- Audi Sport quattro oder Audi Ur-quattro?
- Fertigung des Audi Sport quattro eine herausforderung
- Der quattro 20V wirkte in die Jahre gekommen
- Sport quattro unkomfortabler als 20 V
- Unglaubliche Fahrdynamik im Sport quattro
- Fahrwerk des quattro 20V stößt an seine Grenzen
- Hier lauern Defekte und Rost
- Fazit
Der Audi quattro war die Basis für viele Rallye-Erfolge. 1989 folgte zu guter Letzt noch die Vierventil-Variante quattro 20V. Ist sie eine gute Alternative zu dem nur 224 Mal gebauten und viel teureren Audi Sport quattro? Ratgeber zum Oldtimer-Kauf!
Audi Sport quattro oder Audi Ur-quattro?
Es beginnt wie so häufig an einer Tankstelle. Der eben noch stolze Fahrer des Audi quattro 20V wird auf sein eckiges Gefährt angesprochen, doch nach wenigen Sätzen beginnt sich seine Miene zu verdunkeln. Grund ist die immer gleiche Assoziation zum Thema Audi quattro. Nicht der "lange" Audi Ur-quattro von 1980 hat sich in den Köpfen der meisten Fans als das Audi-Aushängeschild der 80er Jahre festgefahren, sondern sein seltener Verwandter, der von 1984 an verkaufte Sport quattro mit kurzem Radstand. Dabei ist dieser 306 PS (225 kW) starke Bolide wohl nur den Wenigsten jemals in Natura begegnet – kein Wunder, bei einer produzierten Stückzahl von lediglich 224 Fahrzeugen. Doch irgendwie hat es der nur 4,16 Meter lange Sport quattro geschafft, dass ihn über Jahrzehnte nach Produktionsende immer noch viele als den Vater aller quattro wahrnehmen. Die Rallye-Erfolge Anfang der 80er-Jahre wurden aber mit dem Ur-quattro erzielt.
Der Audi quattro 20V, 1989 als krönender Abschluss einer bereits zehnjährigen quattro-Geschichte vorgestellt, ist dagegen weitgehend unbekannt. Er ist halt ein Audi Coupé, mit dicken Backen und dem tollen Sound des Fünfzylinders – aber ein ähnliches Auto hatte ja der Nachbar damals auch. Es wird natürlich verschwiegen, dass das ein profanes Fünfzylinder-Coupé mit Saugmotor war, das aber so ähnlich aussah. Die Punkte Ruhm und Ehre gehen also schon mal an den Sport quattro. Zusätzliches exklusives Flair verleiht ihm bei Kenner:innen seine Herkunft. Gebaut wurde der "Kurze" in den inzwischen abgerissenen Hallen der schwäbischen Karosseriemanufaktur Baur. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Leslie & Cars fährt den Audi Q6 e-tron (2024) im Video:
Fertigung des Audi Sport quattro eine herausforderung
Grund für die Auslagerung der Produktion war der ungewöhnliche Materialmix von Stahl und GfK/Kevlar, der eine Eingliederung des Modells in die Bandfertigung bei Audi unmöglich machte. So besteht etwa die Bodengruppe des Sport aus Stahl, während Kotflügel, Motorhaube, Schürzen, Seitenteile und Dach aus mit Kevlar laminierten Glasfasermatten gefertigt wurden. Das war eine Herausforderung für den Karosseriebau und für die Lackierer:innen, weswegen es den Sport auch nicht in Metallic-Tönen, sondern nur in Schwarz (zwei Fahrzeuge für Ferdinand Piëch), Grün (15), Weiß (48), Blau (21) und Rot gab. Doch bei aller Exklusivität der Karosserie des kurzen Audi quattro muss sich dieser sich mit den Türen und dem Frontscheibenrahmen eines Audi 80 zufrieden geben.
Die bessere Übersicht im hektischen Rallyegeschehen gab Audi damals als Grund für die um 2,5 Grad steileren A-Säulen an und bedauerte insgeheim wohl, diese Teile aus Kostengründen nicht auch noch aus Kevlar gebaut zu haben. Die Suche nach überflüssigen Pfunden konzentrierte sich auf andere Bauteile. So besteht der weit vor der Vorderachse eingebaute Fünfzylinder komplett aus Aluminium, was 23 kg gegenüber dem Gussblock einsparte, die Zuverlässigkeit jedoch in keinster Weise beeinträchtigte. Letztlich blieb die Waage allerdings trotz dieses Aufwandes bei 1298 kg Gesamtgewicht für den Sport stehen – im Vergleich zu den 1380 kg des quattro 20V.
Der quattro 20V wirkte in die Jahre gekommen
Dessen Karosserie besteht vollständig aus Stahl und war so einfacher in den laufenden Produktionsprozess bei Audi in Ingolstadt einzugliedern. In der etwas abgelegenen Halle N2 baute eine eingeschworene Truppe den Audi quattro 20V bis zum Mai 1991 in Handarbeit zusammen, aber nur dann, wenn mal wieder genug Bestellungen eingetroffen waren. Es waren nicht viele, denn 1989 war der quattro 20V einfach nur ein in die Jahre gekommenes Auto, für das nur noch ein geringer Kundenkreis den Grundpreis von rund 91.000 Mark auf den Tisch zu legen bereit war, zumal sich bereits der preiswertere, aber weniger charismatische Audi S2 mit identischer Technik am Horizont abzeichnete. Und auch wenn bei Audi viele darauf hofften: Ein 911er aus Ingolstadt wurde der quattro 20V nie.
Beide Audi quattro bestechen auch heute noch durch ihre Innenräume. Als Interims-Topmodell der Marke (der Audi V8 kam erst wenige Monate später in den Handel) musste der Audi quattro 20V die Premium-Botschaft nach außen tragen. Für eine Modernisierung des Innenraumes im Stil der inzwischen vorgestellten Audi B3-Reihe fehlte allerdings die kaufmännische Basis, doch Audi gelang es, durch einen neuen Wollteppich und die Verwendung belederter Interieur-Teile eine bis heute hochwertige Atmosphäre zu schaffen. Für den Aha-Effekt sorgten die bereits zuvor eingeführten und zum Modelljahr 1987 modernisierten Digitalinstrumente. Die bei früheren Modellen eingesetzte Sprachsynthese zur Annoncierung von Fehlfunktionen war allerdings zwischenzeitlich entfallen. Für die Unterhaltung der Besatzung während der Reise war ein Radio Delta zuständig.
Sport quattro unkomfortabler als 20 V
Serienmäßig gab es eine graue Teillederausstattung in Kombination mit dem für Audi typischen Jaquard-Stoff und ein paar Annehmlichkeiten wie eine Sitzheizung und elektrische Fensterheber – Annehmlichkeiten, auf die Sport quattro-Fahrende zumindest in der Grundausstattung des Modells verzichten mussten. Erst in der aufpreispflichtigen Komfort-Version spendierte Audi der Kundschaft ein wenig Luxus, zu dem dann sogar ein zweiter Außenspiegel und das Cassettenradio Brüssel II gehörte. Serienmäßig war hingegen die exklusiv in diesem Modell integrierte Schalttafel mit Zusatzinstrumenten und einer Vielzahl von Schaltern aus dem Regal des VW-Konzerns. Um den Preis von rund 200.000 Mark zu rechtfertigen, montierte Audi immerhin mit Leder bezogene Innenraumteile.
Mit nur 220 PS (162 kW) aus 2226 Kubikzentimeter Hubraum ist das ebenfalls fünfzylindrige Turbotriebwerk des 20V dem Motor des Sport mit seinen 306 PS (225 kW) zwar nominell unterlegen, doch bereits nach wenigen Metern Fahrt vergisst man diesen Unterschied. Der wassergekühlte Turbolader des Vierventilers spricht dank kleinerer Dimensionierung angenehm früh an, der Motor dreht munter aus, doch schon ab 2500 Touren stellt sich das wohlige Gefühl ein, ansprechend und mehr als ausreichend motorisiert zu sein. Dank G-Kat durfte der quattro 20V sogar dann noch fahren, wenn der Sport an der Grenze zur Umweltzone parken musste (was sich durch die H-Zulassung mittlerweile erledigt hat).
Unglaubliche Fahrdynamik im Sport quattro
Auf Reisen spielt der quattro 20V seine Rolle als Gentleman’s Driver-in Perfektion. Dass er binnen 6,7 Sekunden auf 100 km/h sprintet und der Schub bis rund 230 km/h reicht, ist dabei Nebensache. Er vermittelt vielmehr das Feeling eines Reisecoupés und ist dank des guten Raumangebotes ein idealer Partner für die Tour zu zweit in die Toskana oder in die Provence. Anders der knapp geschnittene Sport, der wie ein Getriebener wirkt, immer auf der Suche nach der nächsten Herausforderung, der nächsten Bestzeit, so als gelte es, die Ehre von Rallye-Weltmeister Walter Röhrl bis in die Neuzeit zu verteidigen. Ein Umstand, der beim Fahren immer eine gewisse Hektik und Angespanntheit mit sich bringt und der durch die serienmäßigen Hosenträgergurte noch verstärkt wird. Die sind allerdings auch nötig, wenn Könner:innen am Volant sitzen und die (möglichst kurvige) Strecke frei ist.
Wer es kann, wirft den Sport derart vehement ums Eck und nutzt sein eigenwilliges Fahrverhalten, dass Beifahrer:innen der Atem stockt. Anspannung herrscht auch im Alltag. Wer schon jemals mit einem 300.000-Euro-Auto in der Stadt unterwegs war, wird das Gefühl kennen: Keine Parklücke ist geräumig genug, um vor den aufschlagenden Türen der benachbarten Fahrzeuge in Sicherheit zu sein, und länger als fünf Minuten den Blick von dem teuren Mobil zu lassen, fällt schwer. Da ist das Leben mit dem quattro 20V, dessen Marktwert etwa bei einem Sechstel liegt, von fast spielerischer Leichtigkeit geprägt. Sicher, auch ein Parkplatzrempler auf seine Kunststoffstoßstangen wäre ärgerlich, doch verglichen mit der zerstörerischen Wirkung auf das Girokonto bei einem Crash mit dem Sport ist der Umgang mit dem quattro 20V Entspannung pur.
Fahrwerk des quattro 20V stößt an seine Grenzen
Auch beim Fahren punktet der Lange. Durch die reduzierte Kopflastigkeit und das mittige, selbstsperrende Torsendifferential fährt sich das 220 PS (162 kW) starke Coupé im Alltag entspannter. Erst wenn es deutlich zu flott in die Kurve geht, zeigt der Audi quattro 20V harmloses Untersteuern. Auf der Langstrecke profitiert er von seinem längeren Radstand, liegt satter und ruhiger. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass speziell bei hohen dynamischen Anforderungen das Fahrwerk an seine Grenzen stößt. Nicht ohne Grund verpasste Audi dem Sport quattro einen Satz Rohrquerlenker und steifere Gummilager.
Und auch beim Bremsen ist der Sport im Vorteil. Statt der wenig leistungsstarken Doppelkolbensättel des quattro 20V setzten die Ingenieur:innen im Sport auf Bremssättel aus dem Porsche 917. In Verbindung mit innenbelüfteten Scheiben rundum brachte das bei vollem Pedaldruck eine Verzögerungswirkung von einem g. Die quattro 20V-Bremse reagierte auf Vollbremsungen regelmäßig stark vibrierend. Abhilfe brachten Umrüstsätze auf Brembo-Anlagen, wobei durchaus gestritten werden darf, ob diese Modifikation nicht die Originalität des Fahrzeugs stört. Doch ob nun zu 100 Prozent Original oder nicht: In jedem Fall dürfen Audi quattro 20V-Eigner:innen sich darüber freuen, das Auto zu besitzen, dass den Allradantrieb im Pkw salonfähig gemacht hat.
Hier lauern Defekte und Rost
Karosserie
Die Karosserie des Audi quattro ist entgegen landläufiger Ansicht nicht voll verzinkt. Sie kann also rosten, speziell wenn nach Kollisionen nicht ordentlich instand gesetzt wurde. Aber auch ohne Vorschaden rostet der quattro 20V. Kotflügelauflagen, vergossene Nahtabdichtungen der Anschweißteile für die Stoßfängerhalter, Schiebedach-Wasserabläufe und Befestigungspunkte der Heckklappenscharniere heißen die üblichen Rostnester. Dazu kommen die unteren Ecken des Frontscheibenrahmens unter der Frontscheibendichtung, die Unterkanten der Türen und die Kofferraummulde, in der sich dank undichter Rückleuchten das Wasser sammelt. Am Unterboden trifft es die Aufnahmen der Kraftstoffpumpe oder den rechten Längsträger, wenn die Verschalung der Auspuffanlage defekt oder weg ist. Die Innenausstattung ist bis auf die Sitze haltbar, den Jaquard-Stoff gibt es als Meterware bei Audi. Viele Kleinteile können aus dem billigeren Audi Coupé übernommen werden. Typische Defekte: klappernde Sitzlehnen, ausgerissene Türtaschen, abgebrochene Halter der Sonnenblenden, defekte Umrandung des Kombiinstruments.
Fahrwerk und Bremsen
Neben den häufig verschlissenen Gummibuchsen der Federbeine und Dreiecklenker gehören vor allem die zu klein bemessenen Schwenklager und die Spurstangenköpfe zu den Dauerpatienten. Die Bremsen leiden unter ihrer zu geringen Dimensionierung (vorne) und fallen durch verzogene Scheiben und überhöhtes Spiel der Bremssattelträger auf. Hinten gammelt nicht selten die Betätigung der Handbremse fest. Dazu gesellen sich Defekte an der hydraulischen Bremskraftverstärkung. Leere Druckspeicher (lassen sich nachfüllen) und undichte Bremskraftverstärker machen aus der Verzögerung dann ein Abenteuer.
Motor
Der Vierventiler (Kennbuchstabe RR) ist identisch mit dem im Audi 200 verbauten 3B-Motor und macht im Prinzip keinen Ärger. Der Abgaskrümmer kann reißen, ebenso der Zylinderkopf samt Verteiler. Die Köpfe hart gefahrener Autos neigen zu Rissbildung und die Antriebsritzel der Verteiler verschleißen. Ersatz für den Kopf ist lieferbar, das Ritzel gibt es als Nachbau. Schlecht gewartete Autos haben mitunter auch Probleme im Kühlkreislauf. Ist das Kühlmittel noch nie gewechselt worden, besteht die Gefahr des Zersetzens. Eine aufwändige Reinigung des Kühlsystems bis hin zum Ersatz der Kühler und der Schläuche ist in solchen Fällen notwendig. Die schlammige Färbung des Kühlmittels im meist schon porösem Behälter ist ein sicheres Indiz für diesen Mangel. Porös werden aber auch die Druckluftschläuche des Turbosystems und die Membran des Bypass-Ventils. Rucken und Bocken beim Ladedruckaufbau sind die Folge. Unschön sind auch Ölleckagen im Bereich der Ölkühlerschläuche. Die sind nur noch unter der Hand lieferbar und meist so mit dem Ölkühler verschweißt, dass nur der Tausch beider Schläuche samt Kühler übrig bleibt. Die aufwändige Motronic ist dagegen unauffällig. Defekte gibt es meist nur im Bereich der Luftmassenmesser oder der Verkabelung
Getriebe, Antrieb und Elektrik
Rallye-erprobt und gebaut für die Ewigkeit heißt das Urteil. Allenfalls die Kupplungsbetätigung oder das Umlenkelement des Schalthebels sorgen für Verdruss in der Antriebseinheit. Auch die hydraulisch betätigte Kupplung ist gut für mehr als 200.000 Kilometer. Bei der Laufleistung ist regelmäßig auch der Anlasser fällig. Die Elektrik des Audi quattro ist einfach und robust. Lediglich das LCD-Kombiinstrument verursacht teure Schäden und kann nur von Spezialist:innen instand gesetzt werden. Massefehler an den Rückleuchten oder defekte Sitzheizungen lassen sich aber in Eigenregie beheben, ebenso die Reparatur ausgefallener Fensterheber oder der Austausch erblindeter Scheinwerfer.
Der Audi quattro 20V ist nicht nur das erreichbarere, sondern auch in vielen Fällen das bessere Auto für den Alltag oder die Reise zu zweit, ohne es dabei an Fahrspaß vermissen zu lassen. Der Sport quattro dagegen ist etwas für die Vitrine. Doch ernsthaft wird kaum jemand vor der Wahl stehen, sich statt des quattro 20V den Sport quattro zu kaufen. Zu groß ist die preisliche Differenz. Und so heißt es für quattro 20V-Fahrende abzuwarten, ob auch deren Audi den Status des limitierten Bruders bekommt – eine Hoffnung, die sich mangels ebenbürtiger Nachfolger im Audi-Programm über kurz oder lang erfüllen könnte.