Mercedes C112 (1991): Der V12-Flügeltürer, der nie kam
Ein Supersportwagen mit Stern ist immer etwas Besonderes – und wenn er auch noch über die traditionsreichen Flügeltüren (Diese Autotüren gibt es) geentert werden muss, erst recht. Warum also fliegt der Mercedes C112 von 1991 selbst bei Markenfans unterm Radar? Klar, die Marke hat ihn nie in Serie produziert. Aber das hat bei der 1970er Supersportwagenstudie C111 auch niemanden gestört. Sie brachte es trotzdem zum Meilenstein und wurde 2023 sogar neu interpretiert (Hier geht es zum Mercedes One-Eleven). Sein silberner Nachfolger hielt eher die schwierige Lage auf dem Finanzmarkt von den Produktionshallen fern. Anfang der 90er schwappte die Japankrise bis in die westliche Welt und ließ der Supersportwagen-Kundschaft den Appetit auf immer schnellere und wildere Boliden kurzzeitig vergehen. Auf heutzutage hoch gehandelten Exoten wie Jaguar XJ220 oder Bugatti EB110 blieben die Werke sitzen beziehungsweise man kürzte die Produktion.
Passendes Zubehör für den Klassiker:
Dabei hätte man sich bei Mercedes nach dem dominanten Gewinn der Sportwagen-WM 1989 und 1990 sowie dem Erfolg bei den 24h von Le Mans 1989 gemeinsam mit Sauber durchaus ein Denkmal im Straßenwagenbau setzen können – ganz ähnlich wie man es 30 Jahre später mit dem Mercedes-AMG One auch tatsächlich tat. Gerade dessen ewige Entwicklungsverzögerungen zeigten im Nachhinein aber auch auf, dass man einen Rennwagen nicht mal so eben zum Straßenauto umfunktionieren konnte und dass die erforderlichen Feinabstimmungen weit mehr Geld verschlingen würden, als das Produkt und der Imagegewinn am Ende einbringen könnten. Letztendlich konnten nicht einmal die überlieferten 700 Bestellungen im Rahmen der IAA 1991 etwas an der kritischen Haltung in Stuttgart ändern.
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Der Mercedes-AMG One (2022) im Video:
Mit V12, Aktiv-Fahrwerk und Allradlenkung: Mercedes C112
Mercedes wählte stattdessen den bewährten Weg des rollenden Versuchslabors und testete im C112 technische Neuerungen, die teilweise noch Jahrzehnte vom Serienbau entfernt waren. So verfügte die Studie bereits über Abstandswarner und Reifendruckkontrolle, wärend das Active Body Control eine enorme Fahrwerksstabilität sicherte. Die aktive Radaufhängung via elektro-hydraulischen Stahlfedern zur Wankstabilisierung brauchte noch einen ganzen Modellzyklus, bevor sie 1999 im Mercedes CL erstmals erhältlich war. Zu den weiteren Finessen des C112 gehört die variable Bremskraftverteilung sowie eine mitlenkende Hinterachse (So funktioniert die Allradlenkung), wobei letztere bereits seit 1987 auch dem Honda Prelude zu mehr Querdynamik und Stabilität verhalf.

Zur Stabilität trug auch die aktive Aerodynamik am Mercedes C112 bei: Sowohl der Frontspoiler als auch der Heckflügel (Diese Spoiler-Typen gibt es) fuhren je nach Geschwindigkeit aus. Sogar als Luftbremse konnte das hintere Leitwerk dienen – 12 Jahre vor dem Serienstart im SLR McLaren. Die ausgefeilte Aerodynamik mit Venturi-Tunneln am Unterboden offenbart sich erst mit dem Blick auf das Hinterteil der Studie. Die Brücke zum serienmäßigen Portfolio schlugen die geriffelten Heckleuchten, während das Designteam seinen Chef Bruno Sacco offenbar stark zurückhielt, um nicht auch noch die traditionellen Sacco-Bretter an die Flanken montieren zu müssen.
Der Über-Benz der 90er kam noch, aber ohne Flügeltüren
Typisch Schwäbisch am Mercedes C112: der karosserieseitige Geiz an Reizen. Die zurückhaltenden Linien lassen sich beinahe schon als bieder bezeichnen und gerade von vorne schlittert der Supersportler nur wegen des Mercedes-Sterns knapp am Ikognito-Status vorbei. Im Innenraum dasselbe Unspektakel: Das für Mercedes-Verhältnisse überraschend rundliche Armaturenbrett wirkt eher wie eine Saab-Studie als ein Entwurf aus Stuttgart und verströmt auch auf den zweiten Blick keinen Supercar-Flair. Verhältnismäßig kühn präsentiert sich nur das petrolfarbene Leder (So Leder richtig pflegen) mit roten Akzenten, das auf den scheinbar kaum ausgeformten Sitzen ziemlich rutschig aussieht.
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Zur Lamborghini-Antithese gereicht auch der Sechsliter-V12 hinter den Sitzen, der aus der zeitgleich präsentierten S-Klasse W140 stammte. Statt mit brachialer Leistungsfähigkeit überzeugte das 408 PS (300 kW) starke Aggregat vor allem mit der Laufruhe einer Luxusklasse. 310 km/h gab Mercedes seinerzeit als Höchstgeschwindigkeit an. Wer schnell genug durch die sechs Gassen des Schaltgetriebes raste, konnte im C112 in fünf Sekunden auf Landstraßentempo sein – wenngleich ihn Mercedes nie auf die Straße bringen wollte. Der Traum vom Über-Benz sollte sich in den 90ern dennoch erfüllen: Für die Teilnahme an der GT1-Klasse baute Mercedes ab 1998 25 CLK GTR als Homologationsmodelle, die man zum Stückpreis von mehr als drei Millionen Mark tatsächlich erwerben konnte. Einziges Manko: Der CLK hatte keine Flügeltüren.