50 Jahre Porsche 911 Turbo: 930 trifft 991, 992, 993, 996 & 997
Die schrecklich schnelle Turbo-Familie
- Die Porsche 911 Turbos 930, 993, 996, 997, 991 und 992 im Vergleich
- Im Porsche 911 930 Turbo wird schon das Parkhaus zur Kraftprobe
- Im 993 ist das Turboloch bereits auf einen Wimpernschlag reduziert
- Rückschrittliche Instrumente, aber dafür mehr als 300 km/h im 996
- Porsche 911 Turbo (997) mit Automatik und flexiblen Leitschaufeln
- Der 991 ist dank Allradlenkung flinker und stabiler zugleich
- Leistung und Luxus in vollendeter Harmonie im aktuellen 992
- Technische Daten der Porsche 911 Turbo 930, 993, 996, 997, 991 und 992
- Fazit
Ein halbes Jahrhundert Porsche 911 Turbo hat faszinierende Sportler hervorgebracht. Auf einem Roadtrip durch Kalifornien konnten wir die sechs Generationen 930, 993, 996, 997, 991 und 992 fahren und direkt miteinander vergleichen.
Die Porsche 911 Turbos 930, 993, 996, 997, 991 und 992 im Vergleich
Da stehen sie nun: sechs Generationen des Porsche 911 Turbo – säuberlich nebeneinander aufgereiht im Parkhaus des Flughafens von Los Angeles (USA). Vollgetankt und bereit zur Ausfahrt. Es gibt wenige Termine, bei denen ich mit der Berufswahl zum Autojournalisten so zufrieden bin wie in diesem Augenblick. Doch viel Zeit für Ehrfurcht bleibt nicht: Schließlich gilt es, auf den Straßen Kaliforniens die Frage zu klären, inwieweit sich die Generationen voneinander unterscheiden. Und ob sich der Kerngedanke hinter dem Porsche 911 Turbo nach einem halben Jahrhundert Entwicklung immer noch finden lässt. So gab Porsche zur Markteinführung 1974 das Ziel vor, der Turbo solle "in vollendeter Harmonie Leistung mit Luxus vereinen."
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Leslie & Cars zeigt den Porsche 911 GT3 und GT3 Touring (2024) im Video:
Im Porsche 911 930 Turbo wird schon das Parkhaus zur Kraftprobe
Legen wir also mit dem Urmeter aller Porsche 911 Turbo los: Aus heutiger Sicht wirken das Cockpit und der Innenraum des 930 eher bodenständig – vom versprochenen Luxus aus der Porsche-Werbung der 1970er ist auf den ersten Blick wenig zu erkennen. Elektrische Fensterheber und ein Autoradio müssen reichen. Viel entscheidender: Die fünf großen, klar beschrifteten Analoginstrumente liefern alle wichtigen Infos, und die klassischen Regler erfüllen ihre Aufgaben. Was jedoch fehlt, ist eine Servolenkung: So wird die Ausfahrt aus dem Parkhaus wahrlich zur ersten Kraftprobe.
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Als wir den dichten Stadtverkehr endlich hinter uns lassen, kann der 930 zeigen, warum das Wort Turbo bis heute ein Synonym für "stärker" und "schneller" ist: Dank seines Turboladers leistet der Sechszylinder-Boxer 260 PS (191 kW), was den Porsche zu einem der schnellsten Serien-Sportwagen seiner Zeit macht. Und die Leistung kommt schlagartig. Schließlich prägte der 930 auch den Begriff des "Turbolochs": Dieses "erst nichts, dann alles" lässt sich am sichersten auf geraden Küstenstraßen austesten. In 5,5 s sprintet der Turbo auf Tempo 100 – schneller als der renntaugliche Carrera RS 2.7. Beim Wechsel vom Pazifik in das kalifornische Küstengebirge müssen wir es etwas ruhiger angehen lassen, denn die unberechenbare Leistungsexplosion in Kombination mit der Fahrwerkstechnik der 1970er brachte schon damals viele Fahrende ins Schwitzen.
Im 993 ist das Turboloch bereits auf einen Wimpernschlag reduziert
Zeit für einen Wechsel. Beim Umstieg in den Porsche 911 Turbo der Generation 993 merkt man jedoch erst auf den zweiten Blick, dass man satte 24 Jahre übersprungen hat: Das Armaturenbrett kommt uns recht bekannt vor, ebenso die ungewohnten stehenden Pedale. Lediglich der besser in der Hand liegende Schalthebel mit sechs statt vier Gängen deuten den Fortschritt an.
Doch auf den kurvigen Bergstraßen wird klar, was dem Porsche-Ingenieursteam in zwei Jahrzehnten gelungen ist: Der 993 reagiert präzise auf alle Lenkbefehle und drängt selbst bei übertriebenem Gaseinsatz am Kurvenausgang nur leicht mit dem Heck nach außen. In 4,1 s erreicht der Porsche 100 km/h, das Turboloch ist auf einen Wimpernschlag reduziert. Während der "normale" Turbo mit 408 PS (300 kW) auskommen musste, verfügt unser Testwagen von 1998 über ein vom Werk angebotenes Leistungssteigerungspaket, das dem letzten luftgekühlten Sechszylinder-Boxer 450 PS (331 kW) entlockt.
Rückschrittliche Instrumente, aber dafür mehr als 300 km/h im 996
Doch schon steht der nächste Wechsel an – und auf einmal ist alles neu: Obwohl der 993 aus dem Baujahr 1998 stammt, beginnen die Neunziger optisch erst mit dem Einstieg in den Porsche 911 996 Turbo S. Im Cockpit wirkt alles rund und glatt, die ineinander verschachtelten Instrumente nimmt man aber als Rückschritt wahr. Es gibt sogar ein erstes, aus heutiger Sicht lächerlich klein wirkendes Display in der Mittelkonsole. Die weichen Formen sollten Fahrende jedoch nicht täuschen: Der erste wassergekühlte Turbo bietet Fahrleistungen, die einen zeitgenössischen 911 GT3 alt aussehen lassen.
Die 450 PS (331 kW) haben leichtes Spiel mit dem lediglich 1590 kg wiegenden Coupé. Mit 307 km/h Spitze durchbricht der Turbo S aus dem Jahr 2004 die magische 300er-Schallmauer – davon dürfen wir auf den tempobeschränkten Straßen Kaliforniens allerdings nur träumen. Nicht genug bekommt man jedoch vom optimal abgestimmten Sechsgang-Schaltgetriebe sowie von den erstmals in einem Turbo installierten Keramik-Verbundscheibenbremsen.
Porsche 911 Turbo (997) mit Automatik und flexiblen Leitschaufeln
Weiter geht’s mit dem Porsche 911 997 Turbo S, der als erster Sportler in unserem Sextett mit einem Automatik-Getriebe vorfährt. Obwohl sein Cockpit dem des Vorgängers stark ähnelt, vermittelt er mit dem geschickten Einsatz von Leder und Metall-Applikationen ein wertigeres Gefühl. Die mittig auf dem Armaturenträger platzierte analoge Uhr zum Messen der Rundenzeiten fällt sofort ins Auge. Und beim Thema Rundenzeiten konnte dem Porsche 2007 niemand etwas vormachen: Sein Biturbo überzeugt durch eine spontane Leistungsentfaltung bereits ab niedrigsten Drehzahlen. Möglich machen das flexible Leitschaufeln: Sie garantieren die optimale Anströmung der Turbolader in jedem Lastzustand.
Der 991 ist dank Allradlenkung flinker und stabiler zugleich
Gut, dass noch ein paar Serpentinen für den nächsten Turbo übrig sind, denn im Porsche 911 Turbo S der Generation 991 debütierte seinerzeit die mitlenkende Hinterachse. Ab 80 km/h schlagen die Vorder- und Hinterräder in die gleiche Richtung ein, unterhalb von Tempo 50 lenken sie in die entgegengesetzte Richtung. Das macht den Porsche noch flinker in engen Kurven und lässt ihn auf Geraden spurstabiler laufen. Einen weiteren Fortschritt stellt das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe dar. Es ermöglicht schnellere Gangwechsel und reduziert im Vergleich zur Automatik des 997 unpassende Schaltvorgänge deutlich. Schon nach in 3,1 s steht Tempo 100 an.
Leistung und Luxus in vollendeter Harmonie im aktuellen 992
Kurz vor dem Ziel, dem beschaulichen Küstenstädtchen Monterey, ist die aktuelle Generation des Porsche 911 Turbo S namens 992 an der Reihe. Die digitalen Rundinstrumente und der breite Touchscreen zeigen unmissverständlich, dass wir in der Gegenwart angekommen sind. Die nebeneinander statt überlappend angeordneten Tachoanzeigen und die weißen Ziffern auf schwarzem Grund zollen allerdings dem Ur-Turbo ihren Tribut. Der breite Getriebetunnel erinnert jedoch eher an den des Porsche Panamera, und auch der kleine Schaltstummel will nicht so recht zu einem Turbo passen.
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Zum Glück muss man ihn nur einmal betätigen, um die Kräfte des 992 zu entfesseln: In 2,7 s schießt der Turbo S auf Tempo 100. Es scheint, als könnten die Zahlen auf dem Display gar nicht schnell genug wechseln, um mit der Beschleunigung mitzuhalten. Der neue Sechszylinder leistet 650 PS (478 kW). Mit 330 km/h Spitze ist der 992 der schnellste Turbo aller Zeiten. Der dichtere Verkehr kurz vor Monterey gibt uns Gelegenheit, auch noch die vielen Komfort-Features des Porsche zu testen – und diese stehen denen einer Oberklasse-Limousine in nichts nach. "Leistung und Luxus in vollendeter Harmonie" – da war doch mal was …
Technische Daten der Porsche 911 Turbo 930, 993, 996, 997, 991 und 992
AUTO ZEITUNG 21/2024 | Porsche 911 Turbo 3.0 (930) | Porsche 911 Turbo (993) | Porsche 911 Turbo S (996) |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 6/2; Turbo | 6/2; Biturbo | 6/4; Biturbo |
Hubraum | 2994 cm³ | 3600 cm³ | 3600 cm³ |
Leistung | 191 kW/260 PS 5500/min | 331 kW/450 PS 6000/min | 331 kW/450 PS 5700/min |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 343 Nm 4000/min | 585 Nm 4500/min | 620 Nm 3500/min |
Getriebe/Antrieb | 4-Gang-Getriebe/Hinterrad | 6-Gang-Getriebe/Allrad | 6-Gang-Getriebe/Allrad |
L/B/H | 4291/1775/1320 mm | 4245/1795/1285 mm | 4435/1830/1295 mm |
Leergewicht | 1140 kg | 1500 kg | 1590 kg |
Bauzeit | 1974-1977 | 1995-1998 | 2003-2006 |
Stückzahl | 2876 | 5157 | 1563 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 5,5 s | 4,1 s | 4,2 s |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h | 300 km/h | 307 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 19,2 l S | 13,2 l SP | 13,3 l SP |
Grundpreis (Jahr) | 65.800 Mark (1974) | 252.300 Mark (1998) | 142.248 Euro (2004) |
AUTO ZEITUNG 21/2024 | Porsche 911 Turbo (997) | Porsche 911 Turbo S (991) | Porsche 911 Turbo S (992) |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 6/4; Biturbo | 6/4; Biturbo | 6/4; Biturbo |
Hubraum | 3600 cm³ | 3800 cm³ | 3745 cm³ |
Leistung | 353 kW/480 PS 6000/min | 412 kW/560 PS 6500/min | 478 kW/650 PS 6750/min |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 620 Nm 1950/min | 700 Nm 2100/min | 800 Nm 2500/min |
Getriebe/Antrieb | 5-Stufen-Automatik/Allrad | 7-Gang-Doppelkupplung/Allrad | 8-Gang-Doppelkupplung/Allrad |
L/B/H | 4450/1852/1300 mm | 4506/1880/1296 mm | 4535/1900/1303 mm |
Leergewicht | 1695 kg | 1605 kg | 1715 kg |
Bauzeit | 2007-2012 | 2013-2019 | Seit 2020 |
Stückzahl | 26.778 | k.A. | noch in Produktion |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 3,7 s | 3,1 s | 2,7 s |
Höchstgeschwindigkeit | 310 km/h | 318 km/h | 330 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 13,4 l SP | 9,7 l SP | 11,1 l SP |
Grundpreis (Jahr) | 145.953 Euro (2007) | 197.041 Mark (2013) | 246.848 Euro (2020) |
Nun bleibt noch die Frage nach dem besten Porsche 911 Turbo zu beantworten. Porsche macht es einem da einfach und erklärt: "Der 992 ist wie seine Vorgänger der beste 911er aller Zeiten." Seine Leistungswerte sind unerreicht, gleichzeitig bietet er so viel Luxus wie kein Turbo vor ihm. Damit ist er der Kernidee des 911 Turbo sogar näher als das Original, bei dem der Luxus-Part doch etwas bescheiden ausfällt. Dafür flößt der 930 einem noch heute Respekt ein und erhebt Fahrende zu wahren Profis am Volant. Die beste Synthese aus den beiden stellt schließlich der 993 dar, der letzte luftgekühlte Turbo.