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Horch & Audi: Die Historie der Automarke Vom Feinsten

Sachsens edelste Automarke war in den 20er- und 30er-Jahren Zentrum und Wiege der Achtzylinder-Kultur

Gottlieb Daimler und Carl Benz waren die Väter der Benzinkutsche. Doch erste Schritte auf dem Weg zum modernen Automobil unternahmen unabhängig voneinander Wilhelm Maybach und August Horch. Horch lernte Schmied, studierte an der Technikschule im sächsischen Mittweida und kam 1896 zu Carl Benz, dessen Firma mit dem Motorwägelchen „Velo“ schon dreistellige Produktionszahlen erreichte und als führende Automobilmanufaktur galt. „Papa“ Benz beförderte den 24 Jahre jüngeren Horch zum Betriebsleiter, lehnte jedoch dessen Ideen zur Verbesserung der Konstruktion ab.

So wagte Horch 1899 den Schritt in die Selbstständigkeit. Seine ersten Autos baute er 1901 in einer Werkstatt in Köln-Ehrenfeld, doch Finanzmangel trieb ihn 1902 wieder nach Sachsen, wo er Geldgeber für den Aufbau seiner Fabrik fand. 1904 zog er ein weiteres Mal um, von Reichenbach nach Zwickau. Horchs Fabrik wuchs zu einer Aktiengesellschaft heran. Horch war ein Tüftler und Erfinder. Er trennte konsequent Karosserie und Fahrgestell, setzte erstmals in Deutschland eine Kardanwelle zur Kraftübertragung ein und konstruierte eine primitive Form des Doppelkupplungsgetriebes, um die Gangschaltung zu erleichtern.

 

DER NAMENSGEBER VERLÄSST SEINE FIRMA UND GRÜNDET AUDI

Horch wollte das beste Automobil von allen bauen und dies in Rennen unter Beweis stellen. Bei der über 1600 Kilometer langen Herkomer-Wettfahrt 1906 gelang ein grandioser Sieg mit gewaltigem Reklameeffekt. Doch anstatt diesen auszunutzen und die Produktion auf höhere Stückzahlen und bessere Rentabilität auszulegen, konstruierte Horch einen völlig neuen Rennwagen, erstmals mit sechs Zylindern. Als der Aufsichtsrat ihn zur Rede stellte, blieb er stur. Horch verließ 1909 lieber die Firma, als seine Ideale aufzugeben. In direkter Nachbarschaft startete er 1910 ein neues Unternehmen: Es war die Geburtsstunde der Marke Audi.

Als August Horch 23 Jahre später erstmals wieder seine alte Firma besuchte, soll er geweint haben vor Rührung. Horch war inzwischen zur Luxusmarke Nummer Eins in Deutschland aufgestiegen, marktführend in der Klasse über vier Liter Hubraum. 1925, als der Einfuhrzoll auf ausländische Pkw gesenkt und die Rückständigkeit der deutschen Fabrikate offenkundig wurde, beschäftigte Horch 1500 Mitarbeiter, die maximal zehn Fahrzeuge pro Tag fertigstellten, wobei die meisten Horch-Fahrzeuge ihre Aufbauten bei externen Karosseriespezialisten wie Gläser, Lindner und Dietzsch erhielten.

Horch setzte nun alles auf eine Karte und hatte Glück: Die Produktion wurde rationalisiert, das Typenprogramm radikal vereinfacht und als neuer Standard in der deutschen Luxusklasse erstmals ein Achtzylinder angeboten: Der pikanterweise von Gottlieb Daimlers Sohn Paul entwickelte Horch 8 setzte fortan Maßstäbe und sorgte für Unruhe beim größten Rivalen Mercedes-Benz. Paul Daimler legte den Ventiltrieb des Reihen-Achtzylinders auf perfekte Laufruhe und höchsten Geräuschkomfort aus: Zwei obenliegende Nockenwellen wurden von einer Königswelle mit Spiralverzahnung angetrieben.

Ohne Stoßstangen und Schwinghebel wirkten sie direkt auf die parallel hängenden Ventile. Zu den weiteren technischen Besonderheiten gehörten die Unterdruck-Vierradbremsen vom Prinzip Bosch-Dewandre und ein per Thermostat gesteuertes Kühlsystem. Der glattflächig gestaltete Motor war eine Skulptur für sich, und ab 1929 kam dieser ästhetische Anspruch auch in den „Gesichtszügen“ des Horch 8 zum Ausdruck. Horch hatte den Graphikspezialisten Professor O.F.W. Hadank von der Akademie der Künste verpflichtet. Unter dessen Mitwirkung entstanden die markante Kühlerfigur des geflügelten Pfeils sowie eine Serie neuer ab Werk lieferbarer Karosserien, die mit ihrer distinguierten Eleganz genau den Geschmack der oberen Zehntausend trafen.

Der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann ließ sich ebenso im Horch chauffieren wie Reichspräsident Paul von Hindenburg. Die wenigsten Zeitgenossen dürften dabei bemerkt haben, dass der Horch 8 dem amerikanischen LaSalle von 1927 wie aus dem Gesicht geschnitten war. LaSalle war eine neue, direkt unter Cadillac angesiedelte Marke des GM-Konzerns, und ihr Design stammte von einem jungen Mann namens Harley Earl, der später zum wichtigsten amerikanischen Autodesigner des 20. Jahrhunderts werden sollte.

Horchs Star-Designer hieß Hermann Ahrens; er wechselte 1932 zu Mercedes-Benz, wo ihm weitere Traumautos wie der 540K Roadster gelangen. Ehe Horch die verdienten Früchte seiner Arbeit ernten konnte, brach die Wirtschaftskrise mit voller Wucht über die Weimarer Republik herein, zwang die komplette deutsche Industrie in die Knie und rund zwei Drittel aller Autohersteller zur Aufgabe. Horch vereinfachte den Achtzylinder durch den Entfall einer Nockenwelle und trat parallel dazu noch einmal die Flucht nach oben an: Unter dem neuen Chefkonstrukteur Fritz Fiedler kam 1931 ein V12-Zylinder auf den Markt.

Auch dieser Motor war eine beachtliche Konstruktion: Die zwischen den Zylinderbänken rotierende Nockenwelle steuerte über vertikale Kipphebel die liegenden Ventile. Doch der Horch 12 war kein Erfolg. Nur 81 Exemplare wurden gebaut. Im Vergleich dazu entstanden zwischen 1926 und 1935 etwa 12.000 Horch 8. Es sollten insgesamt 30.000 Autos werden, nachdem Horch wie auch Audi unter Bankenregie in der Auto Union Zuflucht gefunden hatten.

Fiedler stutzte den V12 zu einem kompakten V8. Dieser Motor wurde in diversen Hubraumgrößen produziert und trieb 1939 auch eine neue Limousine an, deren Stromlinienform in die Zukunft wies. Doch der Krieg verhinderte einen Erfolg des 930S. Die Zivilproduktion endete 1940, danach baute Horch nur noch Fahrzeuge für die Wehrmacht. Beiderseits der innerdeutschen Grenze scheiterten Versuche, Horch nach dem Krieg wiederzubeleben. Nur August Horch selbst kam noch einmal zu Ehren: 1949 wurde er in den Aufsichtsrat der neuen Auto Union berufen. 

Karsten Rehmann

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