NSU-Fiat Neckar: Vergessene Helden Deutsch-Italiener
Auch in Heilbronn wurden Autos gebaut: Zum Beispiel der NSU-Fiat Neckar, ein kompakter Viertürer
Ein Fiat made in Germany? Auch das gab es schon. Zum Beispiel als NSU-Fiat Neckar. Der in Heilbronn montierte Viersitzer ist das Pendant zum Fiat 1100. Seine Ponton-Karosserie entspricht weitgehend der des italienischen Originals. Zu den wenigen Abweichungen zählt ein geänderter Kühlergrill, üppig mit Chrom besetzt und mit zusätzlichem, mittig angeordnetem Nebelscheinwerfer.
Gebaut wurde der meist in einer Zweifarb-Lackierung angebotene Deutsch-Italiener von 1959 bis 1962. Zu den Besonderheiten zählt, dass es den 3,92 Meter kurzen Kleinwagen nur als Viertürer gab. Die Vordertüren sind hinten, die Fondtüren dagegen – wie heute üblich – vorne angeschlagen. Alle Scharniere befinden sich also an den B-Säulen. Das sollte vier Insassen das gleichzeitige Ein- oder Aussteigen erleichtern. Die Heilbronner Werbefachleute scheuten sich nicht, die kleine klassische Stufenheck-Limousine als Kombi-ähnlich zu titulieren.
Der Grund: Zu den besonders praktischen Details des NSU-Fiat Neckar zählt die umklappbare Rücksitzbank – eine Ausstattung, die damals nur selten zu finden war. Soll der Gepäckraum erweitert werden, wird die Sitzfläche hinter den Vordersitzen senkrecht gestellt und die Fond-Rückenlehne nach vorne umgelegt. So entstehen eine Durchlademöglichkeit mit ebenem Ladeboden und ein deutlich größerer Kofferraum.
ZEITGEMÄSS, KOMPAKT UND PRAKTISCH
Der kleine Heilbronner bringt alles mit, was damals modern war: eine selbsttragende Stahlblechkarosserie, eine gebogene Panorama-Heckscheibe, eine große Gepäckraumklappe mit außenliegenden, verchromten Scharnieren und Kotflügel, die in angedeuteten Heckflossen auslaufen. Vorn und hinten schließt die Karosserie mit wuchtigen Chrom-Stoßstangen samt Hörnern ab. Für stattliche Innenraumgröße sorgt der 2,34 Meter lange Radstand. Doch angesichts der recht schmalen Fahrzeugbreite von nur 1,51 Meter sitzen die Insassen auf Tuchfühlung, übrigens vorne wie hinten auf jeweils einer durchgehenden Sitzbank. Eine individuelle Verstellung war nicht vorgesehen.
Überhaupt war der Komfort-Anspruch bei solch kleinen Kompaktwagen in den 60-ern noch nicht besonders ausgeprägt: Die Fahrzeugheizung bekam man nur gegen 250 Mark Aufpreis. Für den NSU-Fiat Neckar gab es auch ein verschließbares Handschuhfach, eine Ablage unterm Armaturenbrett und sogar ein Blechschiebedach mit Kurbeltechnik. Wer solche luxuriöse Frischluft-Zufuhr wollte, musste tief in die Tasche greifen. Beim Neckar waren es fast ein Zehntel des Neuwagenpreises.
Der Motor mit untenliegender Nockenwelle und Fallstromvergaser stammte noch aus den 30er-Jahren. Der 1,0-Liter-Viertakter holt aus vier Zylindern 40 PS. Das reicht, um das 880 Kilogramm leichte Auto in 23 Sekunden auf Tempo 100 zu beschleunigen. Spitze: 125 km/h. Betätigt wird das teilsynchronisierte Viergang-Getriebe per Lenkradschaltung. Und die war anfangs stets recht hakelig – das besserte sich meist erst nach längerer Benutzung. Das Fahrwerk punktet mit Einzelradführung an Doppelquerlenkern und Schraubenfedern. Und gebremst wird der Italo-Germane schon mit hydraulisch betätigten Trommeln.
Holger Ippen