Vergleich: Audi R8 V10 Spyder vs. Lamborghini Aventador LP 700-4 Lass Luft herein
Die Supersportler Audi R8 V10 Spyder und Lamborghini Aventador Roadster stammen aus einem Konzern und schaffen locker über 300 Sachen – auch ohne Dach über dem Kopf. Vergleich
Ganz ehrlich: Wir haben es nicht versucht. 300 Sachen waren zu viel. Mit Rücksicht auf unsere Sinnesorgane haben wir auf der Rennstrecke bei knapp über 250 km/h Schluss gemacht. Denn irgendwann hilft selbst das beste Luft-Leitsystem nicht mehr weiter, und es herrscht Orkanstärke im Fahrgastraum.
Die Oben-ohne-Tour kann man in diesen beiden Supersport-Cabrios viel besser genießen, wenn man gemütlich cruist und Motoren- sowie Auspuff-Klang ohne nervige Windgeräusche ans Ohr dringen. Zwar sind R8 V10 und Aventador eng verwandt und leben unter dem Dach des VW-Mutterkonzerns, technisch gehen sie jedoch getrennte Wege. Verantwortlich für feinste Sportwagenklänge ist im Audi ein Zehnzylinder mit 5,2 Liter Hubraum und 525 Pferdestärken. Lamborghini legt noch einen drauf und trimmt den 6,5 Liter großen V12 im Aventador Roadster auf 700 PS.
Übersichtlichkeit? nicht im Lambo!
Bei standesgemäßer Haltung sollte der Aventador nicht mit engen Parklücken, hohen Bordsteinkanten oder verwinkelten Parkhäusern konfrontiert werden. Und wenn man doch gezwungen ist, öffentliche Stellplätze zu benutzen, sollte man Parkpiepser und Rückfahrkamera an Bord haben (Option). Vor allem das lange, spitze Heck ist sehr schlecht überschaubar, den Schulterblick kann man sich sparen.
Die Audi-Karosserie ist kompakter und dank hoher Sitzposition besser einsehbar. Trotzdem empfehlen wir auch hier die Einparkhilfe inklusive Kamera (1540 Euro). Viel Platz überm Scheitel bleibt in beiden Roadstern nicht, dafür ist die Ellenbogenfreiheit ausreichend bemessen. Im Lamborghini stört allerdings der breite Mitteltunnel, der auf der Fahrerseite auch noch zwei Navi-DVD-Laufwerke und SD-Karten-Slots beherbergt. Fürs rechte Fahrerbein bleibt also nicht mehr viel Raum.
Zwar setzen Audi und Lamborghini auf dieselbe Multimedia-Technik, trotzdem gibt es in Sachen Bedienung Abzüge für den Lambo. Schuld ist die umständliche Dachentriegelung des Italieners. Das Rezept: Erst die Sitzlehne nach vorn stellen, dann eine der jeweils sechs Kilo leichten Dachhälften mit dem roten Sicherheitshebel entriegeln, um sie schließlich per Knopfdruck aus der Verankerung zu lösen. Und das Ganze noch einmal. Wer’s drauf anlegt und die ersten Regentropfen abwartet, muss also mit feuchten Lederbezügen rechnen. R8 Spyder- Fahrer können das gut gedämmte Stoffdach ganz einfach per Knopfdruck öffnen und schließen – auch während der Fahrt bis Tempo 50.
Die Entriegelung der Aventador-Schwenktüren von innen ist ebenfalls nicht optimal gelöst. Erst muss man eine Schutzkappe drücken, bevor man den Hebel zum Entriegeln ziehen und so die Tür nach oben schwingen lassen kann. Für Reisen mit Gepäck sind sowohl Spyder als auch Roadster ungeeignet. Ladekapazitäten von knapp 300 (Audi) und 260 Kilogramm (Lamborghini) reichen zwar für zwei Personen, jedoch fehlt der Raum, um mehr als zwei Sporttaschen unterzubringen. Der Lamborghini Aventador Roadster fasst immerhin 150 Liter Volumen im Bug (Audi 100 Liter). Wer allerdings die Fronthaube öffnet, wird enttäuscht, denn Innenverkleidung und Lackierung hat sich Lamborghini ganz einfach gespart. Außerdem tröpfelt Wasser direkt in das Gepäckabteil, klappt man die Haube auf. Der simpel gemachte Kunststoff-Schlüssel wertet die Qualität des Aventador gegenüber dem R8 zusätzlich ab, ebenso wie die Knarzgeräusche im Innenraum während der Fahrt.
Erfreulich niedriger geräuschpegel im R8
Ausreichend dimensionierte Ablagen und Platz für Kleinkram gibt es im Aventador kaum. Zwei kleine Netze hinter den Sitzen, das kleine Handschuhfach und eine verschließbare Mini-Ablage mit Zwölf-Volt-Steckdose auf dem Mitteltunnel, das war’s. Der ergonomischere Audi R8 bietet immerhin zwei Becherhalter, verschließbare Fächer in der Trennwand zwischen Fahrgastraum und Motor sowie kleine Ablagen in den Türen. Auch in Sachen Fahrkomfort läuft der Ingolstädter dem Boliden aus Sant’Agata Bolognese den Rang ab. Der niedrigere Geräuschpegel, ein unter Last und bei hoher Drehzahl weniger dröhniger Motor sowie bequemere Sitze mit etwas mehr Seitenhalt für die Beine machen den Unterschied. Und bei der Fahrt über holprige Pisten oder Teerflicken sowie Querkanten und -fugen sprechen die serienmäßig adaptiven Dämpfer des Audi R8 Spyder etwas sensibler an – das ändert sich auch mit voller Beladung (maximal 2045 Kilogramm) nicht.
Beim Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 lässt der Aventador Roadster den R8 Spyder beinahe stehen. In drei Sekunden rast der Lambo mit Landstraßentempo über die Piste des Testgeländes. Nach 9,4 Sekunden springt die Tachonadel über die 200er-Markierung, und erst bei 350 km/h soll Schluss sein. Zwar kann man sich im R8 nicht über mangelnden Vortrieb beklagen, allerdings braucht er 0,7 Sekunden länger bis 100 km/h und rennt maximal Tempo 316. Dafür geht der Deutsche vergleichsweise sparsam mit dem Kraftstoff um und genehmigt sich im Test 14,9 Liter Super Plus. Der Spritkonsum des nach einem spanischen Kampfstier benannten Italieners ist dagegen geradezu ausufernd. 16 Liter sind es laut Lamborghini im Mittel auf dem Prüfstand, in unserem praxisnahen Verbrauchstest schluckt er mit 24,7 Litern jedoch fast 55 Prozent mehr. Das ist nicht mehr zeitgemäß und führt Spritsparhelfer wie Start-Stopp-Automatik und Zylinderabschaltung ad absurdum. Auch das automatisierte Schaltgetriebe (ISR) passt nicht ins Jahr 2013.
Lange Schaltpausen im „Strada“-Modus und knüppelharte Schläge unter Volllast in der „Corsa“-Stufe nerven. Audi hat dem R8 hingegen nun ein Doppelkupplungsgetriebe (S tronic) spendiert, das absolut ruckfrei und trotzdem schnell arbeitet. Extrem kurze Schaltzeiten und eine sinnvolle Übersetzung machen den Spyder zum herrlich hochdrehenden Sportwagen und zugleich eleganten Flanierer. Bei Stadtgeschwindigkeit liegen bloß 1000 Touren an, 4600 Mal pro Minute dreht die Kurbelwelle im siebten Gang bei 250 km/h. Auch die Übersetzung des Aventador passt gut, sodass man – ein behutsamer Umgang mit dem Gaspedal vorausgesetzt – erstaunlich leise dahingleiten kann.
Absolut linear ist die Kraftentfaltung beider Hochleistungs-Aggregate mit Trockensumpfschmierung: Von der Standdrehzahl bis in den roten Bereich drehen die Saugmotoren von Audi und Lamborghini so flink und spielerisch hoch, dass man nicht genug davon bekommt – untermalt vom glasklaren Zehnzylinder-Klang im Audi und dem sowohl bassig voluminös als auch hysterisch schreienden Lambo-V12.
Extreme Querdynamik mit dem Aventador
1840 Kilogramm wiegt der Aventador-Testwagen, doch auf der Teststrecke spürt man diese Masse kaum. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 70 km/h wuselt der 2,03 Meter breite Roadster durch die Pylonengasse – hier zählt eine harmonische Kombination aus Lenkung, Fahrwerk und Reifen. Auch auf der Grand-Prix-Strecke des Nürburgrings gefällt der Lamborghini mit blitzschnellen Reaktionen auf jeden noch so kleinen Befehl am Volant. Bis tief in die Kurve hineinbremsen und früh wieder aufs Gas, so macht der Roadster Spaß. Dabei untersteuert die knapp 1,14 Meter flache Allrad-Flunder kaum, und die Hinterachse mit 21 Zoll großen 355er-P Zero Corsa von Pirelli bleibt erstaunlich ruhig. Selbst am absoluten Limit wirkt der Lambo niemals unsicher, sondern lässt seinen Fahrer immer genau spüren, ob das Limit schon erreicht ist oder ob noch etwas geht. Fantastisch. Einzig das nicht immer perfekte Gefühl im Bremspedal kreiden wir dem Italiener an.
Deutlich früher hat der Audi R8 V10 Spyder sein Limit erreicht. Vor allem die Vorderachse mit herkömmlichen P Zero-Pneus schiebt schon früh gen Fahrbahnrand, sodass flotte Kurvenfahrten ein anderes Rezept verlangen als beim Aventador. Mit dem R8 ist man schnell, wenn man vor dem Einlenkpunkt den Bremsvorgang bereits abgeschlossen und beim Herausbeschleunigen etwas Geduld hat. Wer zu früh am Gas ist, treibt den R8 zum Übersteuern, muss mit dem Volant leicht gegensteuern und verliert Tempo auf der nächsten Geraden. Die Spyder-Lenkung ist zwar direkt, reagiert aber im Vergleich zu der des Aventador Roadster leicht verzögert und gibt etwas weniger Rückmeldung über den Verbindungszustand zwischen Reifen und Fahrbahn. Die Lambo-Lenkung arbeitet deutlich zackiger, ist jedoch nicht zu aggressiv abgestimmt. Das passt im Straßenverkehr und auf der Rennstrecke.
kurze Bremswege, extrem hohe Preise
Mit Karbon-Keramik-Scheiben ausgestattet (Audi: 8820 Euro), verzögern beide Supersport-Cabrios auf absolutem Top-Level. Schon mit kalter Bremsanlage beißen die Sechskolben-Sättel der beiden Roadster erbarmungslos zu. Ergebnis: Der Aventador steht bereits nach 32,2 Metern, der R8 braucht lediglich 80 Zentimeter mehr Weg. Mit warmen Scheiben und Belägen verbessern sich beide nochmal um mehr als einen Meter – das sind Spitzenwerte.
Nicht, dass 357.000 Euro für die Anschaffung schon genug wären. Nein, für die normale Wartung, so schätzt der ADAC, berechnet Lambo satte 9000 Euro. Vor allem die erste Inspektion nach 2500 Kilometern ist teuer, denn da sollen vorsichtshalber Motor-, Getriebeund Differenzialgetriebeöle sowie sämtliche Filter getauscht werden. Auch die individuelle Versicherungspolice dürfte viele tausend Euro pro Jahr kosten – geradezu günstig erscheint dagegen die jährliche Steuer von 650 Euro. Gegen den Lamborghini Aventador Roadster geht der Audi R8 V10 Spyder fast schon als Schnäppchen durch – mit überschaubaren Kosten für Versicherung, Fiskus, Wartung und Kraftstoff. Doch erst einmal sind mindestens 165.900 Euro inklusive Mehrwertsteuer fällig.
TECHNIK | ||
AUDI R8 V10 SPYDER | LAMBORGHINI AVENTADOR ROADSTER LP 700-4 |
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Motor | V10-Zylinder, 4-Ventiler, Direkteinspritzung | V12-Zylinder, 4-Ventiler, Zylinderabschaltung |
Hubraum | 5204 cm3 | 6498 cm³ |
Leistung | 386 kW / 525 PS bei 8000 /min | 515 kW / 700 PS bei 8250 /min |
Max. Drehm. | 530 Nm bei 6500 /min | 690 Nm bei 5500 /min |
Getriebe | 7-Gang, Doppelkupplung | 7-Gang, automatisiert |
Antrieb | Allradantrieb, permanent | Allrad, permanent |
Fahrwerk | rundum: Doppelquerlenker, Federn, adaptive Dämpfer, Stabilisator, ESP | rundum: Doppelquerlenker, Feder-/Dämpfereinheiten mit Druckstreben (Pushrod) und Umlenkhebeln, Stabilisator; ESC (ESP) |
Bremsen | rundum: innenbelüftete und gelochte Karbon-Keramik-Scheiben (Opt.); ABS, Bremsass. | rundum: innenbelüftete und gelochte Karbon-Keramik-Scheiben; ABS, Bremsassistent |
Reifen | v.: 235/35 R 19 Y; h.: 305/30 R 19 Y; Pirelli P Zero | v.: 255/35 ZR 20, h.: 335/30 ZR 20 |
Felgen | v.: 8,5 x 19; h.: 11 x 19 | v.: 9 x 20; h.: 13 x 21 |
L /B /H | 4440 / 1904 / 1244 mm | 4780 / 2030 / 1136 mm |
Radstand | 2650 mm | 2700 mm |
Leergewicht/Zuladung | 1751 kg / 294 kg | 1753 kg / 260 kg |
Kofferraum | 100 l | 150 l |
FAHRLEISTUNG / VERBRAUCH |
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0-100/200 km/h¹ | 3,7/12,2 s | 3,0/9,4 s |
Höchstgeschw.¹ | 316 km/h | 350 km/h |
Bremsweg | 100-0 km/h kalt/warm 33,0 m/31,9 m | 100-0 km/h kalt/warm 32,2 m/31,0 m |
Verbrauch | 14,9 l SP/100 km | 24,7 l SP/100 km |
EU-Verbrauch¹ | 13,3 l SP/100 km | 16,0 l SP/100 km |
CO2-Ausstoß¹ | 310 g/km | 370 g/km |
KOSTEN | ||
Grundpreis | 165.900 Euro, Einparkhilfe v./h.: 970 Euro; Bluetooth: 550 Euro; Rückfahrkamera: 1540 Euro; Fernlichtassistent: 135 Euro | 357.000 Euro |
Es gibt derzeit nur wenige Serienautos, die dem Lamborghini Aventador auf der Rennstrecke gefährlich werden. Kompromisslos auf Fahrdynamik ausgelegt, fordert er von seinem Besitzer aber einen unverkrampften Bezug zum Geld. Der Audi R8 V10 Spyder gibt sich – obwohl ebenfalls kein Schnäppchen – fast schon bodenständig. Seine Stärken sind die erstaunlich guten Komforteigenschaften, der sparsame Antrieb und ein vergleichsweise niedriger Unterhalt.
Paul Englert