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Porsche 911 GT3 R Hybrid 2.0 im Tracktest Fahrt in die Zukunft

Mit der zweiten Hybrid-Version des 911 GT3 R zeigt Porsche, welche Chancen diese Technologie im Motorsport bietet. Wir fuhren den GT-Sportwagen

Es ist ein irritierendes Geräusch, das sich da in den bekannten Sound des Boxermotors mischt. Ob ich Gas gebe oder bremse – dieser seltsame Ton bleibt. Anfangs denke ich, dass dieses Brummen aus den Kopfhörern kommt, die ich unter dem Helm trage. Doch tatsächlich sorgt der auf der Beifahrerseite installierte Schwungradspeicher für die ungewohnte akustische Untermalung bei meiner Ausfahrt im Porsche 911 GT 3 R Hybrid.

 

Umgewandelte Bremsenergie

Mit maximal 36.000 Umdrehungen pro Minute kreist dieser Rotor, der in einer Kohlefaserkiste untergebracht ist. Der Schwungradspeicher ist das Herzstück im Hybrid-Konzept der Stuttgarter, das aus ansonsten ungenutzter Bremsenergie zusätzliche Pferdestärken generiert. Das Thema Energierückgewinnung ist auch im Motorsport angekommen – spätestens seit 2009 KERS in der Formel 1 Einzug hielt. Doch während diese Batterie-Systeme im Grand-Prix-Sport durch kurzzeitige Mehrleistung hauptsächlich das Überholen erleichtern und damit die Show verbessern sollen, standen bei der Entwicklung des 911 GT 3 R Hybrid schnellere Rundenzeiten und ein geringerer Verbrauch im Vergleich zu einem konventionell angetriebenen Fahrzeug im Vordergrund.

Langstreckentauglich sollte der Zuffenhausener Hybrid-Renner zudem noch sein. Wie gut diese Aufgabenstellung von den Ingenieuren gelöst wurde, zeigte schon der erste große Auftritt beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring 2010: Die Neuentwicklung führte das Feld an, bis ein profaner Schaden am Verbrennungsmotor die Porsche-Truppe nach über 22 Rennstunden stoppte. In der Eifel feierte der 911 Hybrid ein knappes Jahr später seinen ersten großen Triumph: Mit der weiterentwickelten Version 2.0 holten Lietz/Holzer/ Long im Mai 2011 den Gesamtsieg beim vierten Lauf zur Langstreckenmeisterschaft.

 

Rund 200 PS Zusatzleistung

Wer am Steuer des 911 Hybrid Platz nimmt, sieht sich einem Lenkrad gegenüber, das eher einer Schaltzentrale gleicht: Es beherbergt zahlreiche Knöpfe und Drehschalter, dazu ein Display, die Schaltlampen plus Schaltwippen – und jene Anzeige, die den Fahrer über den Ladezustand des Hybrid-Systems informiert. Ist der Energiespeicher gefüllt, sorgen zwei an der Vorderachse montierte Elektromotoren mit je 75 Kilowatt Leistung sekundenweise für zusätzlichen Schub. Aber zunächst muss ich auf diese Zusatzleistung verzichten, denn nach dem Verlassen der Boxen braucht das System einige hundert Meter, bis es einsatzbereit ist. Und noch immer fehlt der benötigte Strom. Doch beim nächsten Bremsmanöver beginnen die Dioden der Ladeanzeige zu leuchten – und ich spüre im Bremspedal ein leichtes Pulsieren, ähnlich wie bei einer Bremsung mit ABS. Die beiden Elektromotoren übernehmen bei der Verzögerung die Funktion von Generatoren und liefern jene Energie, die durch das surrende Schwungrad auf der Beifahrerseite gespeichert wird.

Beim Tritt auf das Gaspedal am Scheitelpunkt der Kurve werden die beiden E-Motoren an der Vorderachse jetzt automatisch aktiviert. Der nominell 448 PS starke Porsche 911 GT 3 R Hybrid verwandelt sich zu einem allradgetriebenen GT-Sportwagen – zumindest für einige Sekunden. Nicht allein der Gewinn an Schub durch zusätzlich rund 200 PS ist dabei bemerkenswert, sondern vor allem die Art, wie diese Leistung in Vortrieb umgesetzt wird. Die beiden Elektromotoren an der Vorderachse sind mechanisch entkoppelt und wirken wie ein elektronisches Differenzial. Die Traktionsvorteile des temporären Allradantriebs sind auf trockener Straße deutlich spürbar. Bei Regen dürften sie noch weitaus klarer ausfallen. Zudem wirkt der Hybrid-Porsche im Grenzbereich deutlich gutmütiger als ein konventionell angetriebener GT 3.

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Nach einigen Runden wechsele ich per Griff zum Drehknopf vom automatisierten Modus des Hybrid-Systems zur manuellen Bedienung: Mit dem Boost-Button am Lenkrad kann ich nun die elektrischen Zusatz-PS genau dann abrufen, wann ich es will – vorausgesetzt, der Speicher ist entsprechend voll. Am Ende der Zielkurve von Estoril drücke ich den Knopf – und das Ergebnis ist beeindruckend: Obwohl ich gegenüber der vorherigen Runde fünf km/h langsamer auf die lange Gerade komme, sorgen die Elektromotoren dafür, dass der Porsche rund 300 Meter weiter bereits Tempo 240 erreicht hat. Das sind zehn km/h mehr als zuvor. Diese Differenz macht deutlich, dass der Hybrid-Porsche seinem Fahrer im Rennen das Überholen durch den gezielten Einsatz der Zusatzleistung klar erleichtert.

Seine Verbrauchseffizienz aber ist vielleicht der größte Pluspunkt des 911: „Auf der Nordschleife des Nürburgrings konnten wir mit unserem Auto zehn Runden am Stück fahren“, erklärt Entwicklungsingenieur Owen Hayes nach meiner Rückkehr an die Boxen. „Das war eine Runde mehr als unsere Konkurrenz – bei identischem Tankinhalt.“ Porsche ist nicht der Erfinder des Hybrid-Antriebs im Rennsport. Doch es zeigen sich Parallelen zur Turboentwicklung vor rund 40 Jahren: Es waren die Stuttgarter, die dieser Technologie auf der Rennstrecke zum Durchbruch verhalfen. Der Porsche 911 GT 3 R Hybrid bietet einen Ausblick in die Zukunft des Motorsports, denn die Vorteile des Konzepts sind offensichtlich. An den merkwürdigen Ton im Cockpit gewöhnt man sich dabei gern.
Dieter Serowy

TECHNISCHE DATEN
Porsche 911 GT3 R Hybrid 2.0

ANTRIEB
6-Zylinder-Boxer, 4-Ventiler Hubraum 3996 cm³  Leistung 329 kW / 448 PS bei 8600 /min; Elektromotoren 150 kW / 204 PS Getriebe 6-Gang, sequenziell, Wippenschaltung Antrieb Hinterrad (Verbrennungsmotor), Vorderrad (E-Motoren)

FAHRWERK
v.: McPherson-Federbeine, Querlenker, Stabi.; h.: Mehrfachlenkerachse, Federn, Dämpfer, Stabi.; Traktionskontrolle Felgen v.: 11,5 x 18; h.: 13 x 18; Bereifung v.: 30/65-18; h.: 31/71-18; Bremsen rundum innenbelüftete Scheiben; ABS

ECKDATEN
Gewicht 1300 kg L / B / H 4530 / 1954 / 1260 mm

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