40 Jahre VW Golf: Die Entwicklungsgeschichte des Bestsellers Der lange Weg zum Golf
VW tat sich schwer: Der Umbruch vom Käfer bis zur Entwicklung des Golfs war schwierig und von vielen Versuchen geprägt. Ein Blick in die Geschichte
Wie will man das Rad neu erfinden? Gleicht solch ein Vorhaben nicht der Quadratur des Kreises? Genau! Und deshalb hat Volkswagen das auch gemacht.
Das Runde musste ins Eckige: dem klassenlosen runden Käfer, dem Wagen fürs Volk, folgte der klassenlose kantige VW Golf, der neue Wagen fürs Volk. Das klingt so einfach. Aber das war es nicht. Der lange Schatten des Übervaters Käfer und das zunächst dogmatische Festhalten am Heckmotorprinzip samt Luftkühlung machte es dem Nachfolger schwer. Er war für viele im Konzern, die nur in Käfer-Dimensionen dachten, ein undenkbares Auto.
VW: KÄFER OHNE ZUKUNFT – ERNSTE KRISE DIE FOLGE
Die Situation bei Volkswagen Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: mies! Die Produktpalette war veraltet, das Erfolgsrezept „Käfer“ schmeckte vielen Käufern einfach nicht mehr. Neue Hersteller machten sich nach Europa auf, und 1972 hatte erstmals Opel die Wolfsburger überholt und sich den ersten Platz als zulassungsstärkste Marke in Deutschland erobert.
Nun sollte es Audi richten. Dort war mit dem Audi 80 ein neuer Hoffnungsträger geboren, der alsbald auch unter dem Namen VW Passat antrat. Der Polo sprang ihm als Kleinwagen zur Seite. Doch für den Nachfolger des Käfers musste ein eigener Ansatz her. Schon lange zermarterten sich die Wolfsburger Ingenieure die Gehirne. Und nicht nur die:
Auch bei Porsche rauchten die Köpfe. Die Zuffenhausener favorisierte einen Kompaktwagen mit mittig und unterflur eingebautem Motor (EA 266). In Wolfsburg hingegen arbeitete man an einem Transaxle-Wagen, also mit vorn untergebrachtem Motor (Vierzylinder, Reihe, wassergekühlt) und Getriebeeinheit an der Hinterachse (EA 235a). Doch letztlich setzte sich das „Prinzip Audi“ durch: Quer eingebauter Motor und Vorderradantrieb wie im Audi 50. Der VW-Vorstandsvorsitzende Rudolf Leiding stoppte den EA 266 quasi auf der Ziellinie: Zu unausgegoren und zu hoher Wartungsaufwand durch die Einbaulage des Motors.
Leiding hatte sich schon bei VW do Brasil einen Namen gemacht und war bereits vor seinen Ausflug nach Südamerika in Ingolstadt maßgeblich an der Entwicklung der neuen Audi-Modelle beteiligt gewesen. Nun riss er das Ruder bei VW herum – gegen alle Widerstände. Für Volkswagen begann eine harte Zeit. Die Entwicklungskosten der neuen Modelle und die Verunsicherung der Käufer wegen der neuen Modellpolitik und wegen der Ölkrise führten zu Rekordverlusten.
Schon Leidings Amtsvorgänger Kurt Lotz hatte den VW-Entwicklungsauftrag EA 337 angestoßen. Giorgetto Giugiaro erhielt im Januar 1970 eine Einladung nach Wolfsburg. Die VW-Bosse waren beeindruckt von den Arbeiten des Designers und erteilten ihm nach diesem Termin den Auftrag zur Gestaltung eines Käfer-Nachfolgers – und einer ganzen Modellfamilie. Mit dem Passat ging es los, dann folgten Audi 50/Polo, Scirocco und schließlich der Golf. Die Vorgaben kamen aus Wolfsburg. Man wollte mit dem Golf einen Kompaktwagen mit großer Heckklappe schaffen. Außerdem sollten vier Türen möglich sein. Das Platzangebot sollte das des Käfers übertreffen – seine Außenmaße durften jedoch nicht überschritten werden.
Giugiaro lieferte seine Entwürfe im Sommer 1970. Seine ersten Zeichnungen wurden überarbeitet. 1974 war es soweit: Der neue Golf kam, sah und siegte. Er war nicht der erste Kompaktwagen und auch nicht der erste mit großer Heckklappe. Aber als Gesamtpaket war er einzigartig und ein würdiger Käfer-Nachfolger.
Thorsten Elbrigmann