Chevrolet Corvette Z06: Topmodell mit 659 PS im Fahrbericht Die Kraft sei mit dir
Brachialer Rennwagen für die Straße: Die Chevrolet Corvette Z06 rockt sagenhaft. Fahrbericht
Gut Informierte wissen es schon lange: Mehr Sportwagen für weniger Geld als bei der Corvette bekommt man nirgendwo. Besser Informierte haben allerdings auch schon verstanden, dass die Corvette keinesfalls den Budget-Welpenschutz braucht, sondern allein durch ihre ausgeprägten Qualitäten für sich spricht. Sie ist seit mittlerweile mindestens zwei Generationen ein Sportwagen, der mit den Besten der Besten konkurrieren kann. Punkt! Mit der aktuellen Corvette Stingray hat Chevrolet das weiter zementiert – so modern, zeitgemäß und gleichzeitig infernalisch schnell war noch keine Corvette davor.
Chevrolet Corvette Z06: Über-Auto mit Kompressor-V8
Wer nun aber glaubt, die Entwickler aus Michigan würden es dabei belassen, darf sich von der neuen Corvette Z06 2015 auf die nächste Bewusstseinsstufe heben lassen: 659 PS und 881 Newtonmeter aus einem 6,2-Liter-Kompressor-V8 – das sind Hypercar-Dimensionen. Der Zusatz Z06 steht aber nicht einfach nur für maximale Motorleistung, sondern hat einen völlig anderen Stellenwert.
Bereits in den 1960er-Jahren wurde dieses Kürzel als Entwicklungs-Code für ein motorsportliches Teilepaket verwandt, das man quasi unter dem Ladentisch an damalige Corvette-Kunden verkaufte. Mit den Jahrzehnten wurde dieser Code dann zur Modellbezeichnung. Er steht – ähnlich wie bei Porsche der Zusatz GT3 – für den rennstreckentauglichen Ableger der Corvette-Baureihe.
Mit der siebten Corvette-Generation zieht Chevrolet in Sachen Z06 aber noch einmal ganz andere Saiten auf: Einerseits werden die rennsportlichen Talente drastisch weitergefeilt, andererseits suchen die Entwickler eine bis dahin ungekannte Bandbreite. Die Z06 ist sowohl als Coupé mit herausnehmbarem Dach zu haben, wird aber auch als Cabriolet (104.500 Euro) angeboten.
Neben dem serienmäßigen Siebengang-Getriebe ist eine im Haus entwickelte Achtstufen-Automatik (2800 Euro) zu haben, die zwar als Alternative für komfortbewusstere Fahrer gelten kann, sich aber keineswegs auf diese Rolle reduzieren lässt: De facto nimmt die Automatikversion der Handschalt-Corvette im Sprint von null auf 100 km/h mit 3,2 Sekunden noch einmal zwei Zehntelsekunden ab, schlägt sich aber mit blitzschnellen Schaltvorgängen, korrekt portionierten Übersetzungssprüngen sowie selbst im kompletten Automatik-Modus perfekt sitzendem Schaltmuster auch im Einsatz auf der Rennstrecke hervorragend.
Tatsächlich passt die Automatik durch ihre Vernetzung mit den Fahrprogrammen und dem schaltbaren Sperrdifferenzial auch für kompromisslose Rennstrecken-Füchse: Geschaltet wird von Eco bis Track, das Differenzial ist dazu von Regen/Schnee über Trocken und Sport sowie Sport/ESP Aus schaltbar.
Bei unseren Testrunden auf der Rennstrecke konnte sich aber vor allem auch das intelligente Sperrdifferenzial segensreich bemerkbar machen. Energisch-flüssiges Einlenken mit offenem Differenzial und dann im Kurvenverlauf langsam zuziehende Wirkung für brutale Traktion am Kurvenausgang – diese Corvette ist ein echter Pfiffikus.
Corvette Z06: hohe Performance, Stabilität und Traktion
In dieser Form bleibt der Siebengang-Handschaltung eigentlich nur die Rolle als gefühlsechte Alternative für Fahrspaß-Fanatiker. Und auch wenn die Corvette-Ingenieure der manuellen Schaltbox sogar noch eine automatische Zwischengas-Funktion spendiert haben, dürften die schnelleren Rundenzeiten mit dem Automatik-Getriebe zu ernten sein.
Wer es dann richtig ernst meint mit den Hunderstelsekunden, dürfte kaum am 16.600 Euro teuren Z07 Performance-Paket vorbeikommen. Hier rollt die Z06 auf Michelin Pilot SportCup 2 Semi-Slicks an die Startlinie, die eh schon sensationell zupackenden Scheibenbremsen werden durch kuchenplattengroße Brembo-Karbon-Keramik-Bremsen ersetzt, und einstellbare Aerodynamik-Teile machen die Corvette auch in dieser Hinsicht an unterschiedlichste Streckenprofile anpassbar.
Klares Entwicklungsziel war dabei nicht nur, die reine Performance zu steigern, sondern Traktion und Stabilität des Kraftmonsters so ausgeprägt hoch, dass selbst durchschnittliche Fahrer relativ schnell beginnen, mit sehr hohem Sicherheitsgefühl an ihren Rundenzeiten zu feilen. Der 6,2-Liter-V8 drückt aus jeder Lage derbe voran, bringt diese Entladung von massiver Gewalt aber spürbar ausgewogen auf den Boden.
Keine Unruhe beim Herausbeschleunigen, keine unpassenden Lastwechsel in langgezogenen Kehren, kein Ausbrechen beim harten Anbremsen. Die Corvette lenkt herrlich sämig ein und besticht durch schönes Lenkungsfeedback. Dass die Lenkung dabei tendenziell eher leichtgängig abgestimmt ist, kann unmöglich als Nachteil gewertet werden, sondern muss als reines Charaktermerkmal gelten – das beim souverän-entspannten Feierabend-Cruisen sogar noch willkommen ist.
Wer nun meint, die Kombination US-V8 und Hyperpower müsse zu unzeitgemäß hohem Verbrauch führen, wird von der modernen Direkteinspritzungsmaschine eines Besseren belehrt: Im Normalmodus (Eco) werden bei unter sechs Prozent Gaspedalstellung (also beim Mitschwimmen auf der Autobahn) vier Zylinder abgeschaltet, aus dem V8 wird ein V4.
Hinzu kommt, dass der Kompressor in allen Fahrmodi im Schiebebetrieb ebenfalls durch einen Bypass abgeschaltet wird – ein weiterer Sparbeitrag, der die Corvette Z06 am Ende wieder zu einem der effizientesten Sportwagen macht. Tolles Feature für Spielernaturen: Der optionale Performance Data Recorder legt Rundenzeiten und Videobilder auf einer Speicherkarte ab – die Z06 dürfte also bald auch YouTube-Star sein.
Als Z06 wird aus der eh schon sagenhaft schnellen Corvette ein beeindruckendes Über-Auto. Motorleistung pur, geniale Fahrbarkeit, ausgefeiltes Chassis, tolle Bremsen und tonnenweise Charisma. Traditionell zum absoluten Schnäppchenpreis. Top!
Johannes Riegsinger