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Ferrari Dino 246 GT & Mercedes 280 SL: 1960er-Sportler im Duell

Dino und SL sind wie Feuer und Wasser

Karsten Rehmann Autor
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Inhalt
  1. Im Vergleich könnten Ferrari Dino 246 GT und Mercedes 280 SL (W113) unterschiedlicher kaum sein
  2. Beim Dino beginnt die Agilität dort, wo beim SL der Spaß aufhört
  3. Die "Pagode" überzeugt als Reise-Sportwagen
  4. Ferrari und Mercedes sind eine Klasse für sich
  5. Technische Daten von Ferrari Dino 246 GT und Mercedes 280 SL (W113)

Zwei Sportwagen können den Geist und die Leidenschaft ihrer Herkunftsländer nicht treffender verkörpern als diese: Im Ferrari Dino 246 GT steckt das Rennfieber Italiens, im Mercedes 280 SL (W113) der deutsche Perfektionsdrang.

 

Im Vergleich könnten Ferrari Dino 246 GT und Mercedes 280 SL (W113) unterschiedlicher kaum sein

Nuvolari gegen Caracciola, Don Giovanni gegen Tannhäuser, Alberto Tomba "La Bomba" gegen Markus Wasmeier, Brunello di Montalcino gegen die Riesling-Auslese – Italien gegen Deutschland, das ist in jeder Liga, in jeder Branche ein Wettstreit auf höchstem Niveau. Gespielt wird nach gleichen Regeln, aber mit völlig unterschiedlicher Strategie und Taktik. Wer gewinnt, bleibt oft bis zum Schluss offen, weil sich die jeweiligen Stärken ausgleichen.

Verhält es sich mit diesem ungleichen Duo genauso? Ferrari Dino 246 GT und Mercedes 280 SL (W113), zwei Sportwagen der gleichen Generation und doch so unterschiedlich wie Feuer und Wasser. Beide wurden zum Zeitpunkt der Fotoproduktion vom Düsseldorfer Oldtimer-Händler Movendi zum Kauf angeboten, und wir bedanken uns noch vor dem "Anpfiff" für die Chance zur gemeinsamen Aufwärmrunde mit diesen Klassikern der Baujahre 1971 und 1972. Aber genug der Vorrede, das Spiel kann beginnen!
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Beim Dino beginnt die Agilität dort, wo beim SL der Spaß aufhört

Der Ferrari Dino 246 GT drückt von der ersten Sekunde an aufs Tempo. Die Offensive liegt in seiner Natur, er will einfach immer am Ball bleiben. Sein quer zwischen Passagierabteil und Hinterachse platzierter Motor startet am besten mit etwas Gaseinsatz, aber dann vehement. Selbst im Leerlauf wirkt er nervös wie ein italienischer Mittelstürmer, der auch dann noch weiterdribbelt, wenn das Spiel längst unterbrochen wurde. Leichte Gasstöße halten ihn bei Laune, bis die Kupplung einrückt, und dann bolzt er sofort los, direkt auf den gegnerischen Strafraum zu. Man muss ihn dabei live erleben, ihm zusehen, zuhören, fühlen, wie er im Stand an einer Ampel vibrierend, aber ohne Showeinlage die Blicke von vier, fünf Schaulustigen auf sich zieht, die ihm noch hinterherschauen werden, wenn ihre eigene Ampel längst auf Grün umgesprungen ist.

Der Ferrari Dino 246 GT fahrend seitlich
Foto: Daniela Loof

Auf freier Strecke, am besten einer in harmonischen Bögen geschwungenen Landstraße, entfaltet er die Magie des italienischen Maschinenbaus – eine beinahe poetische Harmonie aus Motorsound und Karosserielinien. Er klingt so, wie er aussieht, und er bewegt sich so, wie er klingt. Seine Silhouette fließt nicht, sie schneidet durchs Bild – scharf, aber elegant wie Florettfechtende. Mit 2,4 l Hubraum und 195 PS (143 kW) ist der Dino 246 GT an Ferrari-Maßstäben gemessen unterernährt, dabei war er in seiner Urfassung noch schlanker – ein Drehzahljunkie mit nur zwei Liter Lungenvolumen. 1080 kg Lebendgewicht bedeuten auch beim 246 GT kaum Massenträgheit, aber fabelhafte Agilität, solange der Drehzahlmesser dort bleibt, wo beim SL der Spaß aufhört. Veni, vidi, vici!

Den Vorsprung zu halten, mit niedriger Drehzahl die Zeit abzubummeln, im fünften Gang aus dem Fußgelenk heraus die Führung zu verteidigen – dafür ist der Dino nicht gebaut. Mit kalten Brennräumen hat er keine zündende Idee. Das bei vielen Oldtimer-Events unvermeidliche Schaulaufen macht ihn krank. Ehe er durch verkehrsberuhigte Zonen schlurfen, rückwärts einparken und Kopfsteinpflaster aushalten muss, tritt er lieber gar nicht erst an.

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Die "Pagode" überzeugt als Reise-Sportwagen

Italophile Autofans haben für diese Einstellung volles Verständnis. Nördlich der Alpen wird dem Dino das Verhalten dagegen oft als Star-Allüre angekreidet. Hier wird allgemein erwartet, dass der Sportler pünktlich zum Training anspringt und auch bei widrigen Platzverhältnissen seine Leistung abruft. Der Mercedes SL der Baureihe W113 demonstriert, dass Eleganz, im Vergleich zum Dino verhaltene Dynamik und Zuverlässigkeit unter einen Hut passen. Es gelingt ihm so gut, dass er als einziger offener Sportwagen ausgerechnet nach der Architektur dieses "Hutes" benannt wird: Pagode. Vom Scheitel bis zur Sohle rollt hier eine typische deutsche Wertarbeit vor. Der SL strahlt außen wie innen limousinenhafte Gediegenheit aus. Hätte er zwei Türen mehr und eine Fondsitzbank, könnte er in der Winterpause auch als Taxi gute Dienste leisten. All das, was man einem Dino nicht zumuten mag, erledigt der Mercedes würdevoll und klaglos.

Ein Blick auf das Lenkrad spricht Bände. Das Trainingsdress des SL wirkt nicht gerade ambitioniert, eher etwas altmodisch, wenn er so wie hier im Fritz-Walter-Gedächtnis-Trikot mit 185er-Weißwandreifen aufläuft. Die kurz abgestufte Vierstufen-Automatik (so funktionieren Automatik-Getriebe) ist aber keine "Schon-Schaltung" und senkt weder die Drehzahl noch den Vortrieb. Der Mercedes 280 SL wäre auch als Handschalter kein Draufgänger – er zeigt sportliches Talent nur, wenn es erforderlich ist. Seine Taktik hat bei Daimler jahrzehntelange Tradition: kontrollierte Offensive aus der Weite des Hubraums. Mit 2,3 l fing es 1963 an, dann stockten sie über 2,5 auf schließlich 2,8 l auf. Mit langem Atem baut dieser Reihensechszylinder sein maximales Drehmoment (Unterschied zwischen Leistung und Drehmoment) auf. Bei 4500/min erreicht es den Höchstwert, aber er muss es selten abrufen, es bleibt seine stille Reserve.

Der Mercedes 280 SL (W113) fahrend seitlich
Foto: Daniela Loof

Am überzeugendsten agiert der 280 SL, wenn er mit Steilpässen an der Seitenlinie entlang auf lange Reisen geschickt wird. Dann spielt er seinen Konditionsvorteil aus und erreicht hohe Dauertempi bei mittlerer Pulsfrequenz und moderaten Verbrauchswerten. Der ideelle Urahn der modernen Mercedes-Roadster macht nie den Eindruck, als würde er sich verausgaben. Für Sportwagenverhältnisse bietet er fürstlichen Sitz- und Federungskomfort, sodass auch die Besatzung nicht müde wird.

Der Kofferraum ermöglicht eine großzügige Proviantmitnahme, der Motorraum ist für Wartungsarbeiten gut zugänglich, und der 82-l-Tank gestattet sehr lange Strecken ohne Boxenstopp. Sobald das Match in die Verlängerung geht, steigen seine Erfolgschancen. Zwar nimmt auch der Dino stolze 70 l Kraftstoff mit, aber sein Durst passt zum Tatendrang. Der Vorsprung durch Temperament zwingt zu Tankstopps in kurzen Intervallen. Gelegenheit für den SL, den Abstand zu verkürzen, an Einholen ist dabei aber nicht zu denken.

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Ferrari und Mercedes sind eine Klasse für sich

Ziehen wir Bilanz. Auf langen Strecken hat der deutsche Sportwagen unbestreitbare Vorteile: Er federt besser und macht weniger Lärm. Der Italiener ist auf der Geraden wie in Kurven um Welten schneller, verlangt der Besatzung aber einiges ab. Höchste Drehzahlen und eruptive Beschleunigung gibt es nicht umsonst. In der ersten Stunde klingt er grandios, in der zweiten berauschend, aber wenn du ihm einen vollen Tag lang zuhören durftest, begleitet dich sein Tenor noch bis tief in die Nacht. Ein faires Urteil fällt salomonisch aus: Zwei so unterschiedliche Sportwagen können einander nur ergänzen, aber nicht ausstechen. In ihren schönsten Momenten sind sie jeweils eine Klasse für sich.

 

Technische Daten von Ferrari Dino 246 GT und Mercedes 280 SL (W113)

Classic Cars 11/2022Ferrari Dino 246 GTMercedes 280 SL (W113)
Zylinder/Ventile pro Zylin.6/26/2
Hubraum2418 cm³2778 cm³
Leistung143 kW/195 PS 7600/min125 kW/170 PS 5750/min
Max. Gesamtdrehmoment bei226 Nm 5500/min240 Nm 4500/min
Getriebe/Antrieb5-Gang-Getriebe/Hinterrad4-Stufen-Automatik/Hinterrad
L/B/H4201/1699/1115 mm4285/1760/1320 mm
Leergewicht1080 kg1360 kg
Bauzeit1969-19741968-1971
Stückzahlca. 2500 (ohne GTS)23.885
Beschleunigung
null auf 100 km/h
7,2 s9,0 s
Höchstgeschwindigkeit235 km/h195 km/h
Verbrauch auf 100 km13,0 l S11,4 l S
Grundpreis (Jahr)38.906 D-Mark (1972)26.640 D-Mark (1971)

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