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Auto-Geschichten: Bristol Cars Das Mysterium

Seit fast 65 Jahren werden in England still und heimlich Bristol-Automobile gebaut. Porträt einer so gut wie unbekannten Marke

Es gibt große Autohersteller, wie etwa Ford, und kleine, wie beispielsweise Saab. Es gibt exklusive – man denke an Bentley –, und es gibt Bristol. Die Bristol Car Limited und ihre Erzeugnisse sind speziell. Sehr speziell sogar. Ohne Zweifel hätte eher die große Margaret Rutherford alias „Miss Marple“ ein passables Bond-Girl abgegeben, als dass ein Bristol je das Prädikat massenkompatibel verdient hätte. Seit dem Jahr 1946 werden die Handarbeitsmobile im Verborgenen gefertigt – in Bristol, der alten Schiffsbaumetropole, drüben im Westen Englands. In einer schummrigen Halle, deren beste Zeit Jahrzehnte zurückliegt, schrauben ein paar Dutzend Mechaniker die wohl drolligsten Automobile der an kauzigen Modellen überreichen Geschichte Großbritanniens zusammen. Sie heißen 405, 412, Blenheim oder Beaufighter und bleiben selbst den meisten Briten rätselhaft.

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Die Geschichte der Automanufaktur, deren kleiner Verkaufsraum auf der Kensington High Street in London jahrzehntelang die einzige Schnittstelle zur Außenwelt darstellte, begann kurz nach dem Ende des zweiten Weltkriegs.

Europa lag in Schutt und Asche. Die damalige Bristol Aircraft Company war daran nicht ganz unbeteiligt, denn sie lieferte der Royal Air Force ihre Kampfflugzeuge vom Typ Blenheim und Beaufighter. Wie ihren deutschen Gegenspielern Heinkel oder Messerschmitt war den Briten mit dem Ende des Krieges ihre Geschäftsgrundlage abhanden gekommen – man verlegte sich auf den Automobilbau. Anders als die Deutschen aber, die sich mit Kabinenrollern über Wasser halten wollten, setzten die Engländer auf sportlichen Luxus und Exklusivität. Ihr erstes Serienmodell, der von einem 85 PS starken Zweiliter-Sechszylinder angetriebene 400 Sports Saloon, war allerdings ein Nachbau des BMW 327 und deshalb ein der Öffentlichkeit schwer zu vermittelndes Thema. Schon zwei Jahre später folgte der überarbeitete Typ 401. Auf derselben Basis entstanden zahlreiche modifizierte Versionen sowie Coupé- und Cabrio-Derivate. Bristol lieferte Motoren an die Sportwagen-Schmieden AC und Frazer-Nash. Als sich 1959 die Autosparte endgültig vom Flugzeugbauer abspaltete, schlug die Stunde des Anthony Crook, der einen Anteil übernahm und später alleiniger Chef werden sollte.

DER SPEZIELLE MR. CROOK
Tony Crook, ein früherer Jagdflieger, Rennfahrer und Bristol-Händler, drückte der Marke seinen Stempel auf. Zu Beginn der Crook-Ära entstanden zahlreiche eigenwillige Modelle, die wegen ihrer kurzen, oft nur zwei Jahre währenden Bauzeit selbst für Experten schwer auseinanderzuhalten sind. Crook ersetzte den alten, immer weiter verfeinerten BMW-Sechszylinder durch 5,2 bis 6,6 Liter große V8-Aggregate aus dem Hause Der neue Chrysler 300 auf der Detroit Auto Show 2011.

Der spezielle Tony trieb die Skurrilität der Marke auf die Spitze und schottete sie nahezu hermetisch von der Außenwelt ab. Öffentlichkeit jeder Art war ihm ein Greuel. Journalisten galten als Verräter, und Kaufinteressenten fanden im einzigen Showroom der Marke wohl fruchtbaren Boden, um Wurzeln zu schlagen, aber oft niemanden, der bereit gewesen wäre, ihnen ein Auto zu verkaufen.

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Dabei haben die Bristol-Modelle durchaus ihren Reiz, denn sie konservieren einen winzigen Teil des insularen Automobilbaus, der mit Ausgestorbene Automarken wie Riley, Triumph, Wolseley, Austin oder Princess unter dem Dach von British Leyland zu Grabe getragen wurde. „Inspector Lynley“ alias Nathaniel Parker fährt einen Type 410. Auch „Oasis“-Leadsänger Liam Gallagher und Virgin-Boss Richard Branson schätzen Bristol. Das Design wirkt stets ein wenig so, als hätten sich Kreative unterschiedlichster Stilrichtungen zu einem Kompromiss durchringen müssen. Aktuelle Modelle wie das Sportcoupé Blenheim 3 oder der Flügeltürer Fighter T kosten zwischen 205.000 und 423.000 Euro. Die Zahl der seit 1946 entstandenen Autos wird auf knapp 3000 geschätzt. Die meisten davon stammen noch aus den 50er- und 60er-Jahren.

Im Jahr 2001 erwarb Bristol-Fan Toby Silverton die Firma. Silverton ließ Crook bis Mitte 2007 als Verkaufsleiter gewähren. Danach feuerte er den damals 87-jährigen Haudegen. Es war wohl die einzige Chance, um den Mythos Bristol am Leben zu erhalten.
Stefan Miete

AUTO ZEITUNG

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