Blitzerfoto (nicht erkennbar): anfechten & Urteil
Dann kann sich ein Einspruch lohnen
Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2020 mit einem Urteil entschieden: Wenn Autofahrer:innen ein Blitzerfoto anfechten – weil etwa die Person am Steuer nicht erkennbar ist –, müssen sie alle Dokumente einsehen dürfen, die in dem Verfahren zur Tempomessung eine Rolle spielen. Dann kann sich der Einspruch lohnen!
Es gibt verschiedene Gründe für Temposünder:innen einen Bußgeldbescheid anzufechten – etwa wegen eines Blitzerfotos, auf dem die Person am Steuer nicht erkennbar beziehungsweise nicht eindeutig identifizierbar ist oder auch wegen Zweifeln an der Richtigkeit einer Messung. Wer Einspruch gegen einen entsprechenden Blitzer-Bescheid einlegen will, sollte jedoch einige Dinge beachten, um am Ende nicht noch höhere Kosten tragen zu müssen. Um Fehler zu vermeiden, sollten Betroffene unbedingt einen Anwalt oder eine Anwältin hinzuziehen. AUTO ZEITUNG erklärt, welche Rechte Autofahrer:innen haben, wann ein Foto anfechtbar ist und was passiert, wenn Einspruch eingelegt wird. Mehr zum Thema: Bußgeldkatalog
Handyblitzer im Video:
Blitzerfoto nicht eindeutig erkennbar: anfechten & Einspruch einlegen
Wem ein Bußgeldbescheid samt Blitzerfoto wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ins Haus flattert, muss häufig nicht nur mit einer Geldstrafe, sondern auch mit Punkten im Flensburger Verkehrsregister rechnen. Ist die Person am Steuer auf dem Bild nicht eindeutig zu identifizieren, etwa weil das Gesicht verdeckt oder unscharf ist, können Betroffene Einspruch gegen den Bescheid erheben. Schließlich ist das Blitzerfoto das wohl wichtigste Beweismittel im Bußgeldverfahren. Denn: In Deutschland gilt in solchen Fällen die Fahrer- nicht die Halterhaftung. Zwar sendet die zuständige Behörde zunächst einen Anhörungsbogen an Fahrzeughalter:innen, wenn mit dem auf sie zugelassenen Wagen eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde. Diese können dann jedoch angeben, wer zur Tatzeit tatsächlich am Steuer saß, falls sie selbst keine Schuld trifft. Aber: Sie sind nicht dazu verpflichtet, entsprechende Angaben zu machen. Übrigens: Auch ohne Blitzerfoto ist ein Bußgeldbescheid gültig und kann somit entsprechende Konsequenzen haben. Denn auch das Ermitteln der Person am Steuer durch Befragungen von Bei- oder Mitfahrer:innen sind zulässige Beweismittel. Liegt das Blitzerfoto nicht bei, kann es aber auch nachträglich noch angefordert werden. Außerdem gilt es zu berücksichtigen, dass das Original des Blitzerfotos bei der zuständigen Behörde meist in besserer Qualität vorliegt, als das, was Betroffene mit dem Bußgeldbescheid erhalten. Um das zu prüfen, sollten betroffene Autofahrer:innen oder deren Anwält:innen daher Akteneinsicht beantragen. Sind die charakteristischen Merkmale im Gesicht jedoch partout nicht einwandfrei erkennbar, kann es sich lohnen, innerhalb einer festgelegten Frist von zwei Wochen nach Erhalt des entsprechenden Bescheids Einspruch einzulegen. Es empfiehlt sich jedoch, dazu die Hilfe von Anwält:innen für Verkehrsrecht in Anspruch zu nehmen. Diese können eine erste Einschätzung abgeben, wie die Chancen auf einen erfolgreichen Einspruch stehen. Einige Kanzleien bieten hierzu sogar die Möglichkeit zu einer kostenlosen Ersteinschätzung. Nach dem Einspruch muss die zuständige Behörde den Fall dann erneut prüfen. Erkennt sie den Widerspruch nicht an, geht der jeweilige Fall an das zuständige Gericht, das in einem sogenannten Zwischenverfahren den Einspruch prüft und sich eingehend mit dem Bild befasst. Außerdem haben zuständige Richter:innen die Möglichkeit, ein anthropologisch-morphologisches Gutachten erstellen zu lassen, um Verkehrssünder:innen zu identifizieren. Dieses Vorgehen bedeutet jedoch relativ großen Aufwand und verursacht zudem auch einiges an Kosten.
Anfechten: Bundesverfassungsgericht mit Urteil zu Blitzer-Fotos
Autofahrer:innen die von einem Blitzerfoto überrascht wurden, haben nun mehr Chancen, ihre Zweifel an der Tempomessung zu untermauern und diese anzufechten. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 2020 stellt fest, dass Betroffene die Unterlagen, die in dem Fall eine Rolle spielen könnten, einsehen können müssen. Die 3. Kammer des zweiten Senats gibt damit einer Verfassungsbeschwerde eines Autofahrers statt, der 2017 außerorts mit 30 km/h zu schnell geblitzt wurde. Die Strafe belief sich auf eine Geldbuße von 160 Euro, ein einmonatiges Fahrverbot sowie einen Punkt im Verkehrszentralregister in Flensburg. Dem Urteil nach muss die Weitergabe der Informationen allerdings im Zusammenhang mit dem Vorwurf stehen. Damit soll einer Verfahrensverzögerung und dem Rechtsmissbrauch bei Blitzerfotos vorgebeugt werden. Beim Urteil des Bundesverfassungsberichts geht es in erster Linie um die Rohmessdaten des Blitzers (Az.: 2 BvR 1616/18). Arndt Kempgens, Fachanwalt und ACE-Experte stellt fest: "Die Behörden müssen die Daten auch jetzt aber nicht automatisch herausrücken. Autofahrer:innen müssen die Daten einfordern. Dafür sollten sie Einspruch innerhalb der vorgesehen Frist erheben." Dies ist formlos möglich. Ab dem Zeitpunkt der Briefzustellung hat man dafür zwei Wochen Zeit. Zudem stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Jost Kärger, Verkehrsrechtler beim ADAC, fügt an: "Das Gutachten ist meist deutlich teurer als das Bußgeld. Es stellt sich die Frage, ob sich das lohnt. Daher sollte man sich sicher sein. Das ist auch wichtig, damit einem die Rechtsschutzversicherung bei einer Häufung solcher Fälle nicht kündigt." Übrigens: Wenn in Deutschland jemand geblitzt wird, folgt in der Regel eine schriftliche Anhörung der Fahrzeughalter:innen zu dem Vorgang. Sollte die Bußgeldstelle zuvor schon weitere Daten über Betroffene beim Fahrerlaubnisregister in Flensburg angefordert haben, kann man mit einem simplen Verweis auf den Datenschutzverstoß das Strafmaß gegebenenfalls anfechten und so glimpflicher davonkommen.