Goggomobil Cabrio/Mercedes 300 S:Classic Cars
Zwei Exoten im Vergleich
Vom Mercedes 300 S Cabrio wurden weniger Exemplare gebaut als vom Flügeltürer. Noch seltener ist aber das Goggomobil 250 Cabrio, von dem es nur neun Prototypen gab. Der Mercedes wird heute für 500.000 Euro gehandelt, der Goggo liegt weit darunter. Doch beide zeigen, wie unterschiedlich Autos in den 50er-Jahren sein konnten. Ein Classic Cars-Vergleich!
David gegen Goliath und Luxus gegen Minimalismus sind die Duelle in diesem Vergleich. Schon die technischen Daten zeigen die Arithmetik der Gegensätze: 13,6 PS (10 kW) leistet das Motörchen des Goggomobil 250 Cabrio, 150 PS (110 kW) mobilisiert dagegen der Reihensechser des Mercedes 300 S. Streckt der Goggo seine Nase gerade mal über die Drei-Meter-Marke, misst der Daimler stolze 4,73 m. Beide Autos sind Produkte zweier Hersteller, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können. Mercedes stand schon immer für Luxus, Leistung und Rennsport. Das Goggomobil der Firma Glas befriedigte dagegen die Forderung nach einer Basismotorisierung für jene Menschen, die seinerzeit statt sich auf dem Motorrad den Wetterunbilden auszusetzen, lieber ein Dach über dem Kopf wünschten. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Goggomobil Cabrio & Mercedes 300 S im Classic Cars-Vergleich
Die Goggo- Limousine – das Coupé, auf dem unser Cabrio-Prototyp basiert, kam erst später auf den Markt – war 1955 das erste Auto des Landmaschinenherstellers aus Dingolfing. Und die Goggo-Modelle waren sehr erfolgreich – insbesondere mit dem kleineren 250-cm3-Zweitakter, der noch mit dem Motorradführerschein IV bewegt werden durfte. Zur einfach gestalteten Goggomobil- Limousine T 250 – es gab sie auch mit 350 und 400 cm3 mit bis zu 20 PS (15 kW) – gesellte sich 1957 die Coupé-Version TS mit großer hinterer Panorama-Scheibe. Und diese bewies, dass Chic keine Frage der Größe sein muss. Die knuffige Form inspirierte das Werk zu einem Cabrio, dass allerdings nie in Serie ging.
Den Wunsch mancher Fans nach einem "Oben ohne“-Coupé befriedigte vor allem die Firma Helmut Hödl, einst in Ludwigshafen ansässig. Zur Verstärkung dienten Profile in den A-Säulen und ein Winkeleisen von links nach rechts am Wagenboden. Wie viele Cabrios es gab, ist allerdings unklar. Rote Kunstledersitze in der Größe von Kinderstühlen und Weißwandreifen auf 10 Zoll kleinen Playmobilrädern versprühen auch heute noch einen Hauch Luxus. Einen Kofferraum sucht man vergebens, zur Gepäckaufnahme dient die Not-Rücksitzbank. In unserem "roten Renner" sitzt – wie in den meisten Goggo-Modellen – das 13,6-PS-Aggregat, das man fast in eine Handtasche packen könnte.
Der Mercedes 300 S am anderen Ende der Technik-Skala ist quasi der automobile Mount Everest. Als der 300 S im Oktober 1951 auf dem Pariser Autosalon vorgestellt wurde, war er das Spitzenmodell der Marke. Die Fachpresse überschlug sich in Superlativen. Er wurde als "Wagen der Weltelite“ und als "Maßstab für das im Automobilbau Erreichbare“ gelobt. Basis des 300 S war der Typ 300, jedoch mit einem verkürzten Fahrgestell und einem geringeren Radstand. Die Materialauswahl ist heute noch eine Augenweide und die Verarbeitung für die Ewigkeit gemacht. Da weiß man, wo der Begriff "Deutsche Wertarbeit" herkommt.
Eingepfercht im Goggomobil 250 Cabrio mit Wind in Orkanstärke
Neben dem Schwaben-Monument im Kingsize-Format sieht das Goggomobil 250 Cabrio aus wie ein Tretauto. Für Personen über 1,90 m Körpergröße heißt es: mühselig einfädeln statt einsteigen. Die Oberschenkel umschließen das Lenkrad, denn durch die geringe Beinfreiheit sitzt die Person am Steuer fast in der Hocke. Erstaunlich viel Platz genießt dagegen der Menschen daneben, der die Füße bis zur Karosseriewand an der Front ausstrecken kann.Der Zweitakter mit Gebläsekühlung versteckt sich unter einer Abdeckung im Heck und benötigt ein 1:25-Zweitaktgemisch. Das per Gebläse gekühlte Motörchen müht sich redlich beim Beschleunigen und kräht sich lautstark bis zu einem Tempo von 84 km/h, was eine gefühlte Ewigkeit dauert.
Dennoch tobt der Fahrtwind wie ein kleiner Orkan durchs Auto. Ein Windschott gibt es nicht, und großgewachsene Menschen ragen über die Windschutzscheibe hinaus. Die spartanische Instrumentierung umfasst lediglich einen Breitbandtacho im Miniaturformat – das wars. Geführt über ein einfaches Fahrwerk, hopst der Floh in jedes Schlagloch. Speziell ist auch die Schaltung, der ein kleiner Eingewöhnungskurs vorausgehen sollte. Vom ersten Gang vorn links muss der kleine Stummelschalthebel nach rechts bewegt werden, um in den zweiten Gang zu kommen. Wer in den dritten wechseln möchte, muss erst in den Leerlauf schalten und dann den Hebel nach links hinten ziehen. Um das Prozedere zu vereinfachen, gab es ein elektrisches Vorwählgetriebe: Über einen Schalter am Armaturenbrett konnte, der erste Gang eingelegt werden, beim Gasgeben fuhr der Winzling los. "Da die Technik durch falsche Dauerbelastung oft kaputtging, waren nur die frühen Baujahre mit den hinten angeschlagenen Türen damit ausgestattet“, weiß Goggo-Typreferent Bernhard Bergmann.
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Allein die Tür des Mercedes 300 S so schwer wie der Goggo
Beim Umstieg in den Mercedes 300 S erfolgt dann die erste Überraschung. Die mit Chrombeschlägen eingefasste Tür ist gefühlt so schwer wie das gesamte Goggomobil 250 Cabrio und schließt mit dem einmaligen Klang eines Mercedes. Apropos Chrom: Der verschwenderische Umgang mit dem silbernen Edelmetall verleiht Sitzbeschlägen, Verdeckhalterung, Schwellern, Scheibenrahmen und Schaltern einen besonderen Glanz. Man thront auf großzügig aufgepolsterten Leder-Sitzen, die jedem schwäbischen Sofa zur Ehre gereichen und blickt auf ein dunkles, mit Wurzelholz verkleidetes Armaturenbrett, das optisch gekonnt mit dem cognacfarbenen Leder harmoniert. Das ganze Auto wirkt durchkomponiert wie eine Sinfonie.
Dass der Reihensechszylinder nur pianissimo säuselt, passt zur majestätischen Beschleunigung. "Nur net huddle“, würde der Schwabe sagen. Zwar rennt das 300 S Cabrio in 15 s auf 100 km/h und schwingt sich zu beachtlichen 175 km/h auf, doch im Grunde seines Charakters ist es ein komfortabler, souveräner Cruiser – und fährt sich bleischwer, weil an nichts gespart wurde. Die Lenkung erfordert einen ebenso kräftigen Bizeps wie die schwergängige Kupplung, und auch die langen Schaltwege der Viergang Lenkradschaltung motivieren nicht zum Schnellfahren. Zur opulenten Serienausstattung gehören eine Heizung mit Gebläse, Nebelscheinwerfer, Rückfahrscheinwerfer und eine Vielzahl an Anzeigen für Öldruck, Wassertemperatur und Ampèremeter sowie Tank- und Zeituhr. Aber das Becker Radio mit Hecklautsprechern in den Armlehnen der hinteren Sitze musste auch schon damals extra bezahlt werden.
Das Mercedes 300 S Cabrio war 1952 das teuerste deutsche Auto. Es kostete 34.500 Mark und damit 10.000 Mark mehr als die 300er Limousine. Selbst der legendäre 300 SL Flügeltürer war bei seinem Erscheinen 1954 immerhin 4000 Mark günstiger. Beide Klassiker hat uns The Loh Collection in Dietzhölztal-Ewersbach zur Verfügung gestellt. Beim Mercedes 300 S Cabrio handelt es sich um ein Vorserienfahrzeug – es ist das Auto, das Mercedes im März 1952 auf dem Genfer Autosalon präsentierte.
Technische Daten von Goggomobil 250 Cabrio Cabrio und Mercedes 300 S Cabrio
Classic Cars 08/2023 | Goggomobil 250 Cabrio | Mercedes 300 S Cabrio |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 2-Zyl-Zweitakter | R6-Zylinder |
Hubraum | 245 cm³ | 2996 cm³ |
Leistung | 13,6 PS/10 kW bei 5400 /min | 110 kW/150 PS bei 5000/min |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 19,8 Nm bei 4200 /min | 225 Nm bei 3800/min |
Getriebe | Viergang-Getriebe Hinterradantrieb | Viergang-Getriebe |
Antrieb | Hinterradantrieb | Hinterradantrieb |
L/B/H | 3035/1370/1235 | 4730/1910/1510 mm |
Leergewicht | 460 kg | 1740 kg |
Bauzeit | 1957-1968 | 1952-1955 |
Stückzahl | 9 | 203 |
Beschleunigung | 0 auf 70 km/h in 34,0 s | 0 auf 100 km/h in 15,0 s |
Höchstgeschwindigkeit | 210 km/h | 175 km/h |
Verbrauch | 4,4 l/100 km | 13,8 l/100 km |
Grundpreis (Jahr) | k.A. | 34.500 Mark (1952) |
In keinem Jahrzehnt waren die Autos so unterschiedlich wie in den 50ern. Während der Mercedes für das damals Machbare und puren Luxus stand, verkörperte das Goggo Cabrio den Versuch, Basismobilität nach dem Krieg attraktiv zu gestalten. Bei unseren beiden Autos handelt es sich um Prototypen – dem Mercedes stand allerdings eine erfolgreiche Karriere bevor, dem Goggo Cabrio traute man dagegen keine Marktchancen zu. Beide machen auf ihre Art Spaß – und während dem Mercedes respektvoll gehuldigt wird, zaubert der Goggo vorbeilaufenden Menschen ein Lächeln auf die Lippen.