Beim Test im Rückspiegel widmen wir uns vergangenen Exoten und Ikonen, welche die AUTO ZEITUNG durch die knallharte Testmangel genommen hat. Dieses Mal: der Mercedes CL 500 (C216) von 2006.
Nüchtern betrachtet ist das größte Mercedes-Coupé reine Formsache. Die Technik stammt von der Achsaufhängung bis hin zum Antrieb aus der S-Klasse, dafür leistet sich der Mercedes CL 500 den Luxus, zwei Türen wegzulassen was nicht zuletzt einem stilsicheren Auftritt zugute kommt. Wie ein Bodybuilder im schwarzen Maßanzug zieht das über fünf Meter lange und 1,87 Meter breite Coupé die Blicke auf sich. Dennoch gibt sich der voluminöse Viersitzer als Gentleman und trägt in seiner gedeckten Kleidung – nicht weniger als drei Schwarz- und vier Grautöne stehen als Außenfarbe zur Wahl – nie dick auf.
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Der Mercedes-AMG 63 S E Performance (2023) im Fahrbericht (Video):
Test im Rückspiegel: Der Mercedes CL 500 (2006) verwöhnt im Innenraum
Vornehm gekleidet präsentiert sich auch der Innenraum, wobei sich das Instrumentenboard strikt an die Vorgaben der S-Klasse hält. Unter den großen Coupés gibt es kaum eines, das so viel Herz für die Menschen auf der Rücksitzbank zeigt. Zwei körpergerecht ausgeformte und großzügig dimensionierte Clubsessel nebst akzeptabler Bein- und Kopffreiheit erwarten die Mitreisenden im Fond des Mercedes CL 500. Der Weg dorthin ist allerdings etwas beschwerlich und zeitraubend. Bis die Vordersitze elektrisch nach vorn gefahren und per umständlicher Griffhaltung wieder in ihre Ausgangspostion zurückgeglitten sind, vergeht bei unserem Test eine Weile.
Doch ein Mercedes CL 500 ist nun mal keine S-Klasse, sondern vielmehr ein Fahrerauto. Dabei kann ein wenig S-Klasse-Vorbildung nicht schaden, denn in seiner Bedienbarkeit folgt der CL haargenau der großen Luxuslimousine. Bis man die Eigenheiten des Comand-Systems (Bedienung von Audio-, Navigationssystem, Bordcomputer sowie vielfältiger Fahrzeugeinstellungen wie Licht und Alarmanlage) begriffen hat, bedarf es im Test einer gewissen Eingewöhnung und mitunter des Studiums der 520 Seiten starken Bedienungsanleitung. Einige Optionen sind darüber hinaus über separat abrufbare Menüs im Tachodisplay anwählbar ganz schön kompliziert.
Passendes Zubehör für den Klassiker:
Assistenzsysteme machen das Leben leicht
Zum Teil gegen Aufpreis bietet der Mercedes CL 500 ein Hightech-Arsenal erster Güte. Das reicht vom Infrarot-Nachtsicht-Assistenten (zeigt im Dunkeln Dinge im Cockpit-Display an, die man eigentlich gar nicht sehen kann) über die radargestützte Distronic Plus (hält automatisch den Abstand zum Vordermann, bremst selbsttätig sogar bis zum Stillstand ab und warnt optisch wie akustisch bei Kollisionsgefahr) bis hin zur Einparkhilfe, auf Wunsch auch mit Rückfahrkamera. Dennoch entmündigt ein hochgerüsteter CL nicht. In der Praxis sind die Assistenzsysteme ebenso zuverlässig wie sinnvoll, da sie lediglich unterstützen sollen.
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Souverän unterwegs dank 5,5-l-V8
Lenken, Bremsen und Gasgeben muss der Mensch nach wie vor selbst und dies bereitet ihm im Mercedes CL 500 sehr viel Freude. Klar, wer einen leichtfüßigen Sportwagen zum Kurvenkratzen sucht, ist beim CL an der falschen Adresse – das bestätigt auch der Test. Aber selten lassen sich über zwei Tonnen Automobil so spielerisch handhaben. Wer es wirklich wissen will, kann mit dem großen Coupé behände um die Ecken pfeilen, was unter anderem der relativ direkten Lenkung, den aufpreispflichtigen 19-Zoll-Rädern (Serie: 17 Zoll) und dem serienmäßigen dynamischen Wank- und Nickausgleich des ABC-Fahrwerks (Active Body Control) zuzuschreiben ist. Tempoüberschuss im Kurveneingang baut der Mercedes CL 500 untersteuernd ab, und geht man dabei vom Gas, sind nur minimale Lastwechselreaktionen zu spüren, die das sanft regelnde ESP zudem sicher im Griff hat.
Die Domäne des Mercedes CL 500 ist jedoch das komfortable, von Antriebs-, Wind- und Abrollgeräuschen unbehelligte Dahingleiten stets mit der Gewissheit, sich auf die souveräne Kraftentfaltung der 388 PS (285 kW) verlassen zu können, die der kultivierte 5,5-l-V8 per Siebenstufen-Automatik auf die Hinterräder schickt. Diese perfekte Ausgewogenheit zwischen Kraft und Komfort beherrscht der CL im großen Stil einer S-Klasse.
Technische Daten
AUTO ZEITUNG 23/2006 | Mercedes CL 500 (C216) |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 8/4 |
Hubraum | 5461 cm³ |
Leistung | 285 kW/388 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 530 Nm 4800/min |
Getriebe/Antrieb | 7-Stufen-Automatik/Hinterrad |
L/B/H | 5650/1871/1418 mm |
Leergewicht | 1920 kg |
Bauzeit | 2006-2013 |
Stückzahl | 32.256 (ohne CL 600/CL 65 AMG (06-10)) |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 5,7 s |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 10,5 l S |
Grundpreis (Jahr) | 105.850 Euro (2006) |
Abgesehen vom Preis gibt es wenig, das man am CL 500 kritisieren könnte. Kaum ein anderes Auto verbindet Komfort und Hightech einer Luxuslimousine mit dem dynamischen Auftritt eines großen Coupés. Nüchtern betrachtet, bietet der CL die Technik der S-Klasse – allerdings in der ungleich eleganteren, aber etwas unpraktischeren Form und zum deutlich höheren Preis. Der CL 500 also ein überflüssiges Auto? Zu diesem Schluss müssen kühl kalkulierende Kopfmenschen zwangsläufig kommen. Aber selbst solche stellen im CL schnell fest, dass das Leben im Überfluss ein Hochgenuss sein kann.