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Volvo PV445 Duett: Wie Volvo den Kombi erfand

Auf nach Bullerbü im Duett-Kombi

Karsten Rehmann Autor
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Inhalt
  1. Der Volvo PV445 Duett verströmt pure Nostalgie
  2. Der Vierzylinder bietet Hubraum aber wenig Laufkultur
  3. Den Sicherheitsgedanken verfolgt der Duett weniger konsequent
  4. Technische Daten des Volvo PV445 Duett
  5. Fazit

Nichts prägte unser Bild von Schweden so, wie die Bücher von Astrid Lindgren und der Volvo-Kombi. Die AUTO ZEITUNG Classic Cars begab sich im Volvo PV445 Duett auf eine Reise in die Kindheit.

Auf dieser kariert gemusterten Rückbank hopste früher einmal Michel aus Lönneberga herum und versuchte, das quiekende Ferkel im Laderaum zu bändigen. Oder hier stritten sich Kalle, Eva-Lotta und Rasmus. Vielleicht fuhren sie von Lönneberga aus nach Bullerbü oder mit vollgepacktem Dachträger in die Ferien auf der Insel Saltkrokan. Im Handschuhfach liegt unter der Betriebsanleitung bestimmt noch ein vergilbtes Lesebuch mit Geschichten von Astrid Lindgren. Beim Anblick des Volvo PV445 Duett kommen fast zwangsläufig Erinnerungen an die Kindheit hoch, wird die schwäbische Alb zur schwedischen Schärenlandschaft und das Fachwerk-Gehöft hinter Waiblingen bei Stuttgart zum Bauernhof von Pettersson und Findus.
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Der Volvo PV445 Duett verströmt pure Nostalgie

Mehr noch als jeder VW Käfer verströmt ein alter Volvo den ländlichen Duft von Gemütlichkeit und heiler Welt. Passant:innen bleiben stehen und blicken ihm verträumt lächelnd nach, wo immer er vorbeifährt. Ob sie die Marke erkannt haben? Vermutlich nicht, aber erraten könnten sie sie, denn wer sonst hätte in den 50ern so einen schönen Kombi gebaut wenn nicht Volvo? Dem deutschen Straßenbild nach zu urteilen stellte Volvo ja nie etwas anderes her. Die natürliche Erscheinungsform dieser Marke war der Kombinationskraftwagen, ein raumgreifender Reisebegleiter für die ganze Familie mit charakterstarken Ecken und Kanten. Doch das war beileibe nicht immer so. In den 50er-Jahren prägte ein markanter Buckel das Aussehen eines typischen Volvo. Als die Schwed:innen sich ab 1942 daran machten, den großen Schritt vom Vorkriegsfahrgestell zur selbsttragenden Karosserie zu wagen, orientierten sie sich an zwei vorausgeeilten Vorbildern der modernen Volksmotorisierung: Ford und Hanomag.

Das Resultat, der "Buckel"-Volvo PV444, sah den Autos dieser Marken überaus ähnlich und hatte beim Publikum solch nachhaltigen Erfolg, dass Volvo die zweitürige Limousine mit dem krummen Dach 25 Jahre lang in der Produktion behielt. Eher nebenbei wurde damals in Göteborg auch der Familienkombi als feste Modellvariante entdeckt. Die selbsttragende Konstruktion des PV444 taugte nämlich nicht für Umbauten zu Lieferwagen, Pick-ups oder Krankentransportern, und so revitalisierte Volvo seine Tradition der Lieferung von rollenden Chassis an kleine Karosserieschneidereien, damit diese sie mit individuellen Aufbauten versehen konnten. Unter dem Typencode PV445 entstand ein neues Fahrgestell, dessen Frontende optisch und technisch weitgehend identisch mit dem des PV444 war. Anstelle der schraubengefederten Hinterachse kam jedoch eine flachere Blattfederkonstruktion zum Einsatz. Sie duckte sich unter den gekröpften Rahmen und half so, im eckigen Heckteil große Transportkisten unterzubringen und hohe Nutzlasten zu transportieren.

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Der Vierzylinder bietet Hubraum aber wenig Laufkultur

Die mit ordentlichem Hubraum, aber mäßigem Temperament und noch weniger Laufkultur gesegneten Volvo-Vierzylinder reichten aus, um in gleichmäßigem Marschtempo Schwedens Wälder und Dänemarks Ackerland zu durchqueren, und so wuchs die Nachfrage nach dem kleinem Lastesel Volvo PV445 Duett bald so rapide, dass Volvo schon nach wenigen Jahren den Beschluss fasste, nicht länger nur das Grundgerüst samt Frontkotflügeln und Motorhaube zu bauen, sondern das komplette Vehikel selbst zu fertigen. Die Idee, den Aufbau großzügig zu verglasen, die Sitze mit Karostoffen und die Fenster mit Gardinchen zu garnieren sowie das Ganze als Familienfrachter anzubieten, lag nahe. 1953 entstanden die ersten Exemplare dieses Modells, und weil er wochentags für den Materialtransport ebenso gut taugte wie am Wochenende für den Familienausflug, nannten sie den Kombi "Duett".

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Foto: AUTO ZEITUNG/Jürgen Gassebner

Von diesem kleinen Geniestreich nahm die Konkurrenz lange Zeit wenig Notiz. Volvo erschloss sich damit eine Marktnische, die andere Hersteller noch gar nicht als solche erkannt hatten. Obwohl Volvo für den Kombi rund ein Drittel mehr verlangte als für die Limousine, erfuhr der Kastenwagen über die Jahre eine solch große Beliebtheit, dass er zum festen Bestandteil des Volvo-Programms wurde und regelmäßige Modellpflege bekam. Bis 1958 liefen bei Volvo knapp 200.000 Limousinen vom Typ PV444 vom Band. Parallel entstanden bis 1960 zudem 41.790 Autos mit separatem Chassis, und in den 60er-Jahren kamen sogar weitere 60.000 Exemplare vom jetzt P210 genannten Duett dazu.

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Den Sicherheitsgedanken verfolgt der Duett weniger konsequent

Durch die Einführung der neuen Modellreihen Amazon und 144 entstand zeitweilig die kuriose Situation, dass Volvo gleichzeitig drei verschiedene Kombis anbot, während Marken wie Renault und BMW im Umgang mit dieser Fahrzeugklasse nach wie vor größte Berührungsängste offenbarten. Der Nimbus von Volvo als Spezialist für familienfreundliche Kombis fand hier seinen Ursprung. Die Schokoladenseite eines solchen Volvo Duett ist der Laderaum. Das Gepäck einer vierköpfigen Familie findet dort locker Platz, und bei voll umgeklappter Rücksitzbank können zwei Erwachsene auf der topfebenen Fläche bequem übernachten. Die Landhausdielen im Bodenblech erleichtern das Ein- und Ausladen von Sperrgut.

Vorne sitzt es sich ganz gemütlich. Die feine Uhrensammlung am Armaturenbrett und das Lenkrad mit verchromtem Hupring entschädigen für engen Beinraum und wenig Schulterfreiheit im Türbereich. Das UKW-Radio und die Öldruckanzeige waren Ende der 50er nicht selbstverständlich, sehr wohl jedoch der aufs linke Knie zielende Krückstockgriff des Handbremshebels. Überhaupt schrieb Volvo sich das Thema Sicherheit damals längst nicht so konsequent auf die Fahne, wie es uns die Schwed:innen heute weismachen wollen. Zwar enthielt die Aufpreisliste des PV445 schon 1959 Ankerpunkte für vordere Sicherheitsgurte, später auch für die Fondsitzbank. Doch diese historische Pionierleistung kompensierte nicht den Mangel an aktiver Sicherheit, dessen sich die Fahrer:innen eines Volvo Duett schon damals stets bewusst war.

Volvo PV445 Duett Sitze
Foto: AUTO ZEITUNG/Jürgen Gassebner

Noch bis Mitte der 60er hielt man bei Volvo Simplex-Trommelbremsen für ausreichend und schlug nicht vor 1966 den Weg zur Zweikreis-Bremse ein. Die damals serienmäßigen Diagonalreifen machten das Bremsen bei Nässe zu einem Vabanquespiel, und auch die Sechs-Volt-Elektrik mit entsprechend funzeligem Fahrlicht wich bei Volvo erst zu Beginn der 60er-Jahre einem zeitgemäßen 12-V-System. Grundsätzlich kam die Limousine ein bis zwei Jahre vor dem Kombi in den Genuss solcher technischer und optischer Verbesserungen, weshalb der hier gezeigte Kombi aus dem Jahr 1959 auch noch eine geteilte Frontscheibe hat, die bei der "Buckel"-Limousine schon im Vorjahr ausrangiert worden war. Doch so fragwürdig die gemächliche Anpassung an den Fortschritt aus heutiger Sicht erscheinen mag: Genau diese Verschrobenheit macht den Charme des Kombi-Pioniers aus. Modernere Vertreter seiner Art gibt es reichlich. Doch kein anderer Kombi der 60er versteht es so authentisch, alte Kindheitsgefühle in uns zu wecken.

 

Technische Daten des Volvo PV445 Duett

Classic Cars 06/2014Volvo PV445 Duett
Zylinder/Ventile pro Zylin.4/2
Hubraum1582 cm³
Leistung44 kW/60 PS
Max. Gesamtdrehmoment bei115 Nm 2500/min
Getriebe/Antrieb4-Gang-Schaltgetriebe/Hinterrad
L/B/H4400/1600/1680 mm
Leergewicht1090 kg
Bauzeit1949-1960
Stückzahl47.790
Beschleunigung
null auf 100 km/h
ca. 19 s
Höchstgeschwindigkeitca. 130 km/h
Verbrauch auf 100 km9,5 l S
Grundpreis (Jahr)11.875 Schwedische Kronen (1955)

 

 
Karsten Rehmann Karsten Rehmann
Unser Fazit

Der PV445 Duett beweist, wie früh Volvo sich darum bemühte, reisehungrigen Familien ein bequemes und geräumiges Transportfahrzeug anzubieten. Zwar hält die 40er-Jahre-Technik heutige Oldie-Besitzer:innen zumeist davon ab, lange Autobahnetappen in Angriff zu nehmen. Doch für eine gemütliche Oldtimer-Tour übers Land gibt es kein sympathischeres Gefährt als die Hochdach-Variante des Buckel-Volvo. Wer dem müden Motor auf die Sprünge helfen möchte, sollte sich auch um Fahrwerk und Bremsen kümmern. Volvo-Kenner:innen helfen dabei gerne weiter: Das Frisieren hat in der Buckel-Szene eine lange Tradition.

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