Bayer K67: Der Kunststoff-Sportwagen aus Leverkusen
Als Bayer und BMW gemeinsame Sache machten
Ein Sportwagen mit Karosserie und Chassis komplett aus Kunststoff: Der Chemieriese aus Leverkusen verblüffte 1966 alle mit dem Bayer K67.
Kunststoff hieß das Zauberwort der 60er-Jahre – es verhieß Leichtbau. Der Glaube an eine glorreiche Zukunft im Automobilbau war so stark, dass sich BMW und der Chemie-Gigant Bayer 1966 zusammentaten, um nicht nur eine Karosserie, sondern ein ganzes Auto aus Kunststoff zu bauen. Der damalige BMW-Verkaufsdirektor Paul G. Hahnemann soll zu seinem Freund und Bayer-Vorstand Dr. Hermann Holzrichter gesagt haben: "Wenn Du das Geld lockermachst für die Kunststoffentwicklung, sorge ich für die Mechanik und deren Abstimmung."
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Bayer K67: Als der Chemiegigant einen Sportwagen baute
Bayer ging in Zusammenarbeit mit der Gugelot Design GmbH in Neu-Ulm 1964 ans Werk. Hans Gugelot, der unter anderem den Braun-Elektrorasierer oder die Hamburger S-Bahn entworfen hatte, sollte mit dem K67 eine seiner letzten und umfangreichsten Arbeiten vollenden. Die Ingenieur:innen der damaligen Bayer-Abteilung Material Science sorgten für das richtige Material. Sollte das Projekt gelingen, sah man nämlich die Chance, unter der vorrangig auf Blech setzenden Autoindustrie neue Kundschaft zu erlangen. Das Chassis entwarf Hugelot in der so genannten Sandwich-Füllbauweise aus Polyurethan-Schaumstoff, worauf die selbsttragende, windschlüpfige Kunststoffkarosserie saß. Bauteile wie den Tank fertigte Bayer aus rotationsgegossenem Polyamid, während das Armaturenbrett aus geschäumten Polyurethan bestand. Damals war das eine Neuheit im Bereich des Autobaus.
BMW steuerte die klassischen Metallkomponenten für Fahrwerk und Antrieb bei. Unter der Kunststoffhaube kam der bereits aus BMW 2000 TI und 2000 CS bekannte Zweiliter-Vierzylinder zum Einsatz. Das kettengetrieben Vergasertriebwerk leistete unverändert 120 PS (88 kW) und schickte, gekoppelt an ein Viergang-Getriebe, die Kraft an die Hinterräder. Die heute vielleicht gering wirkende Leistung reichte allerdings vollkommen aus. Der Sportwagen brachte dank seiner neuartigen Materialwahl lediglich 850 kg auf die Waage. Fähig war der Kunststoffsportler zu einer Höchstgeschwindigkeit von 190 km/h.
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Die Plastikkarosse jagte über die Nordschleife
Das Ergebnis horchte auf den Namen Bayer K67, ein Joint-Venture, an dem nicht nur die Bayer AG und BMW, sondern auch die Waggon- und Maschinenfabrik AG in Donauwörth sowie Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) beteiligt waren. Das Auto, das ganz einfach nach seinem Erscheinungsjahr benannt wurde, war eine Sensation und Vorreiter für den Einsatz von Kunststoff im Fahrzeugbau. Ein rostfreier Sportler mit steifem Chassis, langgezogener Haube und rassigem Motor: Die schnittige Form, das grelle RAL-2000-Orange und Details wie die Talbot-Spiegel mit integrierten Blinkern zogen das Publikum wie etwa 1967 auf der Kunststoffmesse in Düsseldorf oder Industriemesse in Hannover massenhaft an.
Um einen rein zu Showzwecken zusammengebauten Prototypen handelte es sich dabei nicht. Bayer und BMW waren durchaus interessiert daran, den Bayer K67 bis zur Serienreife zu bringen und leiteten alle nötigen Schritte dafür ein. Wie so viele andere Fahrzeuge es heute auch noch tun, musste sich auch der leichte Bayer bei intensiven Testfahrten auf dem Nürburgring beweisen. Doch damit nicht genug. Um die Straßenzulassung zu erlangen, forderte der Gesetzgeber eine Fertigung von mindestens fünf Exemplaren. Für drei endete ihre besondere Karriere allerdings wortwörtlich mit einem Knall. Sie opferte man in den ebenfalls verlangten Crashtests.
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Zwei von fünf gebauten K67 überstanden die Tests
Wie so oft war das Konzept allerdings seiner Zeit voraus. Zwar planten Bayer und BMW die Fertigung des Sportwagens, doch die anfangs als günstiger eingestuften Herstellungskosten stiegen zunehmend an. Anfang der 70er-Jahre versetzte die Ölkrise dem Projekt der Kunststoffautos endgültig den Todesstoß. Was aber wurde aus den verbleibenden zwei Exemplaren des Bayer K67? Eins ging als Leihgabe an das Deutsche Museum in München. Der zweite K67 befindet sich noch heute indirekt im Besitz der Leverkusener Firma. Die einstige Bayer-Kunststoffabteilung ist inzwischen das eigenständige Unternehmen namens Covestro, das als führender Anbieter von Polyurethan und Polycarbonat nach wie vor aktiv ist. Hier verweilt der letzte fahrbereite Bayer K67 mit dem Kennzeichen "LEV-K 67H".
Mit Wolf-Henning Fanslau