Volkswagen ARVW (1980): Rekorde in Nardo
VW mit Welt- und Klassenrekorden
Volkswagen begab sich 1980 in Nardo mit dem ARVW auf die Jagd nach Innovation. Dank Leichtbau, Formgebung und Aggregate-Optimierung konten zwei Welt- und vier Klassenrekorde gebrochen werden – Rückblick!
Was 1980 in Nardo aussieht wie ein Flugzeug ohne Flügel, ist ein Rekordautomobil mit vier gut versteckten Rädern. Volkswagen zeigte mit dem ARVW (Aerodynamic Research Volkswagen), was intelligente Lösungen bei Leichtbau, Formgebung und Aggregate-Optimierung bringen konnten – war doch im Zuge der Ölkrise in den 70ern das Thema Kraftstoffverbrauch in den Fokus gerückt. Dem rückte man nun mit forcierter Detailarbeit zu Leibe. VW-Entwicklungschef Ernst Fiala ließ ein Auto bauen, das nicht nur neue Bestwerte setzen, sondern auch dem damaligen Rekordhalter Mercedes-Benz C111-III Paroli bieten sollte. Mit der Entwicklung betraut wurde ein Team um Designer Emil Pommer, Einsatzleiter Jürgen Nitz, Aerodynamiker Klaus-Rainer Deutenbach, Motorentechniker Rolf Poltrock und Teamchef Rudolf-Helmut Strozyk. Der fünf Meter lange Monoposto mit der extrem geringen Spurweite von 650 Millimeter ließ sich nur von einem wagemutigen Könner fahren – es handelte sich um niemand Geringeren als Formel-1-Star Keke Rosberg. Die Aerodynamiker hatten es geschafft, den Luftwiderstand des 800 Kilo leichten Autos auf cW 0,15 zu senken, die Stirnfläche betrug nur 0,73 m³. Für größtmögliche Spurtreue sorgten zwei Heckflossen und eine verstellbare Abrisskante am Heck. Der Unterboden war glatt und geschlossen. Zwei einstellbare Spoiler vorn minimierten den Auftrieb. Gefahren wurde nur in eine Richtung – um die Fliehkräfte zu neutralisieren, wurde der ARVW zum Kurveninneren mit 30 Millimeter und zum Kurvenäußeren mit 80 mm Bodenfreiheit eingestellt. Der ARVW nutzte für seine Rekorde in Nardo (1980) Serienkomponenten von VW und Audi, war aber im Grunde genommen ein kompletter Neuaufbau. Der 837 Millimeter hohe und 1100 Millimeter schmale Rekordwagen verfügte über ein modernes Fahrwerk mit Querlenkern und Drehstäben vorn sowie Längslenkern, Stoßdämpfern und Federbeinen hinten. Darüber spannte sich ein 40 Kilogramm leichter Gitterrohrrahmen. Er trug einen Aufbau aus Alu und einem Mix aus Glasfaser-verstärktem Polyester und extrem leichtem Karbon.
ARVW im Video:
Volkswagen stellt mit ARVW 8 Rekorden in Nardo auf (1980)
Der Rennsitz im Volkswagen ARVW saß mittig vor dem Motor – einem aufgeladenen, 2,4 Liter großen Diesel-Reihensechszylinder aus dem LT-Lieferwagen. Kupplung und Viergang-Getriebe stammten vom Audi 100. Über zwei kurze Ketten gelangte die Antriebskraft des Mittelmotors zur Hinterachse, ein Differential gab es nicht. Die zwei Alu-Sicherheitstanks enthielten 130 Liter Diesel und 60 Liter Wasser. Denn einer der Tricks der Konstruktion war die Wassereinspritzung ins Ansaugrohr vor dem Turbolader: Die interne Verdunstungskühlung ersparte eine Ladeluftkühlung und Kühlschlitze. Angefertigt wurde der filigrane Aufbau nicht in Wolfsburg, sondern bei der Firma BWR (Badische Waggonfabrik Rastatt). Ausgerechnet dort war zuvor der Kunststoffaufbau für die Mercedes C111-Rekordwagen entstanden – darum achtete das BWR-Management streng darauf, derartige Aufträge mit unterschiedlichen Teams umzusetzen. VW-Gestalter Emil Pommer werkelte quasi im Geheimen fast ein Jahr lang vor Ort, sein Dienstwagen durfte keine Wolfsburger Nummer tragen. Im Oktober 1980 war das Auto fertig und ging auf Rekordjagd ins süditalienische Nardo. Dort waren weit höhere Geschwindigkeiten möglich als im niedersächsischen Ehra-Lessien. Und VW demonstrierte, was dank einer aerodynamisch perfektionierten Karosse trotz der relativ überschaubaren Motorleistung von 175 PS möglich war: 360 km/h. Der Durchschnittsverbrauch bei diesem Tempo lag bei 13,6 l/100 km. Bei konstant 250 km/h beschränkte sich der Diesel-Konsum auf 6,5 l/100 km. Sechs Klassenrekorde wurden aufgestellt, dazu zwei Weltrekorde: 500 Kilometer mit stehenden Start (345,26 km/h), eine Stunde mit stehendem Start (353,88 km/h). Mission geglückt, kabelte man in die Welt – und ging mit dem ARVW von Roadshow zu Roadshow Zwei Jahrzehnte später sorgte dann das Volkswagen W12 Coupé wiederum in Nardo für ähnliches Aufsehen.