Lamborghini Gallardo: Budget-Stier mit Klassiker-Potenzial
Gallardo, der Anti-Lambo
Jahrzehntelang manövrierte der Erfinder von Miura, Countach & Co. von Insolvenz zu Insolvenz. Der Erfolg des Lamborghini Gallardo – mit Audis Hilfe entwickelt – sicherte das Überleben und goss das Fundament für eine bis heute währende Erfolgsgeschichte. Es folgten Spyder, Superleggera und Supertrofeo Stradale mit noch mehr Motor-PS.
Als der Lamborghini Gallardo 2003 auf der IAA debütiert, war die Marke aus Sant'Agata Bolognese noch recht frisch im Programm von Audi. Ohne die Hilfe aus Deutschland wäre an eine Vergrößerung der Modellpalette nach unten auch gar nicht zu denken gewesen. Obwohl der Murciélago und seine Vorgänger zu den teuersten Automobilen der Welt gehören, machte die Firma mit ihnen keinen Profit. Im Gegenteil: Lamborghini stand am finanziellen Abgrund und wechselte zwischen 1972 und 1998 gleich fünfmal den Eigentümer. Zudem füllten die technischen Probleme des Ferrari-Erzrivalen ganze Bücher.
Mit einem Schuss deutscher Ingenieurskunst gerät der Lamborghini Gallardo zu einer Art Anti-Lambo. Denn er ist der erste seiner Gattung, der auf ganzer Linie überzeugt und auch hält, was er verspricht. Der Mittelmotor-Sportwagen besitzt eine hervorragende Fahrdynamik. Das ultrasteife Monocoque aus Kohlefaser garantiert nicht nur eine hohe Crash-Sicherheit, sondern glänzt auch mit absoluter Karosseriesteifigkeit – Verwindungen sind hier kein Thema. So gerät er seinerzeit zum erfolgreichsten Modell in der Lambo-Historie.
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Lamborghini Gallardo mit bis zu 570 PS starkem V10-Motor
Angetrieben wird der Lamborghini Gallardo anfangs von einem fünf Liter großen V10, ab dem Facelift 2008 sind es 5,2 l. Der Sauger, der als Hochdrehzahlkonzept ausgelegt ist, leistet in der Basisvariante 500 PS (368 kW) bei 7800 Touren. Damit beschleunigt der Mittelmotorsportler in 4,2 s von null auf Tempo 100 und durchbricht mit 309 km/h Spitze die 300er-Schallmauer. Dass noch ordentlich Potenzial im Triebwerk steckt, beweisen spätere Varianten wie der verspoilerte Supertrofeo Stradale mit 570 PS (419 kW) und einer Beschleunigung von 3,4 s. Varianten ohne Flügel kratzen sogar an 325 km/h. Wenn direkt hinter der Trennwand die Drehzahlorgien beginnen, kommt Gänsehaut auf. Allerdings verstummt bei dem akustischen Inferno dann jede Konversation. Spurstabilität und Geradeauslauf sind herausragend. Selbst bei Topspeed liegt der Gallardo wie ein Brett und baut eine irrsinnige Traktion auf, die auch bei Regen für extrem hohe Kurvengeschwindigkeiten sorgt.
Die Lenkung arbeitet präzise – der Lamborghini Gallardo folgt spontan jedem Richtungswechsel. Ganz anders als der Murciélago mit V12-Motor, der sich dagegen wie ein Lkw fährt. Auch die Bremsen genügen in Dosierbarkeit und Verzögerung höchsten Ansprüchen. Die Brembo-Anlage mit rundum gelochten Scheiben setzt auf acht Kolben vorn und vier an den Hinterrädern. Eine Besonderheit ist das e-Gear-Getriebe, das seinerzeit mit 9280 Euro Aufpreis zu Buche schlug. Dahinter verbirgt sich eine sequentielle Sechsgang-Schaltung, die über Paddels am Lenkrad manuell bedienbar und deren Schaltgeschwindigkeit einstellbar ist. Im schnellsten Modus wechselt der Gallardo blitzschnell die Gänge, wobei das Schalten auch unter Vollgas möglich ist. Im Automatik-Modus nervt das Getriebe aber mit Schieberuckeln und hartem Einkuppeln im Rangierbetrieb.
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Der Gallardo schlug auf der Rennstrecke sogar den 911 Turbo S
Sowohl als normales Coupé als auch als leichterer und schnellerer Superleggera ließ der Lamborghini Gallardo in Vergleichstests der AUTO ZEITUNG auf der Rennstrecke damals selbst dem Porsche 911 Turbo S mehrmals keine Chance. Alltagstaugliche Anforderungen standen dagegen weniger im Lastenheft des Entwicklerteams. Der Einstieg in den nur 1,17 m hohen Sportwagen erfordert ein gewisses Maß an Gelenkigkeit. Kopffreiheit und Platzverhältnisse sind ebenfalls eingeschränkt, genau wie der Blick nach hinten. Der Federungskomfort muss sich der harten Fahrwerksabstimmung unterordnen, und auch die Geräuschdämmung hatte keine Priorität. Zudem macht ein riesiger Wendekreis das Rangieren zur Qual. Und dass der Gallardo kein idealer Begleiter auf Reisen ist, verdeutlicht spätestens der Mini-Kofferraum im Bug, in den nicht mal eine große Getränkekiste hineinpasst.
Kaum alltagstauglicher gibt sich das 2005 präsentierte Cabrio namens Lamborghini Gallardo Spyder mit elektrischem Stoffverdeck. Immerhin muss man sich im offenen Zustand beim Einstieg nicht unter dem Dach durchfädeln. Damals kostete der Spaß mindestens 139.200 Euro (Coupé). Heute gibt es gute gebrauchte Modelle bereits für die Hälfte (Stand: April 2024). Gerade weil der Gallardo mittlerweile seltener anzutreffen ist, darf man beim obligatorischen Tankstopp mit Benzingesprächen rechnen. Apropos Benzin: Mit mindestens 17 l auf 100 km legt der Italiener mit leerem Tank gerne mal die Tankstelle trocken. Spätere Derivate kommen bei zaghafter Fahrweise immerhin auf knapp 14 l. Hier ist der Gallardo also doch ein typischer Lamborghini.
Der Lamborghini Gallardo wirkt im Schatten des wilderen Nachfolgers Huracán etwas in Vergessenheit geraten. Dabei hat die Marke gerade ihm zu verdanken, dass sie heute besser wirtschaftet als je zuvor. Verlockend sind die für Lambo-Verhältnisse günstige, aber stabile Gebrauchtwagenpreise.