetriebe/Hinterrad4-Gang-Getriebe/Hinterrad
L/B/H5000/1810/1420 mm4550/1754/1380 mm
Leergewicht1635 kg935 kg
Bauzeit19711967
Stückzahl11
Beschleunigung
null auf 100 km/h
k.A.k.A.
Höchstgeschwindigkeit265 km/hca. 200 km/h
Verbrauch auf 100 kmk.A.k.A.
Grundpreis (Jahr)k.A.k.A.

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