Ferrari 166, 250 GTO und Dino 308 GT4: Traumwagen Drei bahnbrechende Ferrari
Vor 25 Jahren starb Enzo Ferrari. Was seine Autos so besonders macht, zeigen das älteste, das teuerste und das vielseitigste Modell aus Maranello
FERRARI 166 INTER: RASSE PFERDE
Von antiker Weltliteratur bis zur modernen Fantasy-Trilogie, von Homer bis Tolkien: Zu Sagen, Mythen und Legenden gehört, dass ihre Ursprünge in Vergessenheit gerieten und niemand mehr genau weiß, wie alles anfing. Nicht anders verhält es sich mit dem Mythos Ferrari im Automobilbereich. Das beginnt schon beim Wahrzeichen, dem „cavallino rampante“. Jeder kennt das springende Pferdchen, aber kaum jemand weiß, wo es herkommt. Mit den Modellen ist es ähnlich. Fans wissen, dass die drei Ziffern im Namen früher den Einzelhubraum der Zylinder angaben, doch viele denken beim Typencode „166“ zuerst an Alfa Romeo, bevor der Groschen fällt. Das hier abgebildete hellblaue Coupé ist nur deshalb auf Anhieb als Ferrari identifizierbar, weil es vor dem weltbekannten Wohngebäude mit den Ferrari-roten Fensterläden auf dem weltbekannten Gelände der Ferrari-Teststrecke in Fiorano parkt.
Das Dach scheint zu hoch, das Heck zu massiv, die Front zu belanglos für die berühmteste Rennwagenmarke der Welt. Nur die Drahtspeichenräder mit Zentralverschluss und das große Kühlergitter mit der Aufteilung eines Eierkartons deuten auf sportliche Ambitionen hin. Nimmt man die Karosserie ab, so kommt ein Fahrgestell der schlichtesten Art zum Vorschein, das besser zu einer konservativen Vorkriegsmarke passen würde als zu einem jungen Rennstall, der sich das Ziel setzte, der scheinbar übermächtigen Konkurrenz von Alfa Romeo ihren Spitzenplatz auf allen Rennpisten streitig zu machen. An Nebensächlichkeiten wie Fahrwerk oder Bremsen verschwendete Enzo Ferrari kaum einen Gedanken. Den rustikalen Rahmen mit Querblattfeder vorn und Längsblattfedern an der Hinterachse ließ er von der Firma Gilco aufbauen und zuliefern. Die Gestaltung der Aluminiumhaut überließ er dem Geschmack seiner Kunden und dem Stil des jeweiligen Karosseriebauers. Aufbauten für die ersten Ferrari Coupés entstanden bei Touring, Stabilimenti Farina, Allemano, Ghia und Vignale. Unser Fotomodell ist eines von elf Touring Coupés der ersten Serie aus den Baujahren 1948 und 1949. Die wie das Dachteil von Hand in Form geschlagenen Hauben, Kotflügel und Türtafeln überdecken einen besonders leichten („superleggera“) Aluminium-Gitterrahmen, eine Spezialität der Mailänder Karosseriefabrik. Touring hielt bis in die 60er-Jahre hinein bei schnellen und edlen Sportwagen an dieser Technik fest.
DER V-ZWÖLFZYLINDER WAR DAS HERZSTÜCK JEDES FERRARI
Mit einer Allemano-Version dieses ersten in Serie gebauten Ferrari holte Clemente Biondetti den Gesamtsieg bei der Mille Miglia 1948 und verteidigte ihn im Folgejahr erfolgreich mit einem 166 MM Spider. Der Erfolg lag an seiner Fahrkunst und am einzigen Bauteil, für dessen Konstruktion Ferrari weder Geld noch Mühen scheute: dem Motor. Den Zwölfzylinder zeichnete Gioacchino Colombo, mit dem Ferrari schon zwei Jahrzehnte zuvor bei Alfa Romeo zusammenarbeitete. Nach dem Krieg warb er Colombo von Alfa ab und traf damit eine seiner besten strategischen Entscheidungen. V12-Motoren waren im Rennsport unüblich. Zwar versprachen viele kleine Zylinder bei gegebenem Hubraum höhere Drehzahlen und damit mehr Leistung. Andererseits trieben viele bewegte Teile die Komplexität, das Gewicht und die Herstellungskosten in die Höhe. Der Colombo-Motor startete 1947 als eine Art Miniatur-V12 mit 1,5 Liter Hubraum für den Rennwagen 125 S und wurde rasch auf ein Einzelvolumen von 166,25 Kubikzentimetern vergrößert.
Dieser Zweiliter-Motor wurde Ferraris erstes Serienaggregat, er kam im Formel-2 Monoposto ebenso zum Einsatz wie in den Werksrennwagen und Coupés für Privatkunden. Bei gezähmten Versionen wie dem 166 „Inter“ übernahm ein einziger Doppelvergaser vom Typ Weber 32 DCF die Gemischversorgung für alle zwölf Brennräume. Er leistete 115 PS bei 6000/min, die Rennversion brachte mit drei Vergasern und höherer Verdichtung bis zu 160 PS bei 7000/min zustande. Insgesamt 38 Ferrari vom Typ 166 „Inter“ wurden gebaut. Der robust konstruierte Colombo-Motor besaß breite Zylinderabstände und damit hubraumtechnisch „Luft nach oben“. In dem Maße, wie Rivalen näher kamen, bohrte Ferrari den „Small Block“ auf. 1952 erreichte er die Drei-Liter-Marke und den weltberühmten Typencode 250. Die klangvollen Beinamen Testa Rossa, California Spider, GT SWB und GTO hat jeder Ferrari-Fan für immer im Gedächtnis gespeichert. Doch der Anfang der Geschichte liegt, wie es sich für einen Mythos gehört, längst wieder im Dunkeln.
FERRARI 166 INTER: Daten und Fakten |
Antrieb V12-Zyl.; Hubraum: 1995 cm3 ; Leistung: 81 kW/110 PS bei 6000/min; max. Drehmoment: ca. 130 Nm bei 5000/min; Fünfgang-Getr.; Hinterradantrieb |
Aufbau und Fahrwerk Alukarosserie auf Gitterrohrrahmen mit zwei Türen; Radaufhängung vorn: Dreieckslenker, Querblattfeder, Stabi.; hinten: Starrachse, Blattfedern; v./h. Reibungsdämpfer; Bremsen: v./h. Trommeln; Reifen: v./h. 5.50 x 15 |
Eckdaten L/B/H: 4200/1525/1350 mm; Radstand: 2420 mm; Leergewicht: ca. 800 kg; Bauzeit: 1948 bis 1951; Stückz.: 38 (ges. Typ 166 „Inter“) |
Fahrleistungen1 Beschleunigung: 0 auf 100 km/h in 12 s; Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h |
FERRARI 250 GTO: DAS PHÄNOMEN
Es gibt seltenere, schnellere und schönere Ferrari. Doch keiner ist wertvoller als der 250 GTO. Analyse eines Phänomens
Technisch betrachtet war das heute kostbarste Auto der Welt bei seinem Debüt nichts weiter als ein großes Facelift, und seine Formgebung ließ manchen
Plagiatsverdacht aufkeimen. Seine Entwicklung erfolgte unter größter Geheimhaltung und in Rekordzeit, doch in der Prototypenphase überwarfen sich der Chefingenieur und der Vertriebsleiter mit dem Firmenpatron. Sie wurden Knall auf Fall entlassen, und eine Handvoll mit ihnen sympathisierender Manager musste ebenfalls den Schreibtisch räumen. Ein Rumpfteam von Nachwuchsleuten rückte daraufhin in die Verantwortung und kümmerte sich um Abstimmung und Finish.
DER ULTIMATIVE FERRARI WAR EINE REAKTION AUF DEN E-TYPE
Inmitten dieses Chaos entstand einer der berühmtesten Rennsportwagen aller Zeiten, und obwohl seiner Konstruktion nichts Innovatives anhaftet, obwohl er keines der ganz großen Rennen gewann und obwohl er keinerlei Komfort bietet, gilt der 250 GTO heute als der ultimative Ferrari, ein Traumwagen für Rennstrecke und Straße. 39 Exemplare wurden gebaut, und wenn eines davon im Topzustand mit dokumentierter Vita und Rennhistorie den Besitzer wechselt, wandern dafür umgerechnet gut 30 Millionen Euro von Konto zu Konto. Das entspricht mehr als dem Viertausendfachen des ursprünglichen Kaufpreises. Wer dieser verpassten Chance hinterhertrauert, kann sich damit trösten, dass auch die Erstbesitzer nicht vorausschauend genug waren, um ihre Autos 50 Jahre lang zu behalten. Anfangs sah es ja auch nicht danach aus, als avanciere der GTO einmal zur größten Ferrari-Ikone aller Zeiten. Er war als Reaktion auf den Jaguar E gedacht, der 1961 in Genf präsentiert wurde und den Konstrukteuren von GT-Sportwagen mit seiner Ellipsenform die bis dahin oft unterschätzte Bedeutung der Aerodynamik beim Bau schneller Sportwagen vor Augen führte. Enzo Ferrari holte zum Gegenschlag aus, ehe der E-Type auf der Rennstrecke sein Potenzial beweisen konnte. Konstrukteur Giotto Bizzarrini nahm sich dafür den 250 GT SWB zur Brust. Er strickte einen neuen, komplizierten Gitterrahmen, verlegte den V12-Zylinder so weit wie möglich hinter die Vorderachse und trieb ihn mit sechs 38er Weber-Vergasern und erhöhtem Verdichtungsverhältnis auf die Leistungswerte des Testa Rossa. Bizzarrini plante auch eine schraubengefederte Hinterachse, doch er kam nicht mehr dazu, diese abzustimmen. Sein Nachfolger Mauro Forghieri reaktivierte die Blattfedern, vereinfachte die Rahmenkonstruktion und klebte der nach Art des E-Type geformten Scaglietti-Karosse eine Abrisskante ans Heck, die zum Markenzeichen werden sollte. Fertig war der letzte dominierende Frontmotor-V12 in der GT-Meisterschaft. Den E-Type hielt er noch auf Distanz, die Mittelmotor-Autos nicht mehr.
FERRARI 250 GTO: Daten und Fakten |
Antrieb V12-Zyl.; Hubraum: 2953 cm3 ; Leistung: ca. 213 kW/290 PS bei 7400/min; max. Drehmoment: ca. 300 Nm bei 5500/min; Fünfgang-Getriebe; Hinterradantrieb |
Aufbau und Fahrwerk Alukarosserie auf Stahlgitterrahmen mit zwei Türen; Radaufhängung vorn: Doppelquerlenker, Schraubenfedern; hinten: Starrachse, Längslenker, Blattfedern, Wattgestänge; v./h. Teleskopdämpfer; Bremsen: v./h. Scheiben; Reifen: Dunlop Racing, v. 6,0 x 15, h. 6,5 x 15 |
Eckdaten L/B/H: 4320/1600/1210 mm; Radstand: 2400 mm; Leergewicht: 1000 kg; Bauzeit: 1962 bis 1964; Stückzahl: 39 |
Fahrleistungen1 Beschleunigung: 0 auf 100 km/h in 5,5 s; Höchstgeschwindigkeit: 260 km/h |
FERRARI DINO 308 GT4: DER PHILOSOPH
Mancher glaubt bis heute, der Dino 308 GT4 sei kein richtiger Ferrari. Kenner haben seinen wahren Wert längst entdeckt
Rot zu sein war nie genug. Es gehörte auch vor 40 Jahren schon wesentlich mehr dazu, um bei den Fans als waschechter Ferrari anerkannt zu sein. Sie erwarteten ein Design von Pininfarina, eine Karosserie von Scaglietti und einen V12-Zylinder, wahlweise vor oder hinter den beiden Sitzen platziert. Das Vorhandensein von Rücksitzen löste Entsetzen aus, selbst wenn sie nur als Ablage für die Brieftasche taugten. Der Dino 308 GT4 brach mit diesen ungeschriebenen Gesetzen und folgte einer neuen Sportwagen-Philosophie. Hier ging kein V12 mit Grandezza ans Werk, sondern der erste Achtzylinder in einem Ferrari-Serienfahrzeug, und anstelle der nostalgisch wogenden Pininfarina-Hülle besaß der GT4 eine schnörkellose Keilform Marke Bertone. Er wirkte damit auf manche Betrachter wie eine viersitzige Variante des Lamborghini Urraco. Zwei Sitze zu viel, vier Zylinder zu wenig: Das spaltete die Fan-Gemeinde. Ließ Ferrari sich etwa auf’s Niveau der Konkurrenz herab? Es half auch nichts, dass Ferrari mit Verspätung den „Dino“-Schriftzug durch das springende Pferd ersetzte. Naserümpfend blickten die Stammkunden auf neureiche Dino-Fahrer herab, denen die Unterhaltskosten oft wie erwartet über den Kopf wuchsen. Auch ein Ferrari-Sonderangebot muss man sich leisten können. Entsprechend prägen vernachlässigte Modelle mit zu vielen Vorbesitzern und zu wenigen Pflegestunden heute das Bild auf dem Markt und drücken das Preisniveau.
KEIN FERRARI-KLASSIKER IST SO ALLTAGSTAUGLICH WIE EIN GT4
Dabei haben Kenner längst den wahren Wert des ersten Ferrari für die Familie erkannt. Sein V8 hat gleiche Zylindermaße wie der V12 des Daytona, dreht sogar noch 700/min höher und kann rückblickend als Urgroßvater jedes Mittelmotor-V8 bis hin zum 458 Italia betrachtet werden. Kaum ein klassischer Ferrari gibt sich so alltagstauglich wie der 308 GT4. Trotz aggressiver Drehfreude und Mittelmotor-Layout ist das Fahrverhalten stabiler als beim berüchtigten Vorgänger Dino 246 GT. Doch während jener längst in die Sphäre der Traumwagen zu sechsstelligen Preisen entrückt ist, lohnt sich beim 308 GT4 nur selten eine Vollrestauration. Das führt zu gewaltigen Preisunterschieden am Markt. Während halbwegs gut erhaltene Modelle weiterhin verlockend günstig angeboten werden, zahlen Experten für absolute Topautos auch das Dreifache des Durchschnittstarifs.
FERRARI DINO 308 GT4: Daten und Fakten |
Antrieb V8-Zyl.; Hubraum: 2926 cm3 ; Leistung: 173 kW/236 PS bei 6600/min; max. Drehmoment: 285 Nm bei 5000/min; Fünfgang-Getriebe; Hinterradantrieb |
Aufbau und Fahrwerk Stahl-/Alukarosserie auf Gitterrohrrahmen, zwei Türen; Radaufhängung v./h.: Doppelquerlenker, Federbeine, Stabi.; Bremsen: v./h. innenbelüftete Scheiben; Reifen: v./h. 205/70 VR 14 |
Eckdaten L/B/H: 4300/1800/1180 mm; Radstand: 2550 mm; Leergewicht: 1327 kg; Bauzeit: 1974 bis 1980; Stückz.: 2826; Preis (1974): 42.950 Mark |
Fahrleistungen1 Beschleunigung: 0 auf 100 km/h in 6,4 s; Höchstgeschwindigkeit: 245 km/h; Verbrauch: 18,7 l/100km |
MARKTLAGE
Zustand 2: 30.000 Euro
Zustand 3: 21.500 Euro
Zustand 4: 12.000 Euro
Wertentwicklung: steigend
Karsten Rehmann