NSU Ro 80: Die erste Serienlimousine mit Wankelmotor Kraft-Kreis
Im NSU Ro 80 stieß der Wankel-Motor 1967 als Avantgardist in die Oberklasse vor – trotz der übermächtigen konservativen Konkurrenz
Dichtleisten. Immer wieder, überall: Dichtleisten. Wahrscheinlich wird kein anderes Auto der Welt auf ein kleineres Teil reduziert als der NSU Ro 80. Das nervt. Zwar stimmt es, dass in den ersten Jahren die Dichtleisten an den Kanten der Kreiskolben recht schnell verschlissen – doch spätestens mit den Überarbeitungen im Januar 1970 gehörte dieses Problem der Vergangenheit an. Aber da waren schon über zwei Produktionsjahre ins Land gegangen, war der Ruf des NSU Ro 80 bereits beschädigt.
NSU Ro 80: Das Wankel-Prinzip bietet Vorteile
Dabei hat das Prinzip des Kreiskolbenmotors unbestreitbare Vorteile gegenüber dem Hubkolbenmotor. Da die Kolben bei ihm Scheiben sind und sich in einer Richtung drehen, während sie im Hubkolbenmotor auf und nieder gehen, erzeugt ein Wankel-Motor weniger Vibrationen. Außerdem ist die Exzenterwelle (gleich Kurbelwelle im Hubkolbenmotor) weniger und gleichmäßiger belastet.
Die eine Drehrichtung bewirkt zudem ein fast turbinenartiges Hochdrehen des Motors. Ventile werden nicht gebraucht. Den Gaswechsel besorgen die Scheiben fast so wie die Kolben bei einem Zweitakter mit Umkehrspülung. Damit ist der Viertakt-Wankel-Motor einfach im Aufbau und sehr kompakt.
Der freie und unbeirrbare Geist Felix Wankels bahnte dem Motor, der stolz seinen Namen trägt, den Weg. Der am 13. August 1902 als Sohn eines Forstassessors im Schwarzwald geborene Wankel richtete mit 22 Jahren seine erste Versuchswerkstatt ein, wo der gelernte Kaufmann an Motoren mit sich drehenden Kolben experimentierte. Schnell wurde ihm klar, dass die Dichtflächen das Hauptproblem sein würden.
Doch schon 1936 hatte er die passenden Lösungen. Im Krieg bediente sich die Luftwaffe seiner Entwicklungen. 1945 wurden seine Wankel-Versuchs-Werk-stätten (WVW) demontiert. 1951 nahm er seine Arbeit wieder auf. Am 1. Februar 1957 gab der erste NSU-Wankel-Motor seine ersten Zündungen von sich, 1963 debütierte der NSU Spider mit Rotationskolbenmotor, am 14. September 1967 dann der NSU Ro 80 – ein durch und durch modernes, ja avantgardistisches Auto.
Ähnlich wie heute BMW mit dem i3 hatte NSU damals erkannt, dass eine bahnbrechend neue Technik auch eine bahnbrechend neue Form brauchte. Claus Luthe entwarf die keilförmige Karosserie, die noch bei Produktions-einstellung des Ro 80 1977 wie von einem anderen Stern wirkte. Der Ro 80 wurde 1967 zum Auto des Jahres gekürt, 1968 verlieh ihm das britische CAR Magazine den Titel „Car of the Year“.
Er war innen riesig, durch den großen Radstand spurstabil, besaß ein modernes Fahrwerk, einen enormen Kofferraum und ein halbautomatisches Getriebe. Doch die Konkurrenz baute stärkere Autos, und die vielen kleinen technischen Ärgernisse (Drehmomentwandler- und Ölpumpenschäden) zehrten am Image. Zudem hatte Audi 1969 NSU übernommen und verfolgte andere Ziele. Nur Mazda blieb dem Wankel treu – bis 2012, da lief der letzte RX-8 vom Band.
Thorsten Elbrigmann