Duell der Familienstars Opel Ascona B & VW Passat B1
Familienduell zwischen Ascona und Passat
Die kompakten Sportler waren gut fürs Image, ihr Geschäft aber machten Opel und VW mit den Brot-und-Butter-Autos wie Ascona B und Passat B1, die Platz für Kind und Kegel boten. Classic Cars organisierte ein Treffen!
Natürlich war das umkämpfte Segment der Mittelklasse nicht nur Opel Ascona B und VW Passat B1 vorbehalten. In Deutschland aber waren die beiden Marken – zusammen mit Ford – die Platzhirsche. Audi, BMW und Mercedes tummelten sich überwiegend in höheren Segmenten. Der Unterschied: Volkswagen musste sich den Weg in die automobile Mittelklasse erst noch erkämpfen, man hatte zu lange auf die altbackenen Käfer-Derivate 1500 oder 411 gesetzt. Opel genoss dagegen bereits einen hervorragenden Ruf bei den Limousinen – in erster Linie erarbeitet durch die großen Modelle Kapitän/Admiral/Diplomat und Rekord. Klar war, dass beide Unternehmen der aufstrebenden Mittelschicht ein Auto an die Hand geben wollten, das die Tugenden der Marke fortführte. Zielgruppe waren die Familien, denen der Käfer zu klein und der Kapitän zu groß beziehungsweise zu teuer war.
Dass in Wolfsburg einiges passieren würde, war spätestens klar, als die NSU-Entwicklung K70 mit dem VW-Emblem beim Händler stand. Die Opel-Verantwortlichen sahen Handlungsbedarf. Man entwickelte mit dem Manta gerade ein Coupé, um dem erfolgreichen Ford Capri Paroli zu bieten und stellte mit dem Ascona A noch eine Limousine auf die gleiche Plattform. Bei VW entstand mit familiärer Schützenhilfe von Audi der Passat B1. Mit dem Schrägheck erinnerte er an seinen Urahn TL, wirkte aber nicht zuletzt dank des Vorderradantriebs bei seinem Debüt 1973 in jeder Hinsicht modern. Opel konterte und überarbeitete den Ascona (B): Die erste Generation war noch als Nachfolger des Kadett C angedacht und deswegen zu klein für dieses Segment. Die Baureihe wuchs in Länge sowie Breite und bot somit deutlich mehr Platz – aber nach wie vor die rustikale Technik der GM-H-Plattform.
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Der VW ID.7 (2023) im Fahrbericht (Video):
Classic Cars: Opel Ascona B und VW Passat B1
Zu unserem Vergleich treten die zweitürigen Limousinen Opel Ascona B und VW Passat B1 mit jeweils 75 PS (55 kW) an – auch wenn die ebenfalls lieferbaren Viertürer zugegebenermaßen für den Einsatz mit Kind und Kegel praktischer waren. VW bot den Passat zusätzlich als Variant an, Opel verzichtete beim Ascona B auf einen Kombi. Die Basismotorisierung bildete beim Passat der 1,3-l-Motor mit 55 PS (40 kW), die gleiche Leistung holte der Ascona aus 1,2 l Hubraum. Autos in diesem Segment galten nicht unbedingt als sportlich – trotzdem gab es bei VW den Passat auch als GLI mit 110 PS (81 kW). Für das Rallye-Engagement der Marke entstand bei Opel 1979 gar der legendäre Ascona 400 mit 144 PS (106 kW). Der kostete in der Sportversion mit Alufelgen und Recaro-Sitzen über 33.000 Mark. So blieb er ein Traum vieler Familienoberhäupter, die mühsam auf die 11.935 Mark hin sparten, für die ein 1,9 N im Jahr 1976 zu haben war.
Opel hatte den betagten 1.6er für den Ascona B durch den niedriger verdichteten 19N-Motor ersetzt. Der stellte ebenfalls 75 PS (55 kW) bereit, konnte aber mit Normalbenzin betrieben werden. In einem Test der AUTO ZEITUNG wurde dem überarbeiteten Vierzylinder 1976 angekreidet, dass er fast einen Liter mehr Benzin auf 100 km verbrauchte als sein Vorgänger. Allerdings standen dem auch deutlich bessere Fahrleistungen gegenüber: Der größere Hubraum machte sich im Durchzug und auch bei der Beschleunigung bemerkbar – und das waren eindeutige Argumente! Obendrein hatte Opel den Preis nicht angehoben.
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Farbe bekennen in Ascona B und Passat B1
Der hier vorgestellte Opel Ascona B ist ein frühes Modell und zudem mit der optional erhältlichen Automatik ausgestattet – die relativiert die oben erwähnte Fahrleistung natürlich wieder. Der Kilometerstand von rund 26.000 zeugt allerdings auch davon, dass der Ascona nicht unbedingt täglich als Langstreckenauto eingesetzt wurde. Aber genau das ist der Reiz, findet Besitzer Frank Heide, Mitglied der Alt-Opel IG: Mit Manta und Rallye-Ascona hat er durchaus Alternativen in der Garage, wenn es einmal etwas sportlicher sein darf. Der 1,9 N hingegen ist ein willkommener Gegenpol, ein Zeitzeuge der 70er-Jahre. Den beschrieb die AUTO ZEITUNG damals als "gut bedienbares Auto mit ausgezeichneten Fahreigenschaften". Was will man mehr? Gut, je nach Familiengröße wären zwei weitere Türen sinnvoll. Die kosteten damals 510 Mark Aufpreis.
Die rustikale Technik des Opel lässt den VW Passat B1 im direkten Vergleich umso filigraner wirken: Immer mehr Fahrzeuge, auch in den größeren Klassen, setzten auf den Vorderradantrieb. Der bot dank des nicht benötigten Kardantunnels mehr Platz im Innenraum und zumindest für ungeübte Lenkende auch mehr Fahrsicherheit. Gemeinsam ist beiden Autos die separate Tacho-Einheit: Die Anzeigen sind nicht über das ganze Cockpit verteilt, sondern in einem Block hinter dem Lenkrad zusammengefasst. Das schafft mehr Raumgefühl und verbessert die Übersichtlichkeit. Die Ausnahme bildet in unserem – von Volkswagen Classic zur Verfügung gestellten – 76er-Modell der zusätzliche Drehzahlmesser. Sein Holzdekor lässt den Passat etwas antiquierter wirken, bringt aber zugleich etwas mehr Farbe ins Spiel. Opel setzte bereits durchgängig auf schwarzen Kunststoff. Farbenfrohe Seitenverkleidungen und Sitze nehmen dem Interieur in diesem Fall die drohende Tristesse.
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Passat B1 erfolgreicher als Ascona B
Die schräge, weit hinten sitzende C-Säule ermöglicht den Fond-Passagier:innen etwas mehr Ausblick. Ein weiterer Vorteil dieser Bauform: Der VW Passat B1 konnte ab 1975 sowohl mit kleiner als auch mit großer Heckklappe geordert werden. Dass VW Federn und Dämpfer der Hinterachse anders als beim Audi 80 nicht als Federbein, sondern getrennt angeordnet hatte, kam dem Kofferraumvolumen zusätzlich zugute.
Bei der Entwicklung von Opel Ascona B und VW Passat B1 hatten beide Hersteller zudem den internationalen Markt im Blick: Der Passat war auch in den USA erhältlich – wo der Kombi dann als Audi vermarktet wurde. Für Opel hatte der Weltmarkt nicht zuletzt dank der GM-Zugehörigkeit ohnehin eine große Relevanz: Der Ascona wurde unter anderem in Großbritannien und Australien als Vauxhall bzw. Chevrolet mit den jeweils gebotenen (Karosserie-)Änderungen offeriert. Bei den Verkaufszahlen hatte VW die Nase vorn: In sechs Jahren entstanden vom Ascona B rund 1,5 Millionen Autos – dann wechselte auch Opel in diesem Segment zum Vorderradantrieb, außerdem gab es den Ascona C auf Wunsch mit Schrägheck. VW konnte von 1973 bis 1980 (mit großem Facelift 1977) insgesamt 2,1 Millionen Passat verkaufen. Die nächste Generation behielt das Grundkonzept bei und wurde um eine Stufenheck-Variante erweitert.
Technische Daten von Ascona B und VW Passat B1
Classic Cars 03/2023 | Opel Ascona B | VW Passat B1 |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 4/2 | 4/2 |
Hubraum | 1875 cm³ | 1588 cm³ |
Leistung | 55 kW/75 PS | 55 kW/75 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 132 Nm 2200/min | 119 Nm 3200/min |
Getriebe/Antrieb | 3-Stufen-Automatik/Hinterrad | 4-Gang-Getriebe/Hinterrad |
L/B/H | 4321/1670/1380 mm | 4190/1700/1360 mm |
Leergewicht | 1000 kg | 887 kg |
Bauzeit | 1975-1981 | 1973-1980 |
Stückzahl | 1,5 Mio | 2,1 Mio |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 13,6 s | 12,3 s |
Höchstgeschwindigkeit | 159 km/h | 160 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 12,5 l S | 10,2 l S |
Grundpreis (Jahr) | 11.395 Mark (1976) | 12.393 Mark (1976) |
Die Marktsituation hat sich geändert: Der Opel Ascona B erfreut sich als Alternative zum Manta einer gewissen Beliebtheit, oftmals sind Rallye-Anleihen in Form stärkerer Motoren oder optischer Modifikationen nicht zu übersehen. Der VW Passat B1 hat ebenfalls seine Fans gefunden, wird dann aber gern als originaler Klassiker erhalten. Er ist deutlich seltener zu finden, was sich unter anderem im etwas höheren Marktwert ausdrückt. Beide Limousinen stehen aber dennoch im Schatten von Golf, Käfer und Kadett.