Porsche 356 B Super 90: Der Vierzylinder-Boxer-Motor Boxeraufstand
In seinen Grundzügen bereits mehr als 20 Jahre alt, trieb der Vierzylinder-Boxermotor von Porsche den 356 B Super 90 Anfang der 60er-Jahre zu sportwagengerechten Fahrleistungen
Im Herbst 1959 kommt der gegenüber seinem Vorgänger erheblich überarbeitete Porsche 356 B auf den Markt. Nur wenige Monate später, im Frühjahr 1960, hält auch eine neue Motorisierung Einzug: der Super-90-Motor. Aus 1582 Kubikzentimetern schöpft der Vierzylinder-Boxer 90 PS bei 5500 Umdrehungen pro Minute, und bei einer Drehzahl von 4300 Touren liegen 121 Newtonmeter an.
Der Boxermotor aus dem Porsche 356 B
Genug, um den Sprint von null auf 100 km/h in 13,5 Sekunden zu absolvieren und eine Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h zu ermöglichen. Tatsächlich ist der Super-90-Motor jedoch ein alter Bekannter.
Basierend auf der Urkonstruktion für den weitgehend von Professor Ferdinand Porsche entwickelten KDF-Wagen und späteren Volkswagen Käfer, gehen seine Wurzeln bis in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zurück. Bereits 1934 besaß der Porsche Typ 32 – ein Vorgänger des Käfer – einen luftgekühlten Vierzylinder-Boxermotor.
Aus 1447 Kubikzentimetern holte er 28 PS. Mit nur 985 Kubikzentimetern ausgestattet, brachte es der Käfer-Vorläufer VW Typ 30 zwei Jahre später auf 22 Pferdestärken. Das waren keinesfalls berauschende Leistungsdaten – die Eignung dieses Motors für den Einbau in einen Sportwagen lag noch in weiter Ferne.
Doch das technische Konzept des Triebwerks barg Potenzial, und so brachte es der erste Serien-356 mit 1086 Kubikzentimetern immerhin schon auf 40 PS bei 4000 Touren. Als 1500 S standen im 356 dann 1953 sogar schon 70 PS bei 5000 Umdrehungen pro Minute aus 1488 Kubikzentimetern Hubraum bereit.
Mit einer zentralen, unterhalb der Kurbelwelle laufenden und via schrägverzahnter Stirnräder angetriebenen Nockenwelle sowie langen Stoßstangen und Kipphebeln für die Ventilbetätigung ausgestattet, schienen die Aussichten auf eine kontinuierliche Leistungssteigerung begrenzt. Tatsächlich erwies sich das Boxer-Konzept aber als ausbaufähig, und so gelangen über klassische Maßnahmen wie Verdichtungserhöhung, Steuerzeitenoptimierung, Hubraumerweiterung und Vergrößerung der Ansaugquerschnitte immer wieder neue Höchstleistungen.
TECHNISCHES KONZEPT MIT VIEL POTENZIAL
Bediente man sich anfangs noch Verdichtungsverhältnissen von 6,5 bis 7:1, waren es beim 356 Super-90-Motor bereits 9,0:1. Zusammen mit dem Hubraum von 1582 Kubikzentimetern sowie zwei Doppel-Fallstromvergasern vom Typ Solex 40 PJJ-4, wie sie bereits der Carrera 1500 GS besaß, entwickelte der Antrieb nun 90 PS und damit genug Power für einen leichten Sportwagen der frühen 1960er-Jahre.
Mitverantwortlich für den Leistungszuwachs des Motors mit der internen Entwicklungsnummer 616/7 waren modifi zierte Zylinderköpfe mit neuen Kanälen sowie um zwei auf 40 Millimeter vergrößerte Einlassventile. Welches Potenzial dieser Motor noch heute in sich birgt, beweist allein die Tatsache, dass Porsche-356-Experten vom Schlage eines Wolfgang Reile (www.classic-power.com) absolut standfeste 120 PS und mehr aus dem klassischkernig tönenden Boxer-Triebwerk zaubern.
Jürgen Gassebner