Sierra XR4i & R21 Turbo: Vergleich der 80er-Jahre-Sportler
Der Express-Zuschlag von Sierra XR4i und R21 Turbo
Ford Sierra und Renault 21 sind typische Vertreter ihrer Zeit: treu, unauffällig und mittlerweile fast verschwunden. Aufregend werden sie erst, wenn ihnen Spoiler wachsen: Ford Sierra XR4i und Renault 21 Turbo im Vergleich!
Hubraum oder Turbo? Vorder- oder Hinterradantrieb? Zwei oder vier Türen? Was braucht es, um das Familienoberhaupt (und seine Liebsten) glücklich zu machen? Der Ford Sierra XR4i und der Renault 21 Turbo gaben darauf ganz unterschiedliche Antworten. Beginnen wir mit dem Kölner, der seine glatte Nase bereits 1982 erstmals in den Wind hielt. Der rundliche Sierra löste den kantigen Taunus ab. Schon das war ein Kulturschock für die traditionelle Ford-Kundschaft. Uwe Bahnsen hatte die neue Optik gestaltet und dabei großen Wert auf den cW-Wert legen müssen: Zur glatten Front gehörte das sogenannte "Aero-Heck", das Ford drei Jahre später beim größeren Scorpio erneut aufgriff.
Unter dem Blech arbeitete weitestgehend die vom Vorgänger bekannte Technik – abgesehen von der neuen Schräglenker-Hinterachse. Schon kurz nach der Vorstellung der neuen Baureihe folgte im Frühjahr 1983 der XR4i. Nach dem Fiesta XR2 (1981) und dem Escort XR3 (1982) war damit das dritte Sportmodell der XR-Reihe verfügbar. Und das kam optisch nicht nur mit einem Spoilerpaket, sondern mit einer eigenständigen dreitürigen Karosserie. Besonders markant waren die Dreieckfenster in der C-Säule sowie der Doppelflügel auf der Heckklappe – die einige Monate später erscheinende dreitürige Variante des Sierra verfügte über große, einteilige Seitenscheiben und sollte damit an ein Coupé erinnern.
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80er-Jahre-Sportler im Vergleich: Ford Sierra XR4i trifft auf Renault 21 Turbo
Der Ford Sierra XR4i der ersten Generation war also ein autarkes Modell, unter dessen Haube der bewährte 2,8-l-V6, in diesem Fall mit einer K-Jetronic, arbeitete. Im Sierra wurde er auf die versicherungstechnisch günstigeren 150 PS (110 kW) gedrosselt. Das sollte dennoch für eine Höchstgeschwindigkeit von über 200 km/h und ordentliche Beschleunigungswerte reichen, weil im Vergleich zu den übrigen Sierra-Modellen auch die Aerodynamik nochmals verbessert wurde. Die Fahrleistungen, eine große Heckklappe und der Kniff mit der Seitenscheibe ließen seinerzeit darauf schließen, dass der Sierra XR4i ganz in der Tradition des schwächelnden Capri stehen könnte.
Tatsächlich standen beide Autos aber einige Jahre parallel bei den Händlern, wobei der Sierra immer mehr Limousine war als sein flacherer Bruder. Rückblickend betrachtet ist er zum Bindeglied zwischen den Basis-Sierra und dem gewaltigen Cosworth geworden. Mit dem sportlicher abgestimmten Fahrwerk begeistert der XR4i bis heute. Man ist geneigt, die grauen Stoffsitze unseres Autos aus dem Classic-Fuhrpark von Ford zunächst leise zu belächeln. Einmal Platz genommen, bieten sie aber eine angenehme Symbiose aus Komfort und sportlichem Seitenhalt. Genau wie das grauschwarze Kunststoff-Cockpit (immerhin mit sportlich-rotem Dekorstreifen) gehen sie als typische Zeitzeugen der frühen 80er-Jahre durch.
Der Sierra XR4i ist rau und gutmütig zugleich
Auch der Motor ist mehr Handwerker als Kunstobjekt: Er verrichtet solide seinen Dienst und kommt dabei manchmal (genauer ab etwa 4000/min) etwas rau zur Sache. Aber er bietet den Vortrieb, den man erwartet und arbeitet in dieser Hinsicht gut mit dem Fahrwerk zusammen: Kurvenreiche Landstraßen machen Spaß mit diesem Auto, das sich lange Zeit recht neutral verhält und sich nur durch plötzliche Lastwechsel ins Übersteuern zwingen lässt. Umgekehrt wird es bei Bedarf aber auch zum zahmen Freund, das die Familie sicher von A nach B bringt.
Der zusätzliche Schuss Sportlichkeit ist ihm anzumerken, Kind und Kegel werden deswegen aber nicht über die Maßen durchgeschüttelt. Schade, dass Ford das XR4i-Modell nicht konsequent fortgeführt hat: 1985 war erst einmal wieder Schluss, es folgte der als Fünftürer und Turnier erhältliche XR 4x4, später war der 2.9i das Topmodell unterhalb des Cosworth. Erst mit dem Facelift 1990 kam wieder ein XR4i bzw. GT, der aber mit seinem Vierzylinder-Motor und der Serien-Karosserie nicht mehr viel mit dem Ur-Modell zu tun hatte.
Renault 21 Turbo ist ein Turbo alter Schule
Renault löste 1986 den noch aus den 70er-Jahren stammenden Renault 18 in der Mittelklasse ab: Der Renault 21 kam zunächst als klassische, viertürige Stufenheck-Limousine. Noch im selben Jahr wurde der Kombi namens Nevada vorgestellt, eine Schrägheck-Variante folgte nach dem Facelift 1989. Bemerkenswert war vor allem die Karosseriestruktur: Der Renault 21 war relativ leicht – nicht zuletzt dank der Karosserie-Verstärkungen aus Leichtmetalllegierungen. In die Struktur eingebunden war ein Hilfsrahmen, in dem der Motorblock saß. Die Turbo-Technik war bei Renault zu diesem Zeitpunkt längst etabliert: Nach dem hart erarbeiteten Sieg eines aufgeladenen Renault-Motors in der Formel 1 hatte die Marke den Begriff "Renault Turbo" zum Inbegriff einer neuen Sportlichkeit werden lassen – in fast jeder Modellreihe gab es eine Variante mit aufgeladenem Motor. Und so folgte dem 1980 vorgestellten Renault 18 Turbo im Jahr 1987 der 21 Turbo.
Aus den fast schon bescheiden anmutenden 110 PS (81 kW) waren mutige 175 PS (129 kW) geworden. 1990 überarbeitete Renault die kräftige Limousine: Zwar gab es jetzt nur noch 162 (Kat-gereinigte) PS (119 kW), diese wurden aber vom Allradantrieb zuverlässig an alle Räder übertragen. Aufgrund der Erfahrung und neuer technischer Möglichkeiten in der Motorsteuerung hielt Renault an der Aufladung fest, während damals viele Wettbewerber auf Vierventil-Sauger setzten. Basis-Motor des 21 Turbo war der bekannte 2,0-l-Vierzylinder, der im GTX 115 PS (85 kW) leistete. Motorsteuerung, Garrett-T3-Turbolader und zwei Ladeluftkühler ermöglichten den Leistungszuwachs.
Das schwarze Auto auf diesen Bildern gehört Sebastian Just und ist ein frühes (88er-)Modell. Genau diese Variante empfehlen Profis, wenn man den ungefilterten Schub genießen will – zumindest wenn der Motor warm genug ist. Denn die Motorsteuerung verhindert hohe Drehzahlen im kalten Zustand (unter 50 Grad Kühlmitteltemperatur) und vermeidet es, das volle Drehmoment ungedämpft an den Antriebswellen zerren zu lassen. Das bedeutet keineswegs, dass der Renault ein Langweiler ist: Einmal in Fahrt, bietet er genau das Turboloch, das man erwartet und den Bums, der darauf folgen muss. Natürlich sorgt das vor allem bei nasser Straße für Traktionsprobleme, aber damit lernt man schnell umzugehen. Umgekehrt sorgt das serienmäßige ABS bei zu forscher Gangart dafür, dass der Renault beherrschbar bleibt. Wer es etwas gemäßigter möchte, greift zum späteren Allrad-Modell.
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XR4i macht mehr her, R21 Turbo ist fahrdynamisch überlegen
Optisch möchte man gerade im Vergleich zum Sierra fast vom viel zitierten Wolf im Schafspelz sprechen, schließlich hatte Renault der viertürigen Limousine doch "lediglich" ein relativ dezentes Spoilerpaket angedeihen lassen. Glücklicherweise war man ansonsten umso konsequenter: Das Fahrwerk wurde auf die neuen Gegebenheiten abgestimmt, die Sitze wirkten französisch-komfortabel, boten aber auch den nötigen Halt. "Sein Turbo-Motor verlangt vom Fahrer Charakterstärke", hieß es denn auch 1987 in einem Test der AUTO ZEITUNG. Tatsächlich verführt der Renault dazu, seine Potenz immer wieder auszureizen – der gelegentliche Blick in die blassen oder vergnügten Gesichter der Rückbänkler:innen sollte dabei aber nicht vergessen werden.
Auch an die Familienkasse sollte hin und wieder gedacht werden, denn der 21 Turbo fordert im Verbrauch seinen Express-Zuschlag. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 227 km/h ist er dem Sierra fahrdynamisch überlegen und nimmt ihm auch im Spurt von null auf 100 km/h einige Zehntelsekunden ab. Renault blieb dem Turbo treu: Erst mit dem Nachfolger Laguna (ab 1994) setzten auch die Marke mit dem Rhombus auf Vierventiler oder mehr Hubraum (3.0 V6). Auch Ford bot vom Sierra-Nachfolger Mondeo eine Version mit V6-Motor an, offiziell als Sportler ausgewiesen (und ausgestattet) wurde er aber erst ab 1999 als ST200.
Ford Sierra XR4i und Renault 21 Turbo spielten auf dem deutschen Markt nie eine große Rolle, waren aber wichtig für die Imagebildung ihrer Modellreihen. Ihr unterschiedlicher Charakter manifestiert sich auch heute noch bereits im äußeren Erscheinungsbild: Wirklich familientauglich ist nicht zuletzt aufgrund seiner vier Türen der Renault. In der Variabilität wiederum hat der Sierra mit seiner großen Heckklappe die Nase vorn. Die Verbrauchswertung fällt – wenn auch mit geringem Unterschied – zugunsten des hubraumstärkeren Ford aus. Allerdings hat der Gasfuß im Renault einen wesentlich größeren Einfluss auf die benötigte Kraftstoffmenge. Wer heute eines der beiden Autos sucht, braucht auf jeden Fall Geduld, etwas Glück und handwerkliches Geschick. Denn die niedrigen Marktwerte haben in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass die verbliebenen Autos verheizt wurden und erst einmal mühsam auf Vordermann gebracht werden müssen.
Technische Daten des Ford Sierra XR4i und Renault 21 Turbo
Classic Cars 12/2023 | Ford Sierra XR4i | Renault 21 Turbo |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 6/2 | 4/2; Turbo |
Hubraum | 2792 cm³ | 1995 cm³ |
Leistung | 110 kW/150 PS 5700/min | 129 kW/175 PS 5200/min |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 216 Nm 4300/min | 270 Nm 3000/min |
Getriebe/Antrieb | 5-Gang-Getriebe/Hinterrad | 5-Gang-Getriebe/Vorderrad |
L/B/H | 4495/1728/1392 mm | 4488/1714/1375 mm |
Leergewicht | 1176 kg | 1240 kg |
Bauzeit | 1983-1985 | 1987-1993 |
Stückzahl | 25.662 | 13.781 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 8,8 s | 8 s |
Höchstgeschwindigkeit | 209 km/h | 227 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 12,3 l S | 12,9 l S |
Grundpreis (Jahr) | 28.350 Mark (1983) | 39.150 Mark (1987) |