Fiat Bravo 1.9 M-Jet im Dauertest Fiat Bravo 1.9 M-Jet im Dauertest
Auch nach 100.000 Kilometern „Ehe“ ist der Fiat Bravo noch ansehnlich. Aber manches nervt nach wie vor
Eckdaten | |
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PS-kW | 150 PS (110 kW) |
Antrieb | Vorderrad, 6 Gang manuell |
0-100 km/h | 9.1 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 209 km/h |
Preis | 23.900,00€ |
Als der Fiat Bravo 1.9 M-Jet 16V im März 2008 zum Start des 100.000-Kilometer-Marathons antrat, war die ganze AUTO ZEITUNG-Redaktion gespannt – und nicht wenige sogar skeptisch. Schließlich standen italienische Autos in früheren Zeiten nicht gerade stellvertretend für Verarbeitungsqualität und Zuverlässigkeit. Und beinahe schien es, als sollten die Skeptiker Recht behalten. Denn nach knapp zwei Monaten und gerade mal knapp 16.000 Kilometern auf dem „Buckel“ notierte Internet-Redakteur Andreas Of, dass die Motor-Kontrollampe gelb leuchtet. Die Fiat-Hotline lehnte ab, einen Pannendienst zu schicken, da dieser nicht immer ein Diagnosegerät dabei hätte – und solange es nicht „Rot“ leuchte, könne man weiterfahren. Das klappte exakt bis zum folgenden Tag, als ein akuter Leistungsverlust des Motors den Bravo in die Werkstatt zwang.
Und nach gründlicher Untersuchung wurden die Kfz-Mechaniker von Auto-Maier aus Albstadt-Tailfingen fündig: Ein Steinmarder hatte sich an dem Dauertest-Bravo ein rechtes Festmahl gegönnt (siehe Foto 16 in der Galerie). Diverse Schläuche und Kabel für Bremskraftverstärker und Temperatursonden mussten ausgewechselt werden. Und auch im Motorraum wurden Marderbisse festgestellt.
FIAT BRAVO IM DAUERTEST: 1,9-LITER-DIESEL MIT TOLLEM DURCHZUG
Nach der Reparatur marschierte der Bravo wieder munter seiner Wege, und niemand konnte sich vorstellen, dass die Mardergeschichte noch nicht zu Ende war. Denn da es erstmal keine besonderen Vorkommnisse gab, konnten sich die Testfahrer im Fahrtenbuch ausgiebig über die Licht- und Schattenseiten des kompakten Italieners auslassen. So geizte Paul Englert nicht mit Lob für den 1,9-Liter-Turbodiesel: „Der Motor hat einen tollen Durchzug und läuft locker bis Tacho 220 km/h. Ein richtig gutes Langstreckenauto.“
Wobei die 220 km/h auf dem Tacho echten 209 km/h entsprechen. Aber auch das reicht allemal, um zügig lange Distanzen zurückzulegen. Denn die 150 PS und 320 Newtonmeter Drehmoment des italienischen Selbstzünders haben mit den 1360 Kilogramm Leergewicht des Bravo in keiner Lebenslage ein Problem.
GUTE MANIEREN, GERINGER VERBRAUCH
Als angenehm empfand dabei Autor Heinrich Lingner die Manieren des Common-Rail-Einspritzers – zumindest nach dem Ende der Kaltlaufphase – und bezeichnete ihn gar als: „Kultiviert!“ Ebenso positiv war auch sein Eintrag „sparsam“ zum Spritverbrauch des Fiat Bravo. Ein Urteil, das auch die Bemerkungen vieler anderer Fahrer widerspiegelte. Wenngleich der Dauertest- Verbrauch des Fiat mit 7,2 Liter ter Diesel um gut anderthalb Liter über dem EU-Verbrauch (5,6 Liter) liegt. Aber die lobenden Worte verstummten jäh, als sich Mitte Juni 2008 die Motor-Kontroll- Lampe wieder meldete und der Motor in den Notlauf ging. Doch nach Auswechslung des Turboschlauchs – auch daran könnte der Marder sich gütlich getan haben – und einer Partikelfilter-Regeneration war alles wieder im grünen Bereich.
Mit steigenden Außentemperaturen häuften sich allerdings andere Beschwerden, die sich wie ein roter Faden in den Sommermonaten durchs Fahrtenbuch zogen. Man fühlt sich im Nachhinein fatal an die ICE-Hitzekrise diese Sommers erinnert, wenn man liest, was Redakteur Holger Ippen notiert hat: „Ab 29 Grad schafft es die Klimaanlage kaum noch.“ Sie ist zudem noch „durchsatzschwach, aber unangenehm laut“, wie Chefreporter Stefan Miete monierte. Fiat mag hier keinen Fehler im System erkennen (siehe auch unten: „Das sagt Fiat ...“).
SCHWACHE KLIMAANLAGE
Auf einen anderen Schwachpunkt hingegen haben die Italiener inzwischen reagiert. Denn ebenso wenig wie mit dem Schwitzen im Sommer mochten sich die AUTO ZEITUNG-Mitarbeiter damit abfinden, während der beiden vergangenen strengen Winter im Bravo zu frieren, wie der Eintrag von Volontär Alexander Lidl beispielhaft zeigt: „Die Heizleistung ist ungenügend.“ Deshalb hat Fiat im März dieses Jahres allen Bravo-Modellen mit Dieselmotor serienmäßig einen elektrischen Zuheizer spendiert.
Doch mit zunehmender Verweildauer im Bravo – als der Reiz des Neuen etwas verflogen war – nahmen andere Beschwerden zu. So bemerkte Layouter Laso Cordes noch vergleichsweise zurückhaltend: „Die Sitze sind auf Dauer hart und unbequem.“
Andere hingegen wie Heinrich Lingner bezeichneten das Gestühl in der ersten Reihe schlicht als Fehlkonstruktion: „Die Sitze sind zu klein, die Sitzflächen zu kurz, und in den Kurven gibt es viel zu wenig Seitenhalt.“
Verstärkt wurden diese negativen Eindrücke mit Sicherheit noch durch die Fahrwerksabstimmung. Durch die Bank beklagten die Kollegen eine zu harte Federung mit einem ungenügenden Ansprechen auf Bodenunebenheiten. Daraus resultiere ein „poltriges Abrollen“, wie Testredakteur Elmar Siepen anmerkte. Andere gingen noch weiter und attestierten dem Bravo ein erbärmliches Stuckern.
Dazu gesellten sich vergleichsweise laute Abrollgeräusche und „lautes Prasseln von Wasser in den Radkästen“ bei Fahrten auf nassen Straßen, wie Andreas Of im Fahrtenbuch schrieb. Doch diese Kritik am Bravo ist offensichtlich frühzeitig in die Konzernzentrale nach Turin vorgedrungen, denn bereits im April 2009 wurden im Rahmen einer Modellpflege die Aufhängung der Hinterachse modifiziert und die Dämpfung neu justiert. Dadurch hat sich – laut Fiat – das Ansprechverhalten deutlich verbessert. Als Ergebnis der Überarbeitung habe sich der Abrollkomfort erhöht, und auch die akustische Dämpfung sei dadurch optimiert worden – ohne dass es Einbußen bei den Handling-Eigenschaften gegeben habe.
Letztere gehören zweifelsohne zu den positiven Charaktermerkmalen des Fiat Bravo. Zwar ist seine Lenkung um die Mittellage etwas gefühllos, doch dafür macht er seine Sache auf kurvigen Straßen recht überzeugend. Nicht unbedingt besonders sportlich, dafür aber – nicht zuletzt dank ESP – immer auf der sicheren Seite. Dafür machte der Bravo bei 67.059 Kilometern mit einem Öl-Leck an einer Antriebswelle auf sich aufmerksam. Wegen einer Undichtigkeit der Gummimanschette musste diese ausgewechselt werden. Auch hier deutet vieles auf Spätfolgen der Marderattacke hin.
STÖRENDE KLEINIGKEITEN
Die ausgeschlagene Antriebswelle, die bei Kilometerstand 84.020 ausgewechselt werden musste, könnte ebenfalls zumindest indirekt auf das bissige Nagetier zurückzuführen sein. Obwohl diese Reparatur erst kurz nach dem Ende der Garantiezeit erforderlich wurde, ging der Großteil der Rechnung noch auf Kulanz.
Im Übrigen blieb der Bravo von außerplanmäßigen Reparaturen weitgehend verschont und finanziell unauffällig. Zwischen den regulären Serviceterminen etwa trat kein messbarer Ölverbrauch auf.
Umso mehr störten auf Dauer die Kleinigkeiten im täglichen Umgang mit dem Italiener. So wurde etwa die Bedienung des Infotainment- Systems mit Navigation und Audioanlage einhellig als „umständlich“ bis hin zu „katastrophal“ beschrieben.
Und auch wenn man damit nicht täglich zu tun hat, nervte zudem das Tanken. Nur selten brachte ein AUTO ZEITUNG-Mitarbeiter die Zeit und Muße auf, den Tank randvoll zu füllen. Dazu kommen eine ungenaue Tankanzeige, spiegelnde Armaturen und ein zu kleiner Navigationsbildschirm, der nur eine Pfeildarstellung bietet. Hier zumindest hat Fiat bei der Modellpflege im März diesen Jahres nachgebessert und stattet die Version Dynamic serienmäßig mit Navigationssystem inklusive 6,5 Zoll großen Displays aus.
Nichts zu ändern ist hingegen an der schlechten Sicht nach hinten wegen des sehr kleinen Heckfensters und der breiten C-Dachsäulen. Diese Sichtverhältnisse verschlechtern sich zusätzlich, wenn das Auto, wie der Dauertest-Bravo, hinten mit getönten Scheiben ausgestattet ist. Und auch die Plätze in der zweiten Reihe laden nicht unbedingt zum Reisen ein. Die Sitzflächen sind kurz, die Lehnen sehr steil, und der Knieraum hält sich in Grenzen.
DAS SAGT FIAT ...
... ZU KLIMAANLAGE UND HEIZUNG: Eine unzureichende Leistung der Klimaanlage bei hohen Außentemperaturen ist in der Serie 1 nicht zu beobachten. Dieselfahrzeuge der Fiat Bravo-Baureihe haben seit März 2010 serienmäßig einen elektrischen Zuheizer. Damit wird die Zeit, die benötigt wird, um den Innenraum bei niedrigen Außentemperaturen aufzuheizen, deutlich reduziert.
... ZUR FAHRWERKSABSTIMMUNG: Im Rahmen der Modellpfl ege wurden bereits im April 2009
die Aufhängung und die Dämpfung der Hinterachse überarbeitet und damit in ihrem Ansprechverhalten deutlich verbessert. Resultat sind ein erhöhter Abrollkomfort bei unverändert guten Handlingeigenschaften sowie eine deutlich verbesserte akustische Dämpfung.
... ZU DEN VORDERSITZEN: Die Sitzgeometrie wurde innerhalb des Lebenszyklusses der Baureihe nicht verändert.
... ZUM BETANKEN: Dieses Problem ist uns aus Feldbeobachtungen nicht bekannt.
MODELLPFLEGE
02/2008 Neuer Dieselmotor 1.6 16V Multijet mit 105 PS
03/2008 Neuer Dieselmotor 1.6 16V Multijet mit 120 PS
09/2008 Neuer Dieselmotor 2.0 16V Multijet mit 165 PS
03/2010 Facelift: dunkel eingefasste Scheinwerfer, neuer Kühlergrill mit Metallic-Rahmen, drei Ausstattungsvarianten Active, Dynamic und Sport; serienmäßig sind sieben Airbags, ESP, Klimaanlage und Radio mit MP3- fähigem CD-Player (Preisvorteil beim Basismodell 1710 Euro). Version Dynamic: 16-Zoll-Alu- Räder, Klimaautomatik, 6,5-Zoll- Navi-System, Freisprechanlage, Sprachsteuerung und USB-Port. Version Sport: 17“-Alu-Räder, Sportsitze, -fahrwerk und -lenkrad, Aerodynamikpaket
08/2010 Neuer Benzinmotor: 1.4 16V T-Jet MultiAir mit 140 PS
Fazit
Die Bilanz des 100.000-Kilometer-Dauertests des Fiat Bravo fällt zwiespältig aus. Einerseits liefert der kräftige und vergleichsweise sparsame Motor in Zusammenarbeit mit dem gut abgestuften und ordentlich schaltbaren Sechsganggetriebe eine überzeugende Vorstellung. Andererseits wirken viele Detaillösungen bei dem Auto – Sitze, Navigation, Klimaanlage, Heizung und Federung – wie nicht zu Ende gedacht. Hier muss Fiat seine Hausaufgaben noch besser machen. Was in Sachen Zuverlässigkeit längst passiert ist. Denn die meisten außerplanmäßigen Werkstattaufenthalte sind – auch bei sehr kritischer Betrachtung – mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Marderattacke zu Beginn des Dauertest-Marathons zurückzuführen.
Technische Daten | |
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Motor | |
Zylinder | 4-Zylinder, 2-Ventiler, Turbodiesel, Partikelfilter |
Hubraum | 1910 |
Leistung kW/PS 1/Min | 110/150 400 U/min |
Max. Drehmom. (Nm) bei 1/Min | 320 2000 U/min |
Kraftübertragung | |
Getriebe | 6 Gang manuell |
Antrieb | Vorderrad |
Fahrwerk | |
Bremsen | v: innenbelüftete Scheiben h: Scheiben |
Bereifung | v: 205/55 R 16 V h: 205/55 R 16 V |
Messwerte | |
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Gewichte (kg) | |
Leergewicht (Werk) | 1360 |
Beschleunigung/Zwischenspurt | |
0-100 km/h (s) | 9.1 |
Höchstgeschwindigkeit (km/h) | 209 |
Verbrauch | |
Testverbrauch | 7.2l/100km (Diesel) |
EU-Verbrauch | 5.6l/100km (Diesel) |
Reichweite | k.A. |
Abgas-Emissionen | |
Kohlendioxid CO2 (g/km) | k.A. |