Kältemittel für Klimaanlagen: Auto in Gefahr Klimakiller oder Feuergefahr
Streit um Kältemittel für Klimaanlagen in Autos: Die bisherige Substanz sollte durch eine klimafreundlichere ersetzt werden. Allerdings entpuppte sich der neue Stoff als brandgefährlich
In den Chef-Etagen vieler Autobauer und der Zulieferindustrie sorgt das Kältemittel in Klimaanlagen für Wirbel und hitzige Debatten. Grund: Die bisher eingesetzte Flüssigkeit R134a gilt, wenn sie versehentlich entweicht, als klimaschädlich. Deshalb sollte das bisherige Kältemittel durch ein anderes, weniger schädliches Produkt ersetzt werden. Das neue, als Ersatzstoff von Honyewell und DuPont speziell entwickelte R1234yf ist klimaneutral, allerdings entzündet es sich deutlich leichter. Wie groß ist die Brandgefahr für Autoinsassen?
Das neue Kältemittel wurde vielen Tests unterzogen und von der internationalen SAE-Kommission, TÜV-Prüforganisationen, Autoherstellern, Automobilverbänden und dem Feuerwehr-Dachverband dennoch als sicher eingestuft. Skepsis zeigten anfangs lediglich Fachleute der Bundesanstalt für Materialprüfung, die im Auftrag des Bundesumweltamtes eine Studie durchführten. Sie hatten zudem festgestellt, dass entflammtes Tetrafluorpropen, also R1234yf, das mit heißen Metalloberflächen in Kontakt kommt - Fluorwasserstoff freisetzt. Das ist ein Atem-Reizgas und kann bei Kontakt mit Feuchtigkeit zu ätzender, giftiger Flusssäure reagieren. Doch der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) bestätigte: Nach gängigen Tests, die für die Freigabe des Mittels durchgeführt wurden, lässt sich ein solches Risiko nicht ableiten. Damit wären eigentlich alle Bedenken ausgeschlossen.
ERNÜCHTERUNG BEIM MERCEDES-PRAXISTEST
Doch Mercedes begann mit eigenen Versuchen - mit deutlichen Ergebnissen: Der neue Chemie-Cocktail entpuppt sich dabei als brandgefährlich. Bei Temperaturen um 650 Grad Celsius entzündet sich austretendes Kältemittel an heißen Motoren-, Turbolader und Auspuffteilen. Das Gas zündelt mit blauer Stichflamme. Ganz beiläufig verätzt die austretende Substanz die Glasscheiben des Autos. Nicht auszudenken, wenn solche hochgiftigen und aggressiven Dämpfe von Insassen, Passanten oder Helfern am Unfallort eingeatmet werden würden.
Die Stuttgarter zogen die Notbremse. Vorerst wird beim Premiumhersteller weiter das bewährte, wenn auch weniger klimaverträgliche R134a eingesetzt und parallel nach Alternativen gesucht. Auch VW als größter europäischer Autobauer setzt nach Aussagen eines Pressesprechers auf eine komplette Neubewertung der Kältemittel-Problematik: "Wir wollen schließlich keine solche Gefahr ins Fahrzeug bringen“. Bis auf Weiteres wollen die Wolfsburger die von der EU-Kommission eingeräumten Übergangsfristen nutzen. Schließlich schreiben diese nur vor, dass neu entwickelte Autos, die nach dem 1. November 2011 in der EU zugelassen wurden, mit umweltverträglicheren Kältemitteln arbeiten müssen. Für den Golf VII wurde die Klimaanlage wohlweislich vor dem Stichtag zur Prüfung vorgeführt. Erst ab 2017
gelten die strengen Vorschriften dann für alle Neufahrzeuge.
Kältemittel R1234yf nicht mehr in Europa
Bis dahin sollen - federführend-durch den VDA - die Risiken weiter analysiert werden, um geeignete Gegenmaßnahmen zu finden. Denkbar wären veränderte Klimaanlagen, die eine Weiterverwendung vom bisherigen Kältemittel ermöglicht - ohne das dieses austreten kann. Eine ernste Alternative ist die Nutzung von CO2 als Kältemittel. Es bietet in dieser Form einen brillanten Klimaschutz. Allerdings bedarf es völlig neuer Klima-Systeme, die teuer sind und nur mit hohem Systemdruck arbeiten. Und: Tritt dieses Kältemittel aus, dann ist es in solch konzentrierter Form auch nicht ungefährlich. Es brennt zwar nicht, wirkt aber atemhemmend.
Bis zu einer Lösung droht kaum Gefahr: Alle europäischen Hersteller verzichten zur Zeit auf den Einsatz des Kältemittels R1234yF. Auch andere Hersteller haben den Einsatz des gefährlichen Stoffes für den Export nach Europa gestoppt. Derzeit laufen nur wenige Autos, etwa Mazdas CX-5, Toyotas Prius plus und der GS von Lexus, mit R1234yf. An einer schnellen Alternative arbeiten auch diese Autobauer.
Holger Ippen
AUTO ZEITUNG