Auto Union Typ 52: Premiere mit 90 Jahren Verspätung
Porsches Traum eines Schnellsportwagens
Gut Ding will Weile haben: Wie der Auto Union Typ 52 mit 90 Jahren Verspätung doch noch zum ersten Schnellsportwagen der Welt wurde!
Man wird ja wohl noch träumen dürfen! Und manchmal gehen die Träume auch in Erfüllung, selbst wenn es bisweilen etwas länger dauert. Sehr lange sogar. Zumindest für jenen Traum, den ein gewisser Ferdinand Porsche in den 1930ern geträumt hat. Denn lange, bevor der Ingenieur seinen ersten eigenen Sportwagen baute, hat er für die damals noch junge Auto Union nicht nur jene Grand Prix-Rennwagen entworfen, die zusammen mit Mercedes den Mythos der Silberpfeile begründet und Männer wie Tazio Nuvolari, Bernd Rosemeyer und Hans Stuck zu Helden gemacht haben.
Er hatte auch den Traum von einer Version mit Stromlinienkarosse und Straßenzulassung, die als Schnellsportwagen Furore machen sollte. Doch während die Rennwagen vom Typ A bis zum Typ D in kaum mehr als fünf Jahren mehr als zwei Dutzend Siege eingefahren haben, verliert sich die Idee vom Serienmodell nach ein paar Skizzen und Studien in den Archiven. Der Auto Union Typ 52 bleibt ein theoretischer Traum.
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Auto Union Typ 52 feiert mit 90 Jahren Verspätung Premiere
Fast genau 90 Jahre, nachdem Porsche der Auto Union die Idee vergeblich schmackhaft machen wollte, feiert der Schnellsportwagen auf dem Goodwood Festival of Speed 2024 doch noch seine Weltpremiere. 2014 hat Audi, damals noch im Rausch der Seriensiege in Le Mans, entschieden, Porsches Wunsch wahr werden zu lassen und dem englischen Oldtimer-Spezialisten Crosthwaite and Gardiner den Auftrag zum Nachbau gegeben. Doch weil Audi zwischendurch in Le Mans ausgestiegen ist, das Geld in Ingolstadt etwas knapper wurde und es nur Skizzen des Auto Union Typ 52 gab, wurde das Projekt zu einer Spätgeburt.
Dafür erhält der Typ 52 die ungeteilte Aufmerksamkeit, die ihm gebührt. Denn als wäre die schiere Länge von 5,39 m nicht schon spektakulär genug, ist der in seidenmattem Silber lackierte Sonderling auch noch von außergewöhnlicher Proportion: Der Bug ist breit und kurz, die Kabine dahinter knapp geschnitten und das Heck dafür schier endlos lang.
Und das gleich aus zwei Gründen: Zum einen, weil Porsche und sein Designer Erwin Komeda zugunsten der Aerodynamik der Stromlinie gehuldigt haben. Und zum anderen, weil sie Platz für den Motor brauchten. Denn konstruiert ist der Auto Union Typ 52 genau wie die Grand Prix-Rennwagen seiner Zeit, die den Motor anders als die Stuttgarter Silberpfeile nicht vorne, sondern im Heck tragen. Dieses damals neue Mittelmotorkonzept ist bis heute Standard in der Formel 1 und für die meisten Super- oder Hypersportwagen vom Audi R8 über den McLaren Artura bis zum Bugatti Tourbillon. Der Verweis auf den Bugatti kommt dabei nicht von ungefähr. Schließlich fährt der Typ 52 genau wie der jüngste Hypersportwagen aus dem erweiterten VW-Konzern mit einem V16-Motor. Nur, dass der bei der Auto Union vor 90 Jahren mit einem Kompressor beatmet wurde, während er im Bugatti der Neuzeit als Sauger arbeitet und dafür von einem Plug-in-Hybridantrieb unterstützt wird.
16 Zylinder lassen den Typ 52 sprinten
Während Auftragsentwickler Porsche den Motor aus dem Typ A für den Straßeneinsatz auf damals noch immer atemberaubende 200 PS (147 kW) drosseln wollte, um vor allem normales Benzin anstelle eines Methanolgemischs verbrennen zu können, röhrt im Heck des Auto Union Typ 52 die originale Rennversion des 16-Zylinders, wie sie auch in den restaurierten Silberpfeilen zum Einsatz kommt. Jungfernfahrer Strietzel Stuck lobt den Schnellsportwagen als einfach atemberaubend: "Sein Sound ist super sonor, wie von einem Orchester. Und das Design haut einen fast um – genial!" Natürlich rauben einem heute anders als vor 90 Jahren weder die 200 km/h den Atem, noch der Sprintwert von 8,5 s. Allerdings ist das Ungetüm alles andere als leicht zu bändigen.
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Platz für drei Personen im Innenraum
Man kauert in dem riesigen Auto Union Typ 52 in einer winzigen Kabine, eingeklemmt zwischen dem mächtigen Lenkrad und dem Motor. Die Füße lassen sich kaum über die Pedale bringen, die kurz vor der Achse in die Kabine reichen. Und auch wenn das Auto damals ein Vermögen gekostet hätte, ist es mit dem Luxus nicht weit her: Die Uhrensammlung im hübsch polierten Armaturenbrett ist imposant, aber die nur teilweise mit Leder bezogenen Sessel sind bessere Gartenstühle und im Nacken heizt einem der 16-Zylinder mächtig ein, wenngleich dieser bei aller Leistung eher gemächlich dreht und der rote Bereich schon bei 4500 Touren beginnt.
Noch weniger bequem ist es für die zwei Mitreisenden. Denn während die Person am Steuer wie 60 Jahre später im McLaren F1 in der Mitte sitzt, quetschen sich die beiden anderen leicht versetzt links und rechts daneben. Letztere muss sich gefallen lassen, dass aufgrund der Position der offenen Fünfgang-Schaltung, die Person am Steuer förmlich in der Kniekehle herumwühlt. Die Fahrt von Berlin nach Rom, so wie sie damals als Straßenrennen ausgetragen werden sollte, kann da gar nicht schnell genug vorbeigehen.
So weit wird das Einzelstück aber nicht fahren: Auch wenn er im Grunde ein Neuwagen ist, zählt er zu den kostbarsten Oldtimern im Fuhrpark der Audi Tradition. Deren Chef Stefan Trauf weiß, was er an dem Wagen hat: "Wir freuen uns, dass wir den Auto Union Typ 52 beim Goodwood Festival of Speed 2024 präsentieren können. Dieses Automobil weckt Begeisterung für Design und Technik. Für mich ein absoluter Traumwagen."